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»Na und?« Lavallier blickte finster drein. »Sie hatten Plastikkärtchen um den Hals hängen mit ihrem beschissenen Foto drauf. Wir haben einen Blick darauf geworfen und es mit den Bildern auf der Liste verglichen, das war alles.«

»Klingt professionell«, sagte O’Connor. »Untersuchen Sie vor allen Dingen die Kameras. Ein paar elektronische Komponenten, die da nicht reingehören, und Sie haben ihn.«

»Das tun wir ja schon alles«, sagte Lavallier gereizt. »Die Überprüfung ist in vollem Gange. Wir haben einen Experten für Kameratechnik mit rausgeschickt, Computercheck, der ganze Zinnober. Aber ich fürchte, es wird nichts bringen.«

»Warum?«

»Wenn dieser Anschlag wirklich stattgefunden hätte, wäre das Gleiche passiert. Wir hätten die Journalisten auseinander genommen wie die Weihnachtsgänse. Unser Freund muss seine Vorkehrungen getroffen haben. Wenn er unter den Journalisten zu suchen ist, wird er uns trotzdem durch die Lappen gehen.«

»Könnte nicht Mahder der Schütze gewesen sein?«, sinnierte Brauer.

»Mahder ist kein Journalist«, wandte der Verkehrsleiter ein.

»Nein, aber er muss ja nicht auf dem Vorfeld gestanden haben. Sichtweite reicht.«

Lavallier schüttelte den Kopf. »Wenn irgendwo jemand mit einer Kamera herumgestanden hätte, wäre uns das komisch vorgekommen. Falls es Mahder war, muss er es anders angefangen haben. Aber ich glaube nicht mal das. Nach dem missglückten Mordversuch an O’Connor dürfte ihm klar gewesen sein, dass er aufgeflogen ist. Das war lange bevor Clinton die Maschine verließ. Die Fahndung nach Mahder läuft auf Hochtouren. Glauben Sie im Ernst, er wäre eine Minute länger am Flughafen geblieben als absolut notwendig?« Er machte eine Pause und sah sie skeptisch der Reihe nach an. »Überhaupt, jemand wie Mahder! Er soll der Mann sein, der Clinton erschießt?«

»Gute Killer tarnen sich auch gut«, bemerkte Lex. »Krüppel, Bettler, senile Greise, alles schon da gewesen.«

»Schön, spielen wir’s durch. Mahder, Clohessy und Pecek. Hätte Clohessy einen solchen Laser bauen können?«

»Er musste ihn nicht bauen«, sagte O’Connor. »Es gibt ja welche. Vielleicht haben sie ihn einfach ins Land geschmuggelt. Fakt ist, dass Clohessy zu allen Zeiten eine arge Schlampe war. Desorganisiert und auf wirkliche Führungspersönlichkeiten angewiesen. Paddy hätte das nie auf eigene Faust durchgezogen.«

»Es ist immer noch nicht sicher, ob überhaupt ein Schuss abgefeuert wurde«, sagte Brauer. »Ich meine, vielleicht war Mahder ja als Schütze vorgesehen, aber dann musste er untertauchen und–«

»Vergessen Sie endlich Mahder, die Spiegel sind ausgefahren im Moment, als Clinton erschien«, erwiderte Lavallier entschieden. »Jemand hat zumindest schießen wollen! Ich stimme Dr. O‘Connor zu. Wir müssen uns auf die Journalisten konzentrieren.«

Einen Moment lang herrschte unbehagliches Schweigen.

»Ich möchte darauf zurückkommen«, sagte Lex zu O’Connor, »ob Sie noch eine Gefahr für unseren Präsidenten sehen.«

O’Connor zuckte die Achseln.

»Wenn die Spiegel zerstört sind – nein.«

»Die Spiegel am Flughafen wurden zerstört.« Lex lächelte höflich. »Sie sind mehr als ich der Experte, Dr. O’Connor. Wie weit kann der YAG maximal von uns entfernt sein?«

O’Connor überlegte.

»Das Äußerste der Gefühle sind zehn Kilometer. Aber ich schätze, sie haben nicht so viel riskiert. Im Umkreis von bis zu fünf, sechs Kilometern sollten Sie fündig werden.«

»Dann könnte er auch woandershin schießen, nicht wahr? Zum Beispiel in die Innenstadt.«

Einen Moment lang herrschte atemlose Stille.

»Ganz richtig«, sagte O’Connor langsam.

