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Mahder starrte ihn verwirrt an, während seine Finger über die Tasten des Telefons huschten. Er runzelte die Brauen, dann schüttelte er den Kopf. »Beide besetzt. Hören Sie, ich hätte auch noch Verschiedenes zu tun. Nicht, dass ich Sie loswerden will, aber wenn ich Ihnen weiter zur Verfügung stehen soll, müssen Sie mir schon einen Grund liefern. Sonst bin ich hinterher der Dumme, verstehen Sie?«

»In Ordnung«, sagte O’Connor. »Wenn Sie mich dafür ins neue Terminal bringen.«

»Was?«

»Ich will mich da umsehen.«

Mahder schnappte nach Luft.

»Das können Sie nicht so einfach. Man wird Sie nicht reinlassen, Sie sind nicht befugt, und–«

»In Ihrer Gesellschaft bin ich befugt«, brauste O’Connor auf. »Sie haben einen Ausweis, das hat heute Mittag schon mal funktioniert.« Er lief ungeduldig zur Tür. »Kommen Sie endlich, wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich erzähle Ihnen im Auto, wonach ich suche, aber ich muss da rein, oder der Präsident der Vereinigten Staaten wird

den letzten Blick seines Lebens auf das Vorfeld Fracht West werfen.« Der Abteilungsleiter erbleichte. »Sie meinen .«

»Ja. Genau das meine ich.«

»Dann… ist gut, ich… ich hole nur gerade meine Autoschlüssel.« »Beeilen Sie sich.«

Mahder verschwand im angrenzenden Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Eine Minute zog sich zäh dahin, dann tauchte er wieder auf, einen Packen Schnellhefter unter dem Arm.

»Ich dachte nur, ich könnte bei der Gelegenheit gleich rüber ins alte Terminal und ein paar Dinge besprechen«, sagte er schnell. »Mein Wagen steht unten.«

»Es reicht, wenn Sie mich reinbringen«, sagte O’Connor.

»Ja, selbstverständlich.«

Mahder eilte zur Tür seines Büros und hielt sie für O’Connor auf. Der Physiker sah auf die Uhr.

Keine Stunde mehr bis zur Landung der Air Force One.

VORFELD FRACHT WEST

Lavallier trat aus dem Feuerwehrcontainer und richtete skeptische Blicke in den Himmel.

Es zog sich zu. Den ganzen Tag über hatte die Sonne geschienen, aber jetzt näherten sich von Osten her bleigraue Wolken. Wind war aufgekommen und blähte die Fahnen vor dem VIP-Zelt. Wenigstens ein erfreulicher Nebeneffekt der Wetterverschlechterung, dachte er. Schlaff herunterhängende Fahnen machten irgendwie keinen Spaß.

Er ging einige Schritte auf das Vorfeld hinaus und nahm die Atmosphäre in sich auf.

Mittlerweile hatten sich alle hier daran gewöhnt, ohne Unterlass Staatsgäste in Empfang zu nehmen, aber bei Bill Clinton war es dennoch etwas anderes. Unwillkürlich ertappte man sich dabei, hundertmal für gut Befundenes einer weiteren kritischen Betrachtung zu unterwerfen, die Fassade des Zelts nach Verschmutzungen abzusuchen, die grauen Stoffverkleidungen über den Sockeln der Fahnen auf korrekten Sitz und Unversehrtheit zu überprüfen. Die Vorstellung, dass der Präsident in etwas mehr als einer Stunde hier aussteigen und Hände schütteln würde, hatte etwas Erhebendes. Und natürlich wollten sie. Jeder hier wollte den Mann aus der Nähe sehen, der in kaum je da gewesener Weise Hoffnungsträger, Friedensengel, Moralist, Wüstling und Dunkelmann in einer Person vereinte – einer Person zudem, die bekannt war für ihre geradezu magnetische Ausstrahlung.

Lavallier richtete den Blick über die Betonfläche des Vorfelds.

In einigen hundert Metern Entfernung zogen sich der kurze Run- way und die Rollbahn entlang, über welche die Air Force One einfahren würde, nachdem sie auf dem Super-Runway gelandet war und ihre Runden durch die Heide gedreht hatte. Jenseits des Runways konnte er die Flugzeughallen der Bundeswehr ausmachen. Der Militärflughafen lag am äußersten westlichen Rand des Flughafengeländes.

Nachdem Clinton den Flughafen verlassen hatte, würde die amerikanische Maschine dorthin gebracht werden, wo sie für die Dauer des Besuchs unter strenger Bewachung verblieb. Alle Maschinen wichtiger Staatsgäste kamen dorthin.

