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»Was ist mit dem Mast?«

»Hoch genug ist er. Glatter Schuss bis zum Vorfeld möglich. Stabil ist das Ding ebenfalls, sieht massiver aus, als ich dachte. Wartet, ich komme runter.«

»Ich kann nicht hinsehen«, sagte Wagner leise zu Silberman, als sie den Physiker mit seinen verbundenen Händen mehr rutschen als klettern sah.

»Ob ein Spiegel da oben ist, kann von hier kein Mensch erkennen«, sagte O’Connor, als er wieder vor ihnen stand. »Aber der Mast wäre geeignet. Er ist gut genug nach allen Seiten abgestützt, um in der Spitze nicht zu schwanken. Ein, zwei Zentimeter allenfalls, wenn es wie der Teufel stürmt, und das gleicht die adaptive Optik aus.«

Silberman sah skeptisch zu dem Mast hin.

»Trotzdem eine Chance von eins zu tausend, würde ich sagen.«

»Nicht unbedingt. Ich hatte Stroh im Kopf, als wir mit dem Hubschrauber rumgeknattert sind. Irgendwie ging es mir da oben nicht besonders gut.« O’Connor wies in die Richtung, in welcher der Flughafen lag. »Der Strahl wurde vom UPS-Gebäude zur Lärmschutzhalle geleitet, und die Lärmschutzhalle ist uns am nächsten. Wisst ihr, was mich bei Kuhns Nachricht so in Atem gehalten hat? Es war die intuitive Gewissheit, dass ich den Text entschlüsseln könnte, wenn ich nur den richtigen Einstieg fände. Ich wusste, dass irgendwas daran nicht stimmte, nur nicht, was. Hier ist es genauso. Ich habe diese Laseraufbauten im Kopf, in jeder nur erdenklichen Form. Ich habe x-mal damit gearbeitet. Versteht ihr, ich muss nicht nachdenken, dieser Mast ist mir nicht aufgefallen, weil er hoch war, sondern weil er dort stand, wo er steht. Im Moment, als ich ihn sah, erkannte ich das Muster eines Aufbaus, um ein Vielfaches überdimensioniert, verglichen mit den Laboraufbauten, aber im Prinzip gleich.«

Wagner kniff die Augen zusammen.

»Und dieser Platz wäre ideal?«

»Er ist es! Von hier aus könnte der Impuls zum UPS-Gebäude geschickt und in spitzem Winkel zurückreflektiert worden sein, geradewegs aufs Vorfeld.«

Wagner sah sich unwillkürlich um. Es war immer noch ziemlich hell, aber hier und da brannten die ersten Lichter. Das GEW-Gelände war nicht groß, es erstreckte sich jenseits des Knickes, den die Straße machte, über die Länge von ein- bis zweihundert Metern. Einige Leuchtstoffröhren erhellten die Gebäude, aber soweit man durch die Fenster sehen konnte, war niemand mehr dort. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lagen kleinere Gewerbebauten, flache Hallen und Container, zum Teil hinter Mauern und Toren verborgen. Die Giebel der Wohnhäuser begannen erst ein ganzes Stück weiter.

»Mir ist nicht wohl bei dem, was wir hier tun«, sagte sie.

Dann sah sie die Begeisterung in O’Connors Augen, und ihr wurde klar, dass der Spieler wieder die Oberhand gewonnen hatte.

»Rufen Sie Lavallier an«, drängte Silberman.

»Natürlich.« O’Connor blickte versonnen zu den Bauten auf der anderen Seite hinüber und dann wieder zum Mast. »Lasst mich nur eine Sekunde noch überlegen.«

»Sie können später überlegen.«

»Später ist das Jetzt der Toten. Wenn da oben ein Spiegel ist, muss er leicht schräg zu uns stehen. Der Impuls sollte ihn im Idealfall ebenfalls in einem spitzen Winkel treffen, aber in diesem Fall reichen vierzig bis fünfzig Grad.« Sein Blick suchte die Phalanx der Gewerbebauten ab. Dann ging er hinüber und ein Stück die Straße entlang. Wagner folgte ihm. Vor einer Mauer mit einer Einfahrt blieb er stehen. Sie trat neben ihn und sah, dass das stählerne Tor in einer Schiene ruhte. Eines von denen, die sich zur Seite wegschieben ließen. In der Mauer war ein Schild eingelassen.

»Eine Spedition«, sagte sie.

»Ich würde drauf wetten«, sagte O’Connor beinahe ehrfürchtig.

