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»Genau das frage ich Sie.«

Mirko antwortete nicht.

Sie kam zurück und baute sich dicht vor ihm auf.

»Ich habe für Arkan und Dugi gearbeitet«, sagte sie. »Jahrelang. Ich kenne jeden, der mit den serbischen Milizen zu tun hatte. Die Paramilitärs hängen alle irgendwie an den Fäden der Milizenführer, niemand von denen ist mir fremd. Ich kenne die offiziellen und inoffiziellen Köpfe der Serbischen Garde und der Erneuerungsbewegung. Sie gehören nicht dazu, Mirko. Zu keinem. Also – wer bleibt in Serbien, der Sie zu mir geschickt haben könnte?«

»Ich kann und werde Ihnen das nicht sagen.« »Dann kann und werde ich Ihnen nicht helfen.« »Doch, das werden Sie. Weil Sie sich an Ihren zehn Fingern abzählen können, wer mich geschickt hat. Ist Ihnen während Ihrer Zeit bei den Milizen je ein Befehl, eine Anordnung, irgendetwas sonst untergekommen, das direkt aus Belgrad kam? Ich meine, von höchster Stelle? Natürlich nicht, aber das ist nur der faktische Beweis staatsmännischer Intelligenz. Dahinter steht eine Entschlossenheit ganz anderer Qualität, Gedanken von einer Tragweite, wie sie einem Arkan oder Dugi niemals kämen! Sie kennen nicht jeden, Jana, weil Sie nicht zu jedem vorgedrungen sind. Darüber hinaus hat unser Land immer noch ein paar starke Freunde, auch wenn wir im Moment dastehen wie eine Bande von Schlächtern. Wir sind allzu beliebt geworden. Es hilft dem Westen, die Palästinenser zu vergessen, Ruanda, die Kurden im Irak und in der Türkei, die Menschen in Tibet. Der Westen hat den Feind aller Werte endlich vor der Haustür. Wie praktisch. Falls die Nato Ernst macht mit ihrer Drohung und wirklich Bomben auf Serbien wirft, stünde der zu erwartende Konflikt in bestem Einklang mit westlichen Wirtschaftsinteressen. Ein Krieg in der Türkei wirft keinen ökonomischen Profit ab. Ein Krieg im Herzen Europas ist hingegen reiner Profit, der Dollar steigt mit den Raketen, und das nennen sie dann die neue Gerechtigkeit. Bravo zu diesem Krieg der Werte, ich sehe ihn kommen. Keiner von denen, die das Gespenst der Intervention heraufbeschwören, will eine humanitäre Katastrophe verhindern, sie wollen schlicht und einfach ihren Machtbereich ausdehnen. Wollen Sie das geschehen lassen, Jana? Sollen wir das kampflos hinnehmen? Die Russen sehen unsere Position zum Beispiel anders, und nicht nur sie.« Er machte eine Pause. »Wie viel muss ich noch verraten, ohne etwas zu sagen?« »Warum reden die nicht selbst mit mir?«

»Weil sie es nicht können und auch nicht wollen. Manche Aufträge werden nie erteilt, das muss ich Ihnen doch nicht erzählen, Jana! Die reden mit mir, und ich rede mit Ihnen.«

»Und jetzt erwarten Sie, dass wir uns heulend in die Arme fallen und das Kosovo Polje heraufbeschwören?«

Mirko verzog das Gesicht.

»Dafür mangelt es mir am nötigen Sentiment. Aber ich glaube schon, dass wir ein Zeichen setzen müssen. Die Welt braucht ein Zeichen. Offen gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob ich alles in Serbien liebe. In den Katalog der Zweifel gehören auch die Ansichten eines einzelnen alten Mannes. Aber ich weiß sehr genau, wen oder was ich hasse! Ich kenne die Sicht des innersten Zirkels, Jana, und sie stellt sich mir ein bisschen anders dar als möglicherweise einem Gerhard Schröder oder Bill Clinton oder Tony Blair. Wenn Sie wollen, können Sie das Patriotismus nennen. Mir sind solche Begriffe schnuppe, sie beschreiben nicht die Wirklichkeit, aber an irgendetwas muss man sich ja festhalten.«

»Sie sagten, ich bin denen nicht geheuer.«

Mirko schwieg eine Weile. Dann nickte er langsam.

»Sie haben Ihr Land verlassen«, sagte er.