Lavallier drehte sich um und genoss den Anblick. Es sah schon verdammt großartig aus, was sie da hingekriegt hatten. Regelrecht feierlich.

Das VIP-Zelt selbst, weiß, mit Giebeldach und romanischen Rundbogenfenstern, erstreckte sich über die Länge von annähernd fünfzig Metern am Rand des Vorfelds. Rechts daneben ein knallroter Feuerwehrcontainer, zwei grüne Mannschaftswagen, Rettungswagen und Notarzt. Davor bildeten die Fahnen, an denen der Wind jetzt ungestümer zerrte, ein unbekümmertes Durcheinander von Farben, die Welt in seltener Eintracht.

Links vom Zelt zur Lärmschutzhalle hin war ein separater Bereich abgeteilt worden. Auch hier erhoben sich zwei Zelte, die kleiner und der Presse vorbehalten waren. Die Absperrungen, die das komplette Vorfeld umgaben und nur die Front des VIP-Zelts offen ließen, knickten hier diagonal ab und endeten an der Flanke der Lärmschutzhalle. Auf diese Weise hatte man für die Journalisten eine Fläche zum Rollfeld hin geschaffen, auf der sich Fotografen und Korrespondenten seit Gipfelbeginn auf die Füße traten, wann immer hoher Besuch zu erwarten war.

Hinter dem VIP-Zelt wuchs der neue Tower in den Himmel. Dazwischen verlief die Straße, über die Clintons Wagenkolonne den Flughafen verlassen würde.

Zwanzig Minuten zuvor würden die zuständigen SEKs damit beginnen, die komplette Autobahn und die darüber laufenden Brücken zu sperren. Es hatte eine Heidenlogistik erfordert, alle relevanten Bereiche in Köln zu sichern. Allein, was sie am Flughafen auf die Beine gestellt hatten, übertraf alles Dagewesene seit dem Besuch von Präsident Johnson, und der lag immerhin Jahrzehnte zurück.

Besonders an den Vorfeldabsperrungen hatten sie lange getüftelt.

Jetzt war alles perfekt. Um in die Pressezelte und ins VIP-Zelt zu gelangen, musste man von der Heinrich-Steinmann-Straße zuerst auf einen riesigen gesicherten Parkplatz und dann durch separate Checkpoints. Die Presseleute betraten das Gelände durch einen Container, in dem sie abgetastet, überprüft und ihre Geräte einem Röntgengerät überantwortet wurden. Danach passierten sie eine Detektorsperre, nahmen ihre metallenen Gegenstände und die Ausrüstung wieder in Empfang und durften über den angrenzenden Rasen zu den Pressezelten gehen. Den Gästen des VIP-Bereichs hatte man einen prosaischen Kasten wie den Checkcontainer nicht zumuten wollen und stattdessen ein schmuckes Zelt in die Phalanx der Gitter eingefügt, wo man sich höflich, aber bestimmt der authentischen Person des Eintretenden versicherte, bevor man ihn auf den kurzen Pfad über die Wiese zum Zelt entließ. Jenseits des Checkpoints trennte eine Absperrung die VIPs von den Presseleuten. Es hatte ein wenig den Augenschein von Klassentrennung, aber tatsächlich war es besser so. Man hatte Pressetourismus vermeiden wollen, wo Vertreter des Auswärtigen Amts mit Sicherheitsleuten und Diplomaten das eine oder andere besprechen würden, was man tags darauf nicht unbedingt in der Zeitung wieder finden wollte, und außerdem war ein VIP ohne Exklusivität kein VIP mehr.

Lavallier dachte an die eben zurückliegende Besprechung und fluchte leise vor sich hin.

Er hatte im Container eine zweite Krisensitzung einberufen. Von dem verschwundenen Lektor fehlte nach wie vor jede Spur, ebenso von Patrick Clohessy. Mehr und mehr schien sich die Sache als Gerangel unter separatistischen Iren zu entpuppen. Dennoch blieb die gespenstische Vision eines potentiellen Innentäters. Innentäter waren ein Alptraum, und Clohessy schickte sich mehr und mehr an, Lavalliers ganz persönlicher Alptraum zu werden. Zu allem Überfluss war auch noch dieser White-House-Journalist aufgetaucht, mit dem O’Connor im Holiday Inn an der Bar herumgehangen hatte, und hatte ihnen eine abenteuerliche Theorie aufgetischt. Er hatte nicht ganz nüchtern gewirkt, und was er sagte, klang schwer nach O’Connor im fortgeschrittenen Stadium, aber das hatte Lavallier nicht unbedingt ermutigt.