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Die Serben wollten Clinton töten. So weit die Essenz.

Konnte man O’Connor trauen?

Sie hatten den Physiker auf Herz und Nieren überprüft und mit Hilfe der Dubliner einen lückenlosen Lebenslauf zusammengetragen.

Lavallier wusste gut genug, dass Intellektualität und Berühmtheit nicht automatisch mit Ehrbarkeit einhergingen, aber O’Connor schien tatsächlich über jeden Zweifel erhaben. Seine gelegentlichen Ausfälle ergaben eher ein clowneskes Bild. Nachweislich gab es Frauen, die offen geäußert hatten, ihn umbringen zu wollen. Kriminelleres gab es über den irischen Doktor ansonsten nicht zu sagen. Unterm Strich entpuppte sich O’Connor als Freigeist ohne politische Ambitionen, zu dem Clohessys Brief einfach nicht passen wollte.

Falls Clohessy ihn überhaupt geschrieben hatte.

Dass jemand versuchen sollte, O’Connor in Misskredit zu bringen, bereitete Lavallier die meisten Bauchschmerzen. Welchen Sinn sollte das haben? Um seine Glaubwürdigkeit zu untergraben? Um davon abzulenken, dass O’Connor Recht hatte mit seinen Verschwörungstheorien?

Dann war ihm wieder Foggerty eingefallen, der IRA-Führer, den O’Connor vorgab, nicht zu kennen, beziehungsweise sich nicht an ihn erinnern zu können. Und Clohessy wurde tatsächlich von der IRA gejagt, das hatten die Dubliner bestätigt.

Alles hätte so schön sein können!

In den vergangenen zwanzig Minuten hatten sie sich in den Feuerwehrcontainer zurückgezogen, um die Sache ein weiteres Mal zu beraten. Er, Gombel und Klapdor, Brauer, Stankowski und Colonel Graham Lex, der örtliche Leiter des Secret Service für den Bereich Ankunft. Lex hatten sie am frühen Nachmittag über die Situation in Kenntnis gesetzt, als er im VIP-Zelt eintraf. Keiner der Beteiligten hatte während der Sitzung besonders glücklich ausgesehen, aber sie überließen die Entscheidung, was zu tun sei, widerspruchslos Lavallier und Lex. Selbst Stankowski hatte seine Proteste auf ein paar zusammengezogene Brauen beschränkt. Das Vertrauen in die Sicherheitskräfte war uneingeschränkt, und Lex hatte betont, er vertraue bis auf weiteres Lavallier.

Das Problem war, dass niemand sich vorstellen konnte, wie jemand mit einer Waffe nahe genug an Clinton herankommen sollte, um ihm ernsthaften Schaden zuzufügen. Nirgendwo konnte eine Waffe versteckt sein. Nirgendwo stand zudem geschrieben, dass ein eventueller Anschlag unbedingt Bill Clinton gelten musste, auch wenn O’Connor und dieser Silberman das annahmen. Falls wirklich die Gefahr eines Anschlags bestand, konnte er jedem gelten. Was sollten sie tun? Sämtliche Flüge umleiten?

Schließlich waren sie übereingekommen, alles programmgemäß weiterlaufen zu lassen, jedoch die südöstliche Seite der Lärmschutzhalle einem Blitzcheck zu unterziehen. Viel Zeit blieb ihnen nicht, aber es war der letzte kritische Punkt. Sofern sie dort nichts fanden, würden sie nirgendwo etwas finden.

Es konnte keine Waffe geben!

Lavallier sah erneut in den Himmel. Das graue Band der Wolken war näher herangerückt. Hinter ihm verließen die anderen Teilnehmer der Runde den Container. Gombel und Klapdor verschwanden mit Brauer im VIP-Zelt, um den amerikanischen Botschafter und seine Frau zu begrüßen, die soeben eingetroffen waren. Vor der Lärmschutzhalle hielten im selben Moment drei Fahrzeuge mit Hebebühnen. Ein Team aus Technikern, Polizisten und Sicherheitsleuten ging daran, die Fassade der Halle in Augenschein zu nehmen und Hohlräume abzuklopfen.

Stankowski und Lex traten zu ihm. Der Verkehrsleiter folgte Lavalliers Blick und sah mit zusammengekniffenen Augen nach oben.

»Es wird regnen«, sagte er.

Lavallier zuckte die Achseln.

»Ich kann nicht behaupten, dass das meine größte Sorge ist. Dann wird der POTUS eben nass.«

»Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird nicht nass, merken Sie sich das«, belehrte ihn Lex. »Er ist so gut abgesichert, dass nicht mal Regentropfen an ihn rankommen. Wenn doch einer vom Himmel fällt, werden sich die Bodyguards dazwischenwerfen und Clinton mit ihren Leibern schützen.«

Lavallier starrte den Amerikaner mit finsterem Gesicht an. Dann musste er doch lachen.