»Liam, du spinnst.«

Er wandte ihr sein Gesicht zu. Seine Augen glühten.

»Kika, ich spinne nicht, Herrgott noch mal! Ich arbeite seit Jahren mit derartigen Aufbauten, das ist der perfekte mathematische Punkt.«

Sie ließ langsam die Luft entweichen und sah auf das Tor.

»Dann unternimm was.«

O’Connor nickte. Er begann, in den Taschen seines Anzugs nach Lavalliers Karte zu kramen. Wagner verspürte Erleichterung und wandte sich zu Silberman um.

»Er ist endlich vernünftig geworden«, rief sie.

Ihre Augen fielen auf den Berichterstatter.

»Liam«, flüsterte sie.

»Was…?«

Er drehte sich gleichfalls um und hörte auf, nach der Karte zu suchen.

Schräg hinter Silberman stand eine junge Frau. Sie sah aus wie ein Girlie, aber sie hielt eine Waffe auf den Hinterkopf des Korrespondenten gerichtet. Ihre Linke umfasste ein Handy. Langsam schüttelte sie den Kopf.

Das Tor begann sich zu öffnen.

DRAKE

Ein anthrazitfarbener Chrysler Voyager mit abgedunkelten Scheiben parkte zwei Straßen weiter am Rand einer Wiese. Er stand dort seit etwa einer halben Stunde. Im Innern fassten sich vier Männer in Geduld. Sie trugen Anzüge und dezent gemusterte Krawatten auf weißen Hemden, die typische Kluft des Secret Service. Einer von ihnen hatte einen Knopf im Ohr, der über Kabel mit einem Handy verbunden war.

Die vergangenen Minuten hatte er mit halb geschlossenen Lidern einfach nur gewartet und gelauscht. Jetzt richtete er sich kerzengerade auf.

»Da!«, sagte der Russe in seinem Ohr.

Drake drückte den Knopf ein wenig tiefer in den Gehörgang. Die anderen Männer sahen ihn aufmerksam an.

»Wir haben sie«, sagte er leise.

»Ich bin hier«, antwortete Janas Stimme auf Italienisch. »Öffnen Sie.«

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Gruschkow.

»Nein. Ich bringe Besuch mit.«

»Was? Wen?«

»Den Mann, der alles versaut hat. Keine Zeit für Erklärungen. Offnen Sie.«

Drake stutzte. Die Verbindung brach ab.

»Sie hat O’Connor dabei, wie es aussieht«, sagte er.

»Was heißt das?«, fragte einer der Secret-Service-Männer. »Was machen wir mit ihm?«

»Er ist einer von den Guten«, sagte Drake nachdenklich. »Genau wie Kuhn. Egal. Es läuft alles wie besprochen. Haltet auf Jana. Wir haben die Überraschung auf unserer Seite. Wenn wir sie erledigt haben, ist der Rest ein Kinderspiel. Erst sie, dann Gruschkow, zuletzt

Mahder, in der Reihenfolge ihrer Gefährlichkeit. Ich will, dass das in drei Sekunden erledigt ist, und passt auf, dass die Geiseln nichts abbekommen.«

»Schon klar.«

Drake nahm den Knopf aus seinem Ohr.

»Danach«, sagte er. »gibt’s dann eben ein bisschen mehr zu tun.« Er überprüfte den Sitz des Halfters mit den beiden Colt-1911- Pistolen unter den Achseln und nickte den anderen zu.

»Dann mal los.«

JANA

Während das Tor zur Seite glitt, trieb sie den dicken Schwarzen vor sich her auf die andere Straßenseite. O’Connor und die Frau bewegten sich nicht. Sie starrten Jana an, als sei sie ein Gespenst.

In gewisser Hinsicht war sie das auch. Es musste den anderen vorgekommen sein, als sei sie geradewegs aus dem Boden gewachsen.

Wohl oder übel hatten sie nun ein paar Geiseln mehr. Aus den Augenwinkeln suchte sie die Straße ab, aber kein Mensch und kein Fahrzeug zeigte sich. Wenn jetzt jemand kam, war es aus. Sie konnte sich den Weg freischießen, aber was dann? Wen sollte sie noch alles töten?

Sie hatte es satt.

Mit leisem Rumpeln kam das Tor zum Stillstand. Jana ließ das FROG in ihren Blouson gleiten und deutete mit der Waffe ins Innere der Spedition.

»Da rein«, sagte sie. »Schnell.«

O’Connor starrte sie an.

»Sie können uns jetzt nicht entführen«, sagte er. »Wir müssen dringend duschen und haben Hunger und–«