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»Ich bin seine… Presseagentin. Wer sind Sie?«

»Polizeimeisterin Gerhard.«

»Wo sind Sie, mein Gott?

»Flughafen. Terminal 2.«

»Ich muss zu ihm«, sagte sie hastig.

»Kommen Sie am besten raus zur Wache«, sagte die Polizistin. »Kennen Sie sich aus?«

Wagner starrte durch den Regen über den Parkplatz.

Die letzten Meter zu ihrem Wagen rannte sie.

VORFELD FRACHT WEST

Jana fühlte eine beinahe überirdische Ruhe. Auch der Umstand, dass es regnete, konnte daran nicht sehr viel ändern.

Ohnehin war der Regen nicht sehr dicht. Aber selbst wenn er es gewesen wäre, hätte sie sich damit abfinden müssen. Alle Teilnehmer der Operation waren sich von Anfang an darüber im Klaren gewesen, dass starker Regen das Unternehmen gefährden konnte. Auch das ominöse Trojanische Pferd wusste es. Und selbst wenn es heute nicht funktionierte, hatten sie immer noch eine zweite Chance. Dann nämlich, wenn Clinton wieder abflog. Es wäre lästig, das Spiel der doppelten Identität bis dahin weiterspielen zu müssen, pendeln zwischen Laura Firidolfi und Cordula Malik. Aber vielleicht war die zweite Chance sogar die bessere. Beim Rückflug würde der Präsident mit seiner Frau Hillary und Tochter Chelsea über das Rollfeld gehen. Sie würden dabei sein, wenn es passierte. So wie Jackie Kennedy damals in Dallas, als man ihren Mann erschoss.

Kein Programmdirektor auf der Welt konnte sich bessere Bilder wünschen.

Die Sache mit Clohessy war ärgerlich gewesen. Auch, dass sie den Lektor hatten entführen müssen und dass es ihm gelungen war, eine SMS an diese Frau zu schicken. Sehr dumm! Am schlimmsten von alldem war jedoch, was Mahder vorhin durchgegeben hatte. O’Connor wusste Bescheid. Jana ahnte, wie er es herausgefunden hatte. Er war Physiker, und er beschäftigte sich mit Licht. Jeder, der das tat, wusste, was ein YAG war. Am Ende musste es ihm gelungen sein, Kuhns Nachricht zu entschlüsseln.

Was passiert war, war passiert. Kein Grund, sich jetzt darüber aufzuregen. Sie hatte entschieden, die Sache durchzuziehen. Nur noch darauf galt es sich zu konzentrieren.

Offenbar hatten sie Glück im Unglück. Wie immer Mahder das Problem gelöst hatte, er musste es irgendwie gelöst haben. Er hatte die Operation nicht abgebrochen. Niemand kam, um der Presse zu sagen, dass Clinton nicht in Köln-Bonn landen würde, dass sein Flug umgeleitet worden war. Keine bewaffneten Truppen stürmten den Pressebereich, um alle Anwesenden in Haft zu nehmen.

Vor Jana drängten sich die Journalisten mit ihren Kameras und Richtmikrofonen. Sie selbst hatte sich in die letzte Reihe zurückgezogen. Für das, was sie vorhatte, reichte es nicht nur, es war möglicherweise besser. Obwohl Jana davon ausging, dass man alle Journalisten nach dem Anschlag stundenlang festsetzen würde, auch sie, war es immer besser, den Rücken frei zu haben.

Sie hatte sich nicht lange in den Pressezelten aufgehalten, wo man an Stehtischen bei Wasser und belegten Brötchen Gipfelthemen wälzte. Sie hatte ein Wasser getrunken und war zur Absperrung hinausgegangen. Es war eine recht geräumige Ecke des Vorfelds, die man der Presse vorbehalten hatte. Von hier aus hatte man das Vorfeld gut im Blick, die hereinrollenden Maschinen, die Politiker, das VIP-Zelt. Jenseits der Lärmschutzhalle zog sich eine weitere Absperrung entlang, die das Vorfeld längs durchschnitt und den Bereich Fracht West vom General Aviation Terminal auf der anderen Seite der Halle abtrennte. Durch diese Absperrung würde Clintons Wagenkolonne einfahren. Ob der Präsident sofort seine Limousine besteigen oder vorher ein paar Worte an die Presse richten würde, war ungewiss. Man hoffte auf jede Kleinigkeit, möglichst auf etwas Ungewöhnliches. Letzteres war der Grund, dass sich alle fast noch mehr auf Jelzin freuten als auf Clinton. Jeder hatte in bester Erinnerung, wie der russische Bär bei seiner Deutschlandvisite seinerzeit zuerst Helmut Kohls Namen vergessen und anschließend das Bundeswehrorchester dirigiert hatte. Zur Freude der anwesenden Journalisten – und wohl zum tiefsten Leidwesen aller anderen – hatte er sogar gesungen. Es hatte geklungen, als hätte er ganz Russland leer gesoffen. Die Presse war hellauf begeistert gewesen.