»Nehmen wir’s mit Humor, mhm?«

»Man vergisst über der ganzen Scheiße seine eigentlichen Sorgen«, knurrte Stankowski. »Wenn es regnet, werden die Angstschreie der Japaner bis nach Tokio zu hören sein. Mir werden die Trommelfelle platzen.«

»Die Japaner?«

»Das wissen Sie nicht? Punkt neun des aktuellen japanischen Wunschzettels: ›Entladen des Gepäcks bei Regen‹. Für den Fall haben sie Millionen Sonderwünsche, zum Schreien! Sie wollen auch wissen, wie lange unsere Röntgengeräte brauchen, um zweihundert Gepäckstücke zu durchleuchten. Ich schätze, in der nächsten halben Stunde werden sie mich fragen, was wir gegen Godzilla zu unternehmen gedenken, wenn er auftaucht.« Er lachte knarzig und schlug Lex auf den Rücken. »Ihr habt ja gar keine Ahnung, was Probleme sind. So was sind Sorgen, Männer!«

»Ich bin überrascht«, grinste Lex. »Ich dachte immer, es gäbe nichts Nervtötenderes als den Secret Service.«

»Stimmt. Ihr seid einzigartig.«

»Das will ich meinen.«

»Na ja.« Stankowski rieb seinen Bart. »Lieb sind sie schon, die Söhne Nippons. Nur, dass sie sich wegen jeder Kleinigkeit ins Hemd machen.« Er deutete zum Zelt hinüber. »Gehen wir rein. Mir knurrt der Magen.«

»Ich komme nach«, sagte Lex.

Sie warteten, bis Stankowski im Zelt verschwunden war.

»Und?«, fragte Lex.

»Was und?«

»Was meinen Sie? Blasen wir Clinton ab?«

»Das sollten Sie mir sagen«, erwiderte Lavallier. »Er ist Ihr Präsident.«

Lex zuckte die Achseln.

»Wissen Sie, die Theorie von diesem O’Connor hat für mich einen kleinen Schönheitsfehler. Die Zeit. Um hier und heute einen Anschlag durchzuführen, schleicht man sich nicht eben mal herein. So was bereitet man vor. Aber der Krieg ist erst vor gut zweieinhalb Monaten ausgebrochen. Vorher hatte Milosevic eigentlich keinen Grund, sauer auf Clinton zu sein, und danach war einfach nicht genug Zeit, einen Anschlag dieser Kategorie vorzubereiten.«

»Ja. Sicher.«

»Wohl ist mir auch nicht, Eric. Aber wenn hier was im Busch ist, dann sind es die Iren. O’Connor scheint ein komischer Vogel zu sein. Ich weiß nicht, ob wir ihm trauen können.«

»Das weiß ich selbst nicht.«

»Schauen wir, was die Untersuchung der Lärmschutzhalle bringt«, sagte Lex. »Dann sehen wir weiter.«

Lavallier schwieg.

»Was ist, kommen Sie mit rein, bevor Stankowski uns die Kanapees wegfuttert?«

»Gleich.«

Lavallier ging näher an die Lärmschutzhalle heran und sah zu, wie die Hebebühnen an der Fassade emporfuhren.

Wenn sie nichts fanden, würden sie Clinton landen lassen. Es gab dann nichts mehr, was sie noch absuchen konnten. Immer vorausgesetzt, Lex blieb bei seiner Entscheidung. Lavallier wusste nicht, was er sich mehr wünschen sollte, dass sie fündig wurden oder nicht.

Etwas klatschte auf seine Wange.

Er wischte es ab. Es war Wasser.

Auf dem Beton des Vorfelds zeigten sich dunkle Flecken, zuerst vereinzelt, dann in wachsender Zahl. Leises Rauschen setzte ein, als die Tropfen immer dichter herniederklatschten.

In wenigen Minuten würde der Flughafen den Luftraum sperren. Niemand durfte mehr starten oder landen, bevor Bill Clinton den Flughafen nicht verlassen hatte. Tausende Menschen würden für die Dauer einer halben Stunde oder mehr am Himmel kreisen oder zu anderen Flughäfen umgeleitet werden.

Es war nicht zu ändern. Wo immer die Air Force One auftauchte, setzte sie jeden geregelten Flugverkehr außer Kraft.

In diesen Minuten wurden auf den Vorfeldern im Landebahnbereich sämtliche Arbeiten eingestellt. Nirgendwo gab es noch ein offenes Fenster, ein geöffnetes Hangartor. Nichts und niemand würde sich im Augenblick der Landung in den fraglichen Sektionen oder darauf zu bewegen dürfen, kein Fahrzeug, kein Mensch. Schon vor einer halben Stunde hatte ein Trupp Mechaniker, der Reparaturen dort ausführte, wo der Super-Runway die Querwindbahn kreuzte, einen Bus bestiegen und sich in größere Distanz verfügt.