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O’Connor hätte sie am liebsten im hohen Bogen vom Gerüst geschmissen und wäre ihr hinterhergesprungen, aber in seiner augenblicklichen Situation konnte er nur hoffen, nicht selbst hinuntergeworfen zu werden. Allmählich kehrte sein klares Denken zurück und damit die Erkenntnis, wie seine Worte auf die anderen wirken mussten.

»Ist ja gut«, würgte er hervor. »Lassen Sie mich los.«

»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre«, sagte die Frau skeptisch. »Sie sind mir entschieden zu temperamentvoll.«

»Sie mir auch.«

»Also?«

O’Connor wand sich. Sie zog den Griff fester zu.

»Okay, Schlangenmädchen!« Allmählich blieb ihm die Luft weg. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Hören Sie mir eine Minute zu, ohne mich zu unterbrechen. Danach können Sie machen, was Sie wollen, aber lassen Sie mich um Himmels willen los!«

»Jetzt ist aber Schluss«, fuhr ihn der andere Beamte an. »Sie haben keine Vorschläge zu machen, sondern sich zu erklären!«

»Will ich ja«, krächzte O’Connor zwischen zusammengebissenen

Zähnen. »Es ginge schneller, wenn Sie nicht versuchen würden, mitzudenken.«

»Sie…« Der Polizist lief rot an. Seine Mundwinkel zuckten. »Wir machen hier unseren Job! Haben Sie darüber schon mal nachgedacht?«

»Ich zerbreche mir nicht den Kopf anderer Leute und strecke mich auch nicht nach deren Decke«, sagte O’Connor mühsam beherrscht. »Ich zermartere mir grundsätzlich kein Gehirn, das kleiner ist als meines. Wollen Sie mir jetzt zuhören oder nicht?«

Der Griff um seinen Hals lockerte sich. Dann ließ die Polizistin ihn los. O’Connor schnappte nach Luft und drehte sich schwankend zu ihr um. Sein Atem ging pfeifend. Er fühlte sich wie nach einem Anakonda-Angriff.

»Reden Sie«, sagte die Frau. »Eine Minute.«

»Werde ich nicht brauchen. Ist Clinton schon gelandet?«

»Ja. Mit Verspätung.«

»Hat er die Maschine verlassen?«

»Das weiß ich nicht.«

»Er darf sie nicht verlassen«, sagte O’Connor sehr bestimmt. »Falls er das tut, wird er sterben. Er wird von einem Laserstrahl getroffen werden. Wenn es ein Laser der Größenordnung ist, wie ich vermute, wird die Entladung reichen, ein Loch in seine Brust zu reißen. Oder in seinen Kopf.«

Einen Moment lang starrten ihn alle an.

»Ein Laser?«, echote der Polizist. »Sie sind doch nicht ganz dicht.«

O’Connor überhörte die Bemerkung. Unverwandt sah er der Polizistin in die Augen.

»Wo steht dieser Laser?«, fragte sie ruhig.

»Ich weiß es nicht. Irgendwo in einem Radius von einigen Kilometern. Ein Neodym-YAG-Laser. Wahrscheinlich ein gewaltiges Gerät.

Der Strahl wird über ein System von mehreren Spiegeln umgeleitet werden. Mindestens zwei dieser Spiegel müssen sich in unmittelbarer Nähe des Vorfelds befinden. Wichtig ist nur der letzte, der Clinton am nächsten ist. Sie müssen ihn zerstören.« Er machte eine Pause. »Ich muss es mit eigenen Augen sehen. Bringen Sie mich zu Lavallier. Bitte!«

Ihre Züge blieben unbewegt. O’Connor stellte sich vor, wie die Gedanken hinter ihrer Stirn einander jagten.

Ein Stück Glas barst unter seinem Absatz.

Krrk.

Die Polizistin griff nach ihrem Funkgerät.

»Machen Sie das während der Fahrt«, drängte O’Connor.

»Es ist besser, wenn wir erst–«

»Himmel, haben Sie immer noch nicht verstanden? Ich muss das Gelände sehen! Wir haben keine Zeit. Ich muss es sehen, um sagen zu können, wo die verdammten Dinger sind!«

Die Polizistin ließ langsam und vernehmlich den Atem entweichen. Dann nickte sie.

»Okay. Kommen Sie mit.«

AIR FORCE ONE

»Nein, Herr Präsident«, sagte der Präsident.

