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Natürlich, die Amerikaner und die Sicherheit. Die Kolonne des Präsidenten würde den Weg über die A559 nach Köln und zum Hyatt nehmen. Sogar die Autobahnbrücken sollten abgesperrt werden. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch drunter herfahren durfte, aber wahrscheinlich würde sich auch das in den nächsten Minuten ändern.

Fluchend fuhr sie weiter und wechselte auf die A3. Der Verkehr wurde dichter. Auf dem letzten Kilometer vor der Ausfahrt Königsforst schob er sich zäh dahin, dann endlich konnte sie von der Autobahn entwischen und sich dem Flughafen über die Landstraße nähern. Auch hier ging es nicht wesentlich schneller voran. Radio Köln brachte eine Staumeldung nach der anderen. Sie wählte die Nummer der Auskunft und ließ sich mit der Polizeiwache des Flughafens verbinden, was die Telefonistin vor einige Probleme stellte. Als Wagner endlich durchgestellt wurde, erhielt sie ein Nichts von Information. Weder war etwas über den Verbleib O’Connors noch der Polizeimeisterin Gerhard bekannt. Man wusste von einem Unfall im Terminal 2, aber auch nur, dass dort jemand zu Tode gekommen war.

Wagner fühlte ihren Herzschlag stocken. Sie bat um eine Verbindung mit der Polizeimeisterin, aber das schien aus irgendwelchen Gründen nicht möglich zu sein.

Die Blechlawine quälte sich auf den Flughafen zu und wurde immer langsamer.

Den Tränen nahe, wählte Wagner die Nummer von Silberman.

20.07 UHR. LAVALLIER

Abseits zu stehen, konnte Vorteile haben.

Lavallier hatte sich in einiger Entfernung von der Diplomatengruppe postiert und hielt sie im Auge. Hin und wieder wanderte sein Blick routinemäßig zum VIP-Zelt und zu den Absperrungen ringsum. Immer noch war die vordere Tür des Flugzeugs verschlossen. Über die hintere Treppe hatten sich wenige Minuten zuvor Heerscharen von Agenten des Secret Service ergossen und waren zu den Fahrzeugen der Kolonne hinübergegangen. Der Repräsentant des Auswärtigen Amts hob gerade seine Stimme, und Gelächter brandete auf. Offenbar hatte er einen Witz gerissen.

Die Atmosphäre war entspannt. Dennoch wusste Lavallier im selben Moment, als jemand im Funkgerät seinen Namen sagte, dass es nichts Gutes verhieß. Es war die falsche Stimme für gute Nachrichten: »Monsieur le Commissaire! He, Lavallier, bitte kommen.«

Er riss das Funkgerät hoch und drückte auf Senden.

»O’Connor, zum Teufel, was ist los? Wenn das wieder einer Ihrer Scherze ist–«

»Ich mache keine Scherze«, quäkte O’Connors Stimme aus dem Funkgerät. »Wo ist Clinton?«

»Was?«

»Ist er schon ausgestiegen?«

»Nein, er ist noch im Flieger. Was soll das, O’Connor?«

Dumme Frage, dachte er im selben Moment. Du weißt genau, was es soll. Soeben passiert, wovor es dir am meisten gegraut hat.

»Hören Sie mir genau zu«, sagte der Physiker. »Clinton darf nicht aussteigen. Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen, wir sind auf dem Weg zu Ihnen. Achten Sie auf die Gebäude, die Clinton am nächsten sind. Hohe Gebäude, die höchsten. Suchen Sie nach Spiegeln.«

»Was heißt, Sie sind auf dem Weg? Wovon reden Sie überhaupt?« Es knackte in dem Funkgerät, dann sagte die Stimme einer Frau: »Kommissar Lavallier, hier ist Polizeimeisterin Gerhard. Weisen Sie Ihre Leute an, uns durchzulassen. Wir sind an der Sperre West. Eiszeit 0.«

Eiszeit.

Lavallier war plötzlich, als vibriere der Boden unter seinen Füßen. Intuitiv erwanderte sein Blick die Fassade der Lärmschutzhalle. Eiszeit. Das Codewort für den Attentatsfall.

Gerhard Schröder hatte Eiszeit 16. Toni Blair Eiszeit 5. Jacques Chirac Eiszeit 1.

Bill Clinton hatte Eiszeit 0.

20.08 UHR. JANA

Was immer es war, das den Präsidenten seit einer Viertelstunde daran hinderte, die Air Force One zu verlassen, es konnte nur zweierlei bedeuten.