»Unsinn. Ich bezweifle, dass Ihr Trojanisches Pferd weiß, wer Jana ist und woher sie kommt. Was spielt es für eine Rolle, welcher Nationalität sie ist? Ihre Leute brauchen einen Profi. Emotionen sind hier völlig fehl am Platz, geben Sie mir da Recht?«

»Grundsätzlich ja. Aber die sind nun mal emotional, was soll ich machen? Im Übrigen wissen sie sehr wohl, dass Jana Serbin ist. Und dass sie Serbien den Rücken gekehrt hat, auch.«

»Na und?«

»Man fragt sich dort, warum. Ich habe klargestellt, dass es nichts mit Ihrer Einstellung zu tun hat, aber sie wollen Gewissheit erlangen, ob Sie Ihr Vaterland… na ja, ob Sie einen gewissen Idealismus mitbringen. Sie möchten einfach, dass Sie persönlich von der Sache überzeugt sind.«

»Sind Sie es denn?«

»Ja.«

Erstmals trat eine gewisse Nachdenklichkeit in Janas Züge. Mirko wartete darauf, dass sie den Faden aufnehmen würde, aber sie sagte nur:

»Welche Garantien bekomme ich von Ihnen?«

»Eine Million ohne Vorleistung.«

»Wann?«

»Wann immer Sie wollen«, sagte Mirko. »Danach gehen Sie an die Arbeit. Ziehen Sie es dennoch vor, den Auftrag abzulehnen, geben Sie die Million zurück. Sie haben achtundvierzig Stunden Bedenkfrist. Wenn Sie sich gegen uns entscheiden, müssen wir uns wohl oder übel nach jemand anderem umsehen, aber wir möchten rasch Klarheit gewinnen. Die Zeit läuft uns davon. Ist das für Sie akzeptabel?«

Jana blickte an ihm vorbei hinaus ins Tal.

»Ich denke darüber nach.«

Mirko lächelte und breitete die Hände aus. »Gut. Haben Sie für den Moment noch Fragen?«

»Nein.«

Mirko ließ einige Sekunden verstreichen.

»Ich will noch etwas hinzufügen, was unserer Zusammenarbeit dienlich sein dürfte. Mir – und ich muss betonen, mir ganz allein nebst einer verschwiegenen Institution, die nur aktiv wird, falls ich mich über einen bestimmten Zeitraum hinaus nicht melde – ist bekannt, dass Sie unter dem Namen Laura Firidolfi auftreten. Ich weiß natürlich, dass das nicht Ihr wirklicher Name ist. In gewissen Kreisen hält sich wiederum das Gerücht, Jana sei identisch mit der untergetauchten Separatistin Sonja Cosic, geboren 1969 in Belgrad, Studium des Serbischen, der Physik und der Informatik, Patriotin durch und durch. Ich schätze, der eine oder andere dürfte es sogar mit einiger Verlässlichkeit bestätigen können. Meine Auftraggeber haben den Namen Laura Firidolfi nie gehört und werden ihn auch nicht zu hören bekommen, soweit es mich betrifft. Aber sie wissen um Ihre serbische Herkunft und gestatten sich aufgrund dessen die erwähnte Skepsis an Ihrer Gesinnung. Zusammengefasst sind Sie also in Personalunion Sonja Cosic, Laura Firidolfi und Jana. Die Liste Ihrer Inkarnationen dürfte damit kaum erschöpft sein. – Nun«, er drehte ihr sein Gesicht zu, »Sie sollen wissen, dass mich all das nicht im Geringsten interessiert. Aber wir werden Vertrauen zueinander fassen müssen. Ich bin meinerseits bereit, Ihnen die größtmögliche Offenheit entgegenzubringen, sobald wir eine gemeinsame Basis der Zusammenarbeit gefunden haben. Im Moment sollte dieses Vertrauen allerdings im gegenseitigen Verzicht bestehen, einander nachzuspionieren. Ich bin Ihnen ein Stück entgegengekommen, denn ich will nicht mit verdeckten Karten spielen. Dafür werden Sie meine Spielregeln beherzigen. Sie werden keinerlei Versuch unternehmen, Informationen über mich und meine Auftraggeber einzuziehen, mir zu folgen oder Leute auf mich anzusetzen. Meinerseits verspreche ich, keine Bemühungen in Gang zu setzen, um meinen Kenntnisstand über Sie, Ihre weiteren Identitäten und Ihre sonstigen Geschäfte und Verbindungen zu vertiefen. Können wir uns dahingehend verständigen?«

Jana schwieg. Dann lächelte sie. Es war das erste Mal seit ihrem Zusammentreffen, dass sie ihre Mimik einer Veränderung unterwarf.

»Ich hätte Sie um das Gleiche gebeten«, sagte sie. »Aber Sie haben Ihre Hausaufgaben ja schon gemacht.«

»Es liegt nicht in meinem Interesse, Ihnen Schwierigkeiten zu bereiten«, sagte Mirko freundlich. »Ganz im Gegenteil. Wir möchten Sie gewinnen. Wenn Sie sich entschließen, den Auftrag abzulehnen, hat unser Gespräch nie stattgefunden, mehr wird nicht geschehen. Sie werden dann erst wieder von mir hören, wenn ich mich für andere Zwecke Ihrer Fähigkeiten versichern möchte, falls das überhaupt jemals der Fall sein wird. Ich garantiere Ihnen in jeder Hinsicht Aufrichtigkeit und Loyalität, solange Sie sich an unsere Vereinbarungen halten. Einverstanden?«