Выбрать главу

Vermutlich hatten sie die Deutschen mit den Stretchlimousinen ein weiteres Mal brüskiert, aber es war ihm gleich. Das Auswärtige Amt und das BKA hatten einen gepanzerten Audi A8 offeriert, der Secret Service hatte abgelehnt. Die Geschichte lehrte, dass sich Amerikaner nicht mal auf Amerikaner verlassen konnten. Wie also dann auf ein anderes Land?

Missmutig sah er zu, wie der Präsident in seiner Limousine verschwand, und rutschte selbst auf den Rücksitz des Ersatzwagens. Die sechsundvierzig Fahrzeuge der Kolonne »USA 1« setzten sich in Bewegung, rollten vom Vorfeld, passierten das Zelt, in dem die Diplomaten gewartet hatten, und durchquerten ein kurzes Stück Heidelandschaft mit kleinen Waldstücken zu beiden Seiten. Wie es aussah, hatten sie hier sogar einen Golfplatz. Guterson sah berittene Polizei und Hundeführer. Nach einer Minute wendeten sie, fuhren über eine breite Straße zurück, passierten den Tower und die rückwärtige Seite des Zelts und unterquerten eine Brücke. In dreihundertsechzig Metern Höhe begleitete sie ein Polizeihubschrauber und funkte über eine hochauflösende Kamera Echtzeitbilder an die Zentrale am Waidmarkt. Dort hatte man die Fahrzeuge der Delegation ohnehin auf dem Monitor. Sie waren ausgerüstet mit GPS und elektronischem Stadtplan. Was immer in den nächsten Tagen geschah, verloren gehen konnte Clinton nicht.

Guterson nahm den Hörer des Autotelefons im Fond und wählte den Anschluss des Präsidentenfahrzeugs.

»Mr. President«, sagte er, »wir haben noch keine definitiven Informationen. Die Initiative ging von der deutschen Polizei aus, Lex wusste nur, dass der Verdacht eines Anschlags bestand.«

»Ein Anschlag!« Clinton schwieg eine Sekunde. »Welcher Art?«

»Keine Ahnung. Sie halten uns auf dem Laufenden. Es besteht keine Gefahr mehr, wie man mir versichert hat. Trotzdem sollten wir ein bisschen Vorsicht walten lassen. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, heute Abend in diese Brauerei zu gehen.«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, sagte Clinton. »Ich weiß auch nicht, ob es eine gute Idee ist, Präsident zu sein, aber ich bin es trotzdem.«

»Im Hyatt haben sie einiges vorbereitet«, sagte Guterson. »Ein Abendessen.«

»Kommen Sie, Norman, es ist langweilig, immer nur in Quarantäne zu essen«, schnaubte Clinton. Er wirkte ziemlich unbeeindruckt von der Nachricht. »Gehen wir dahin. Kein langes Procedere mit der Presse vor dem Hotel, ich will sofort aufs Zimmer und mich frisch machen. In einer halben Stunde erwarte ich Ihren ausführlichen Bericht.« Er machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Sorgen Sie dafür, dass ich eine Verbindung mit dem Kanzler bekomme, sobald wir in der Sache schlauer sind.«

Es ist Ihr Lieblingsessen, hätte Guterson am liebsten gerufen, aber es war offenkundig, dass er verloren hatte. Und dabei war es tatsächlich Clintons Lieblingsessen: Steak mit Kartoffeln aus Idaho. Im Hyatt hatten sie Erleseneres für den Gaumen des Präsidenten vorgesehen, aber die folgenden Tage würden Gourmet-Menüs im Übermaß bereithalten. Im Grunde war es ohnehin egal. Clinton war weder ein Feinschmecker noch ein Kostverächter, er folgte nur einfach einem weiteren seiner Triebe, nicht anders als beim Sex. Wenn es ums Essen ging, kannte der Präsident kein Halten. Er schlang in sich hinein, was er greifen konnte, undiszipliniert und manchmal unter Umgehung gewisser Tischmanieren. Ganz klar, dass er sich auf einen Abend mit Bier und irgendwas Deutschem freute, das in großer Portion verabreicht wurde.

Während sich die Kolonne aus dem Flughafengelände heraus- und auf den Zubringer zur Autobahn hinbewegte, tätigte Guterson eine Reihe weiterer Anrufe, um eine Hand voll Kölner Lokalitäten darauf vorzubereiten, möglicherweise in einer Stunde den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu empfangen.

Wenn schon spontan, dann wenigstens geplant.