Clinton war Clinton. Jeder wollte ihn, man drängte und verzehrte sich nach ihm, aber unterm Strich war er natürlich nicht halb so unterhaltsam wie Zar Boris.

Jana sah hinüber zum VIP-Zelt. Einzig der WDR hatte zu beiden Seiten des Zeltes zwei Tribünen zugestanden bekommen, die der Air Force One frontal zugewandt sein würden. Die Logenplätze für die öffentlich-rechtliche Fernsehberichterstattung.

Sie würden ihre Bilder bekommen!

Vor ihr wurden Rufe laut. Plötzlich drängte sich der Pulk dichter an die Absperrung. Kameras wurden hochgehalten, erste Bilder wurden geschossen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Vorfelds, in einigen hundert Metern Entfernung, sah Jana, was die anderen so erregte.

Die Air Force One fuhr über die angrenzende Rollbahn und verschwand für kurze Zeit jenseits der Lärmschutzhalle. Das Geräusch der Triebwerke wurde erst leiser und veränderte sich dann, als die Maschine eine Einhundertachtzig-Grad-Drehung vollführte und zurückkam.

In wenigen Sekunden würde sie wieder in Sichtweite geraten. Sehr viel näher. Sie würde ausrollen, und der Präsident würde winkend auf der Gangway erscheinen.

Janas Finger umschlossen die Nikon.

Sie wartete.

VIP-ZELT

Im Grunde war es nichts weiter als die Landung eines Jumbos. Und dennoch eine beinahe mythische Erfahrung. Die Gewissheit darüber, wer im Innern saß, strafte jede Routine Lügen. An Außen- und Wirtschaftsminister hatten sie sich gewöhnt. An Augenblicke wie diese würde sich niemand gewöhnen.

Im Nu lagen Buffet, Sitzgruppen und Stehtische verlassen da. Mit dem Auftauchen der blauen Kanzel hinter der Lärmschutzhalle hielt es niemanden mehr im Zelt. Die VIPs verließen ihr Refugium und traten nach draußen, um ja nichts von dem historischen Ereignis zu verpassen. Für die Delegierten des Auswärtigen Amts, denen das Protokoll oblag, die Protokolloffiziere und die vierzig Angehörigen der US-Botschaft begann der erhebende Teil, für die Sicherheitsleute die zweite Phase.

Die Landung war überstanden. Auch während des Rollvorgangs gab es gefährliche Momente. Naturgemäß war die Air Force One am sichersten, solange sie sich in beträchtlicher Höhe aufhielt, wo sie theoretisch – weil in der Luft mit Treibstoff und Sauerstoff betankbar – bis ans Ende aller Tage bleiben konnte. Trotz ihrer Wehrhaftigkeit gehörten Start und Landung zu den kritischen Phasen. Dennoch stand der kritischste Moment erst noch bevor. Sobald Clinton seine fliegende Festung verließ, war nicht mehr die Maschine das Ziel möglicher Angriffe, sondern die Person. Zwar war Clinton alles andere als ungeschützt. An allen Eckpunkten des Vorfelds waren fahrbare Fluggastbrücken mit Scharfschützen darauf postiert worden. Weitere Scharfschützen lagen auf den Dächern sämtlicher umstehender Gebäude. Niemand würde eine Waffe ziehen können. Kein Überraschungsangriff hätte eine Chance. Dallas war nicht wiederholbar.

Dennoch fühlte sich Lavallier wie kurz vor einer fürchterlichen neuen Erfahrung, als er mit den anderen vor das Zelt trat und zusah, wie die Präsidentenmaschine hereinrollte.

Es gibt keinen Grund, sagte er sich. Er wiederholte es wie einen Trancegesang, aber tatsächlich war es ein immer wiederkehrendes Stoßgebet. Wir haben alles überprüft. Es gibt keinen Grund. Gibt keinen Grund. Keinen Grund. Keinen Grund.

Sein Blick wanderte zu der Lärmschutzhalle. Die Überprüfung hatte nichts ergeben. Im Wettlauf gegen die Zeit hatten sie jeden Quadratzentimeter des ausladenden Gebäudes mit den außen liegenden Rohrkonstruktionen unter die Lupe genommen, die Rohre abgeklopft.