Guterson warf einen Blick auf die Uhr und sah durch die offene Tür des Büros zu Clinton herüber. Seit einigen Minuten telefonierte er mit Boris Jelzin, und es schien ein längeres Gespräch zu werden. Gleich nachdem sie gelandet waren, hatte der Russe angerufen.

»Sie kennen meinen Standpunkt, Boris«, sagte Clinton gerade. »Die Befugnisse der Kfor sind im Appendix B klar geregelt. Natürlich sollen sich Ihre Truppen im Kosovo frei bewegen können, alles andere wäre ja blanker Unsinn. Ich meine nur, wir sollten Belgrad nicht den Eindruck vermitteln, als zögen Russland und die Nato nicht an einem Strang.«

Er lauschte einige Sekunden konzentriert. Dann sah er zu Guterson herüber und wies ihn mit einer Handbewegung an, die Tür des Büros zu schließen.

»Ganz genau«, sagte er herzlich. »Wir wollen doch beide nicht, dass dieses Treffen von so einem Husarenstück wie in Pristina…«

Guterson zog die Tür zu und ging nach vorne, wo Clintons Leibwächter und Mitglieder der Crew versammelt standen. Sie unterhielten sich und lachten. Die Stimmung war gut. Niemanden interessierte es, wie lange sie noch in der Maschine bleiben würden. Wenn Clinton zu telefonieren hatte, telefonierte er eben. Wenn die Erfordernisse es mit sich brachten, dass der Präsident der Vereinigten Staaten ein paar Nächte in der Air Force One zu campen wünschte, würden sie auch darüber keine Miene verziehen. Im Flugzeug des Präsidenten lebte man ohnehin nicht schlecht, die beiden Bordküchen leisteten hervorragende Arbeit, und man schlief besser als in den meisten Hotels.

Guterson ahnte, worum es in dem Gespräch mit Jelzin ging. Die Verteilung der Kompetenzen innerhalb der Kfor-Friedenstruppe war seit dem Militärisch-Technischen Abkommen vom 9. Juni eher unbefriedigend geregelt. Weniger für die Staaten der Nato als vielmehr für die russischen Streitkräfte. Moskau hatte immer noch daran zu beißen, dass die internationale Friedenstruppe im Grunde eine Nato-Truppe mit ein paar russischen Soldaten war. Dennoch hatte sich die Lage mittlerweile entspannt. Auch Jelzin hatte offenbar keine Lust mehr, mit dem Säbel zu rasseln. Guterson schätzte, dass er Clinton in Köln um den Hals fallen und Madeleine Albright küssen würde. Er hoffte beinahe, dass es dazu käme. Das Gesicht der Außenministerin im Augenblick des russischen Schmatzers war ihm, um es mit David Letterman zu sagen, a million bucks wert – mindestens!

Er trat zu einem der Seitenfenster der Air Force One und sah hinaus auf das Vorfeld. Es hatte aufgehört zu regnen. Erste Sonnenstrahlen brachen sich durch die Bewölkung Bahn und schufen glitzernde Reflexe auf dem Beton. Die Gangway war herangefahren, der rote Teppich ausgerollt, gesäumt von zwei Dutzend Soldaten der Bundeswehr im großen Dienstanzug, grünes Barett, Schlips und Kragen, weiße Koppel, schwarz gewienerte Stiefel. Sie sahen zackig und kampfbereit aus mit ihren Gewehren. Wahrscheinlich furchtbar stolz, obwohl es ein Scheißjob war, wie Guterson fand. Jeder Job, bei dem man sich nicht kratzen konnte, wenn es einen juckte, war ein Scheißjob, egal, vor wem man sich respektvoll zu versteifen hatte. Aber dafür waren sie schließlich auch da, um im Ernstfall den Scheißjob zu machen. Und die Ankunft des amerikanischen Präsidenten war der Ernstfall.

Sein Blick ging hinaus aufs Vorfeld. Draußen tummelte sich das Begrüßungskomitee. Einige der Delegierten sahen verstohlen auf die Uhr. Es tat Guterson von Herzen leid, dass sie warten mussten, aber er konnte es nicht ändern.

Sie würden ihren Präsidenten schon bekommen.

WAGNER

Die Flughafenautobahn war unbefahrbar.

Wagner sah ungläubig auf die Mannschaftswagen. Die Zubringer, die von der A4 auf die A559 überleiteten, waren sämtlich abgeriegelt. Sie hatte den Golf über die Autobahn hergeprügelt, hatte rechts überholt, geschnitten und konsequent das Tempolimit überschritten, und jetzt ließ man sie nicht auf die richtige Autobahn.