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»Ich werde schießen«, sagte sie ruhig.

Es verfehlte seine Wirkung nicht. Die drei betraten den Hof. Jana folgte ihnen. Sie hörte, wie sich das Tor hinter ihr schloss, dann öffnete sich die Tür zur Halle, und Gruschkow kam zum Vorschein. In seiner Rechten ruhte eine Glock, wie sie selbst eine trug.

»Gleich drei?«, sagte er auf Italienisch. »Ließ sich das nicht vermeiden?«

»Nein.«

Sie dirigierte O’Connor, Wagner und den Schwarzen hinein. Gruschkow trat zur Seite und ließ sie durch. Jana sondierte die Lage. Der YAG war eingefahren, allerdings ein gutes Stück von seinem ursprünglichen Platz entfernt. Der Testaufbau stand immer noch. Kuhn lag regungslos am Boden. Aus der Hallenmitte kam ihnen Mahder entgegen.

»Jana«, rief er. »Endlich!«

Beim Anblick des Lektors ließ Wagner alle Vorsicht fahren und lief zu ihm hinüber. Er drehte ihr den Kopf zu und ließ ein Ächzen hören. O’Connor bedachte Jana mit einem Blick, als wolle er ihr im nächsten Moment an die Gurgel springen, und Gruschkow hob drohend seine Waffe. Jana hielt ihn zurück. Sie deutete mit dem Pistolenlauf zur Wand, wo Wagner neben Kuhn auf die Knie gesunken war.

»Alle da rüber«, sagte sie.

»Jana«, flehte Mahder. »Bitte geben Sie mir das Geld. Ich muss weg, ich kann keine Sekunde länger hier bleiben.«

Jana schenkte ihm keine Beachtung.

»Warum mussten Sie die ganze Bande mitbringen?«, flüsterte Gruschkow. »Hier wird alles außer Kontrolle geraten, wenn wir nicht augenblicklich verschwinden.«

»Weil die ganze Bande drauf und dran war, uns reinzureiten«, antwortete sie leise. »In fünf Minuten hätten wir hier die halbe

Kölner Kripo gehabt, und auf offener Straße konnte ich sie ja wohl schlecht erschießen.«

»Dann erschießen Sie sie jetzt!«

»Jana!«

Mahder trat vor sie hin. Er wirkte nervös und aggressiv. Über den falschen Zähnen sträubte sich sein blonder Schnurrbart.

»Halten Sie den Mund«, sagte Jana.

»Ich werde meinen Mund halten, sobald ich mein Geld bekommen habe. Sie haben alles vermasselt, Sie blöde Kuh.«

»Ich sagte, Sie sollen schweigen.«

»Ich will keine Minute länger hier bleiben als unbedingt nötig, hören Sie?«

»Sie bleiben exakt so lange hier, wie ich es für richtig halte.«

»Scheiße!«, schrie Mahder. »Einen Scheißdreck werde ich tun, ich habe Angst, verstehen Sie? Herrgott, die suchen mich! Ich will hier raus!«

»Mahder!«

»Lecken Sie mich am Arsch! Geben Sie mir endlich, was mir zusteht.«

»Sie bekommen, was Ihnen zusteht«, sagte Jana.

Mit einer schnellen Bewegung richtete sie die Pistole auf den Abteilungsleiter und drückte ab. Der Schuss traf Mahder zwischen die Augen. Er wurde nach hinten geschleudert, schlug auf und blieb regungslos liegen.

Jana starrte einen Moment lang auf die Leiche. Sie fühlte sich seltsam unbeteiligt.

Dann richtete sie die Waffe auf die Gruppe an der Wand.

DRAKE

Mittlerweile herrschte dämmriges Zwielicht.

Die vier Männer näherten sich der Spedition von der rückwärtig gelegenen Straße. Sie liefen an der Mauer entlang, bis ihnen Drake mit einer Handbewegung gebot, stehen zu bleiben.

»Hier«, sagte er leise.

Vor seinem geistigen Auge entstand der Grundriss des Geländes. Er kannte die Anlage bis ins letzte Detail. Die Fläche der Spedition war annähernd quadratisch und maß etwa vierzig mal vierzig Meter, die Halle lag von der Einfahrt gesehen rechts hinten, also ihnen zugewandt, und war in die umgebende Mauer hineingebaut worden; Rückseite und rechte Längswand bildeten zugleich die Begrenzung zur Straße und zum Nachbargrundstück. Der größte Teil der hofzu- gewandten Seite ließ sich über Rolltore öffnen, an der Vorderseite gab es eine Tür, das einzige Fenster lag im hinteren Bereich zur Mauer hin. Es gehörte zu einem der drei Räume, die von der Halle abgeteilt waren. Früher war da ein Büro gewesen, jetzt barg es Feldbetten, Kaffeemaschine, Kochmöglichkeit, Kühlschrank und diverse Gegenstände, die Jana für ihre Metamorphosen benötigte. Im zweiten Raum lag Gruschkows Zentrale, dahinter die Toilette.