»Gesteuert von einem Attentäter, der uns, wie Herr Lavallier zutreffend bemerkt hat, gerade durch die Lappen geht.«

Lavallier sprang auf. »Das reicht. Alles andere wird zurückgestellt. Wir müssen das Ding aufstöbern, und zwar schnell. Los, O’Connor, tun Sie was für Ihren unverhofften Ruhm. Worauf haben wir zu achten?«

»Hohe Punkte«, sagte O’Connor. »Erhebungen.«

»Wie hoch? Wie sehen die aus?«

»Unmöglich zu beurteilen von hier unten, Monsieur le Commis- saire. Bedauerlicherweise kenne ich Ihre schöne Stadt vornehmlich aus der Perspektive einer Theke.«

Lavallier grinste ihn an.

»Das ist ja fein. Dann freut es mich, Ihnen zu einem touristischen Highlight verhelfen zu können.«

HYATT

»Er ist in Kalk!«

Vor dem Hyatt standen sich seit über einer Stunde Hunderte Schaulustiger und Journalisten die Beine in den Bauch. Einige hörten den Polizeifunk ab. Jetzt schwenkte einer sein Handy, über das er soeben die Botschaft empfangen hatte. Bewegung kam in die Menge. Sie hatten geduldig auf den Präsidenten gewartet, aber jetzt wurde es auch Zeit, dass er tatsächlich kam. Wenn er in Kalk war, konnte es sich nur noch um Minuten handeln.

Wie immer war es ein Vabanquespiel mit Ereignissen dieser Art. Nie wusste man so recht, ob es die Mühe wert war, sich herzubegeben und auszuharren, sich angestellt zu haben, um die Poolkarte zu ergattern. Mal wurde es ein journalistisches Eldorado, mal ein Reinfall. Mal nahm sich die Prominenz Zeit, dann wieder ließ sie sich gar nicht erst blicken. Die meisten der Anwesenden hatten schon über Handy erfahren, dass die Landung weniger hergegeben hatte als erhofft und dass sich die Journalisten am Flughafen zu allem Überfluss einer nicht angekündigten Überprüfung unterziehen mussten. Kein Winken des Präsidenten, kein Wort an die Presse. So war es nun mal. Wer sich der Illusion hingab, der Beruf des Berichterstatters sei es, Bericht zu erstatten, musste sich belehren lassen, dass der größte Teil davon aus Warten bestand und sich das Objekt der Begierde allzu oft als Godot erwies. Und dennoch – immer wieder postierte man sich aufs Neue an den Orten der Verheißung, samt Equipment, wartete und hoffte und hoffte und wartete.

Das Gelände war von allen Seiten durch Polizei abgesichert. Auf dem Dach des Landschaftsverbands kauerten Scharfschützen hinter Sandsäcken mit Ferngläsern und Präzisionsgewehren. Boote der Wasserschutzpolizei und kleinere Spezialboote mit vermummten Tauchern an Bord patrouillierten auf dem Rhein.

Hoffen und warten.

Zuerst hörten sie den Hubschrauber. Er näherte sich aus südöstlicher Richtung, drehte eine Runde über dem Hotel und knatterte weiter auf den Rhein hinaus. Die ersten Fotoapparate wurden gezückt, Filmkameras in Bereitschaft gebracht, Mikrofone auf Teleskopstangen vorgestreckt.

Dann ging alles blitzschnell.

Polizeiwagen unter Blaulicht, drei schwarze Stretchlimousinen mit verdunkelten Scheiben und weitere Kolonnenfahrzeuge kamen in schneller Fahrt heran, nahmen rasant die Kurven und bogen in hohem Tempo um die letzte Ecke vor der Auffahrt.

Es wurde ein Reinfall.

Die Limousinen verschwanden ohne anzuhalten in der Tiefgarage des Hyatt, derart schnell, dass es unmöglich war zu sagen, in welcher der Präsident überhaupt saß. Die anderen Wagen stoppten vor dem Haupteingang. Jede Menge Leute entstiegen den gepanzerten Vans und Geländewagen und gingen ins Innere.

Als klar war, dass man den Präsidenten hier nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, wurden halbherzig ein paar Fotos geschossen und einige nichts sagende Sequenzen aufgenommen, in denen Mitarbeiter des Secret Service und des FBI von hier nach da gingen.

Clinton war ihnen entgangen. Vielleicht würde er ihnen morgen gnädiger sein. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort, nach neuerlichem Warten und Hoffen, Hoffen und Warten.

Schon auf der Zufahrt zur Tiefgarage verlangsamten die Limousinen ihre Fahrt und glitten gemächlicher dahin. Guterson hatte die Zeit vom Flughafen hierher mit Telefonieren verbracht. Mittlerweile wusste er eine ganze Menge mehr, und was er wusste, erfüllte ihn nicht mit Freude.