FEUERWEHRCONTAINER

In dem kleinen Innenraum war es eng und stickig, obgleich die Tür offen stand. Lavallier hatte die Einsatzzentrale im VIP-Zelt vorgeschlagen, aber der Mann, der Lex hieß, drängte auf Intimität. Also hatten sie sich zu fünft nach nebenan in den Feuerwehrcontainer gedrängt. Es folgte eine Vorstellung im Eiltempo, der O’Connor im Wesentlichen entnahm, dass er es mit dem Bereichsleiter Flughafen des Secret Service, dem Verkehrsleiter und dem stellvertretenden Verkehrsleiter sowie dem Leiter der Flughafensicherheit zu tun hatte. Sie holten einen Sanitäter, der O’Connors Hände ordentlich verband, gaben ihm ein Glas Wasser zu trinken und begannen, ihn mit Fragen zu bombardieren.

»Wo ist Martin Mahder? Was hat er–«

»Wo steht dieser Laser?«

»Woher hatten Sie Kenntnis von der Position der Spiegel? Wie konnten Sie so genau–«

»Kannten Sie Mahder schon vorher?«

»Woher wussten Sie–«

O’Connor hörte nicht hin. Nachdem er gesehen hatte, wie Clinton wohlbehalten seine Limousine bestiegen hatte und darin abgerauscht war, fand er zu alter Gelassenheit zurück. Am liebsten hätte er jetzt einen Macallan getrunken, hübsch ordentlich mit einem Spritzer Quellwasser versetzt und zimmertemperiert kredenzt, und außerdem wünschte er, dass Kika bei ihm wäre. Er hob die bandagierten Hände und schickte einen hilfesuchenden Blick zu Lavallier.

»Monsieur le Commissaire, dieses Interview wird in babylonischer Verwirrung enden. Ich schlage vor, Sie lassen mich einfach reden.«

»Das ist es, worum wir Sie bitten«, sagte Lavallier.

»Ja, aber Sie tun es alle zur gleichen Zeit, und jeder von Ihnen hat seine eigene Vorstellung davon, wie man ›bitte‹ sagt. Bevor wir über irgendetwas sprechen, lege ich Wert auf die Feststellung…«

»Uns interessiert im Wesentlichen, ob noch eine Gefahr für den Präsidenten besteht«, sagte Lex dazwischen.

»…eben diesem Präsidenten das Leben gerettet zu haben«, endete O’Connor und sah in die Runde.

Einen Moment lang war es still. Lavallier breitete die Hände aus.

»Gut, wir sind Ihnen alle sehr dankbar. Sie sind ein Held. Wir haben ein paar Spiegel zerdeppert, ohne zu wissen, ob es diesen Laser, von dem Sie reden, überhaupt gibt. Also – was macht Sie so sicher?«

O’Connor nippte an seinem Wasser. Seltsamerweise fühlte er kaum Schmerz in seinen zerschnittenen Händen.

»Die Tatsache, dass ich bisher in allen Punkten Recht hatte.«

»Wie müssen wir uns diesen Laser vorstellen?«

»Ein Neodym-YAG ist ein Festkörperlaser«, sagte O’Connor. »Festkörper steht für das Medium, in dem sich die Lichtwellen aufschaukeln, das heißt… ach, egal. Kommen wir lieber–«

»Glas oder Kristall mit beigemischten Atomen«, ergänzte Lex ungerührt. »Derartige Laser gibt es in allen Größen. Wie groß schätzen Sie unseren?«

»Festkörperlaser werden durch Lichtquellen angeregt«, erläuterte O’Connor, um den Sicherheitsmann auf seinen Platz zu verweisen. »Dabei geht Wärme verloren. Sie setzen kaum fünf Prozent der einfallenden Energie in Licht um. Bei 2 kW Ausgangsleistung brauchen Sie eine elektrische Anschlussleistung von 80 kW, und hier dürften wir es mit mindestens 4 bis 5 kW Ausgangsleistung zu tun haben. Allein die Akkus dürften Tonnen wiegen. Kühlaggregate, Umlaufpumpen, Steuergeräte – selbst wenn sie den YAG mit Diodenlasern gepumpt haben, wird er immer noch von beachtlicher Größe sein, wenn der Impuls einen Menschen töten soll.«

»Ich verstehe nur Bahnhof«, sagte der Verkehrsleiter mit einem Blick auf Lex. »Hat er die Frage nun beantwortet oder nicht?«

»Hat er«, sagte der Amerikaner. »Wir müssen nach einem Kasten von zehn Metern Länge oder mehr suchen.«