Drake gestattete sich ein dünnes Lächeln. Sie würden ganz schön überrascht sein. Aber wahrscheinlich würde ihnen nicht mal dazu Zeit bleiben. Alles würde blitzschnell gehen.

Er sah an der Mauer hoch. Annähernd drei Meter fünfzig. Ein Kinderspiel. Natürlich hätten sie ebenso gut durch den Haupteingang hineinmarschieren können. Drake besaß eine Fernbedienung für das Rolltor, aber Jana hätte den Lärm gehört.

Also von hinten über die Mauer.

»Noch mal in Kurzfassung«, sagte er. »Wenn wir drüben sind – geräuschlos! –, begebt ihr euch zur Vordertür. Sprengsatz anbringen, zünden, rein und draufhalten. Es kann allenfalls O’Connor im Weg rumstehen, Kuhn ist an die Wand gekettet, aber ihr dürft keinen von beiden erwischen. Wenn wir die anderen erledigt haben«, er machte eine Pause, um die Genialität des Plans noch ein wenig auszukosten, »kommt der Rest.«

Den Handschuh überstreifen. Jana die Waffe aus den erstarrten Fingern nehmen.

O’Connor und Kuhn erschießen.

Verstärkung anfordern. Secret Service, deutsche Polizei.

Perfekt.

»Wir gehen rein«, sagte er.

WAGNER

Im Fernsehen sah es irgendwie spektakulärer aus, dachte sie. Es wurde eindrucksvoller gestorben, und es klang ganz anders, wenn jemand schoss. Die Waffe der Frau hatte lediglich einen seltsam trockenen Knall von sich gegeben, und der blonde Mann war umgefallen. Kein Schrei, nichts, einfach so. Er hatte sie angebrüllt, sie hatte die Pistole auf ihn gerichtet, er hatte aufgehört zu brüllen.

Sie starrte, Kuhns Kopf in ihren Schoß gebettet, auf die Terroristin. Wie in Trance registrierte sie, dass die Waffe nun auf sie gerichtet war. Silberman neben ihr schnappte nach Luft. Seine Lippen bebten. Die Frau kam mit raschen Schritten näher, die Waffe gezückt, gefolgt von dem Kahlköpfigen. O’Connor trat ihr in den Weg und hob beschwörend die Hände.

»In Ordnung«, sagte er. »Alles in Ordnung. Okay? Wir tun, was Sie verlangen.«

Wagner fühlte den unbändigen Drang zu schreien. Zugleich war ihr, als pressten eiserne Klammern den letzten Atem aus ihr heraus.

Schlagartig wurde ihr klar, was überhaupt geschehen war. Ihr Blick fiel auf die merkwürdige Konstruktion auf der anderen Seite der Halle. Das Ding ruhte auf Schienen und war riesig. Wie ein flacher Güterwagon mit quer gestellten Rädern sah es aus, und unvermittelt begriff sie, was es wirklich war.

Sie hatten den Laser gefunden.

Sie würden alle sterben.

Die Frau musterte sie finster.

»Rührt euch nicht«, zischte sie. »Keiner von euch.«

Sie sagte etwas zu dem Mann mit der Glatze. Er nickte und machte eine unmissverständliche Gebärde des Halsdurchschneidens, während er weiter die Waffe auf sie gerichtet hielt.

»Kika«, stöhnte Kuhn. Er schlug die Augen auf und hustete. Wagner stellte fest, dass ein stechender Geruch von ihm ausging. Urin, Blut, Ausdünstungen der Angst. Es machte alles nur noch schrecklicher.

Sie wartete auf weitere Plops, darauf, auch O’Connor umfallen zu sehen und Silberman, und auf den Moment, da das Projektil auf sie zufliegen würde, aber nichts dergleichen geschah. Sie sah die Frau ihre Waffe senken und an ihr vorübergehen, den Blick auf Kuhn gerichtet. Eine seltsame Traurigkeit lag plötzlich auf ihren Zügen. Kuhns Augen weiteten sich. Er hob unter Mühen den Kopf und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.

»Nett, dich wiederzusehen, Jana«, sagte er.

Die Frau betrachtete ihn.

»Ich habe das nicht gewollt«, sagte sie. »Das kannst du mir glauben.«