Entweder er war gewarnt.

In diesem Fall hatte O’Connor gewonnen. Die Sicherheitsleute ließen Clinton nicht aussteigen, weil sie wussten, dass er im Innern der Maschine geschützt war. Was wiederum vermuten ließ, dass sie auch über die Art und Weise des Anschlags im Bilde waren. Andernfalls hätte die Air Force One längst schon das Weite gesucht.

Oder sie hatten keine Ahnung.

Dann allerdings erwies sich die Verspätung des Präsidenten als Segen. Mittlerweile hatten sich die Regenwolken verzogen. Spätes Sonnenlicht fiel schräg auf die Betonfläche und ließ sie warm erstrahlen.

Idealbedingungen für den YAG.

Janas Blick suchte das Vorfeld ab. Nichts deutete darauf hin, dass irgendjemand dort beunruhigt war. Die Herren vom Begrüßungskomitee übten sich in Geduld, sie standen beisammen und sahen hin und wieder hoch zur verschlossenen Tür im Rumpf der Air Force One. Währenddessen hatte das Abfertigungsteam damit begonnen, die Maschine zu entladen. Von jenseits der Lärmschutzhalle, wo das Vorfeld zum benachbarten GAT hin ab gesperrt war, fuhren die ersten Fahrzeuge der Wagenkolonne mit der Präsidentenlimousine ein. Offenbar hatte die SI entsprechende Order erhalten. Lange konnte es nicht mehr dauern.

Noch stand ihr frei, die Operation abzubrechen. Aber falls O’Connor sein Wissen hatte weitergeben können, war es ohnehin zu spät. Die SEKs hätten den Pressebereich längst geräumt. Sie hätten den Kontrollcontainer dichtgemacht, so dass niemand mehr rein und vor allem niemand raus konnte, und die Journalisten in den Zelten festgesetzt.

Jana wusste, dass nach dem Attentat genau das passieren würde. Der Abend versprach lang zu werden. Es würde Stunden dauern, die Journalisten einzeln zu überprüfen. Auch Cordula Malik standen Leibesvisitation, Observierung des technischen Equipments, Überprüfung mit Rückfragen bei allen möglichen Stellen bevor, das ganze Procedere.

Aber Cordula Malik war das Produkt hochprofessioneller Planung. Ihre Vita war absolut wasserdicht. Nicht einmal der Schatten eines Verdachts würde auf die zierliche Journalistin fallen.

Sie wandte sich um. Weiter hinten standen die Türen des Containers unverändert offen.

20.09 UHR. O’CONNOR

»Wir stecken fest«, sagte die Polizeimeisterin.

»Lavallier«, rief O’Connor in das Mikro des Funkgeräts. »Wir kommen nicht weiter. Die verdammte Kolonne blockiert alles.«

Er rutschte unruhig auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens hin und her und spähte nach draußen. Hinter der Sperre konnte er deutlich den Rumpf der Air Force One sehen. Links vor ihnen lag riesig und zum Greifen nah die Lärmschutzhalle. Von dort zog sich die Sperre quer über das Vorfeld, umlagert von Polizei. Die Durchfahrt war geöffnet.

Lavallier hatte im selben Moment Anweisung gegeben, den Wagen passieren zu lassen, als das erste Fahrzeug der Kolonne hindurchgefahren war, gefolgt von fünfundvierzig Vans und Limousinen. Die Hälfte der Kolonne stand jetzt auf dem Vorfeld Fracht West, die andere Hälfte wartete auf dem GAT.

»Kommen Sie von der Ostseite rein«, sagte Lavallier. »Wir treffen uns am VIP-Zelt. Ich lege unterdessen hier alles lahm.«

Die Polizistin legte den Rückwärtsgang ein. In hohem Tempo fuhren sie von der Sperre weg. Der Wagen drehte sich auf der Stelle, schoss in entgegengesetzter Richtung davon und beschrieb eine Kurve. O’Connor wurde in die Rückenlehne gedrückt. Er sah hinüber zur Lärmschutzhalle und zog das Funkgerät zu sich heran.

»Sie haben keine Zeit, irgendwas lahmzulegen«, sagte er eindringlich. »Sie kämpfen gegen die Lichtgeschwindigkeit, Lavallier! Es sind kleine Spiegel von zehn bis zwanzig Zentimetern Durchmesser. Keine üblichen Spiegel, transparentes Glas wahrscheinlich. Wenn Sie einen zerstört haben, ist das ganze System zum Teufel, also schießen Sie die Dinger ab, bevor Sie sonst was machen!«