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Der andere packte ihn wortlos. Silberman fand sich in eiserner Umklammerung und griff nach dem Gesicht des Mannes, aber es war zwecklos.

Mit einem Aufschrei flog er zurück in die Halle.

O’Connor sah Silberman in der Tür verschwinden und fast im selben Moment wieder zum Vorschein kommen. Die Art und Weise, wie dies geschah, ließ keinen Zweifel daran, dass man den Raum besser nicht betrat.

Er riss die Tür daneben auf.

Der Raum sah aus wie eine Schaltzentrale. Computer, Laptops und laufende Fernseher.

»Kika…«

»Wir müssen zurück, Liam. Wir können ihn nicht da liegen lassen.«

»Du bist wahnsinnig. Rein mit dir, um Himmels willen!«

Ihr Blick war ein einziges Flehen.

»Kuhn«, sagte sie.

O’Connor nickte mit zusammengekniffenen Lippen. Während sie sich rückwärts in den Raum hineinbewegte, zog er die Tür zu und rannte geduckt zurück zu dem Lektor.

Er hoffte inständig, dass niemand sie in dem Raum suchen würde.

Gruschkow sah den YAG heranrollen und Jana an sich vorbeilaufen. Sie blutete am rechten Oberarm.

»Wir nehmen ihn in die Zange«, rief sie.

Er sah sich um. Zwei der Angreifer waren ausgeschaltet, der dritte nicht auszumachen. Auch Jana verschwand auf der anderen Seite des YAG. Fluchend sprang er zurück, bevor das Ding ihn über den Haufen fahren konnte.

Der Plan war gut, aber er hatte keine Waffe.

Gleichgültig. Jana würde ihm Feuerschutz geben. Er würde für die nötige Überraschung sorgen.

Der dritte Agent schickte hektische Blicke nach rechts und links. Der Koloss, der sich mit einem Mal in Bewegung gesetzt hatte, brachte alles restlos durcheinander, aber wenigstens bot er ihm Schutz.

Der Verschluss seiner Waffe stand offen, das Magazin war leer geschossen. Atemlos klickte er es heraus und lud nach. Das Schießen hatte aufgehört. Nur das schleifende Geräusch der schwarz glänzenden Räder in ihren Schienen erfüllte die Halle. Mit klopfendem Herzen bewegte er sich mit dem YAG, die auseinander gesprengte Tür in seinem Rücken, wohl wissend, dass auf der anderen Seite des dahinrollenden Lasers sein Tod wartete, wenn er nicht schneller reagierte als die verdammte serbische Killerin.

Er hatte sie erwischt. Er war ganz sicher, dass er sie erwischt hatte, aber ebenso sicher wusste er, dass sie nicht tot war.

Schreckliche Angst erfasste ihn.

Nichts von dem, was Drake gesagt hatte, stimmte. Innerhalb weniger Sekunden hatte es seine beiden Kameraden erwischt, kaum dass sie durch die zerborstene Tür ins Innere gestürmt waren. Einer war tot, der andere wälzte sich stöhnend am Boden. Es hatte ein Kinderspiel werden sollen, aber wie es aussah, entwickelte sich die Operation zu einem Desaster.

Dann hörte er die Schritte. Sie kamen von zwei Seiten.

Mit beiden Händen packte er die Waffe.

Der Mann, der sich Drake nannte, zählte zwei und zwei zusammen.

Sie hatten sich verschätzt.

Er hatte keine Ahnung, wer der dicke Schwarze war, den er gerade durch die Tür gestoßen hatte, und drinnen war schon viel zu viel geschossen worden. Es war nicht so gelaufen, wie er es geplant hatte.

Ohne ein Geräusch betrat er die Halle, gerade rechtzeitig, um O’Connor zu dem angeketteten Lektor laufen zu sehen.

Er starrte auf den YAG. Der Pritschenwagen rollte langsam in die Mitte der Halle. Jemand bewegte sich seitlich daran vorbei.

Sein Blick suchte Jana.

Mit einem Satz war sie aus dem Schutz des YAG heraus und Auge in Auge mit dem dritten Agenten.

Er schoss, als habe er nur auf sie gewartet. Jana wirbelte zur Seite und kam zu Fall. Gleichzeitig feuerte der verletzte Agent am Boden auf sie. Mit aller Kraft stieß sie sich ab. Im Herumrollen drückte sie den Abzug durch, immer wieder, entleerte das Magazin. Die Projektile schossen dicht über dem Boden dahin und schlugen in Kopf,

Schultern und Oberkörper des Mannes, der herumgerissen wurde und endgültig still dalag.

Ihr verletzter Arm schmerzte höllisch, als sie hochkam. Ihre Hand fuhr nach hinten, wo die Walther PP in ihrem Gürtel steckte.

Der dritte Agent hatte auf sie angelegt.

Seine Augen glühten.

Gruschkow war hinter ihm und rammte ihm seine Faust zwischen die Schulterblätter. Der Agent taumelte. Die Waffe schlug auf den Boden und rutschte unter den YAG.

Gruschkows nächster Schlag streckte ihn zu Boden.

Der Agent sah seine Waffe auf der anderen Seite der Schiene liegen. Der Russe stand schreiend über ihm. Aus irgendeinem Grund, an dessen Natur er keinen Gedanken verschwendete, schoss Jana nicht auf ihn, sondern starrte wie paralysiert an Gruschkow vorbei.

Er würde keine zweite Chance mehr bekommen. Erst der Russe, dann die Frau. Blitzschnell rollte er sich auf die Seite, griff nach der Waffe und umfasste den Griff.

Das schwere, eiserne Rad des Pritschenwagens trennte ihm die Hand direkt am Gelenk ab, als rolle es durch Butter.

Gruschkow jubelte auf. Er riss die Arme hoch und mischte seinen Freudengesang in das markerschütternde Gebrüll des Mannes unter ihm.

»Nein!« schrie Jana.

Der Russe verstummte. Schrecken trat in seine Augen.

Er versuchte sich umzudrehen.

Das Krachen von Munition zerriss die Luft. Gruschkow wurde nach vorne geschleudert und fiel als blutiges Bündel auf den Körper des schreienden Agenten. Seine polierten Brillengläser zersplitterten.

Er spürte, wie das Leben ihn verließ, fühlte alles in sich erkalten. Die Gewissheit, sterben zu müssen, war schrecklich. Ihm war danach, etwas zu sagen, aber kein Laut kam von seinen Lippen. Seine Mundwinkel zuckten, und ein Ausdruck gelinden Erstaunens legte sich auf seine Züge.

»Nein«, flüsterte Jana.

Hinter Gruschkows Leiche wurde die Gestalt des vierten Agenten sichtbar.

»Jana«, sagte er lächelnd.

Sie starrte ihn an, fassungslos und voller Hass.

»Mirko.«

O’CONNOR

Kuhn atmete schwer. In seiner Brust rasselte es, als sei dort alles in Stücke gegangen.

»Aufhören«, flüsterte er mit geschlossenen Augen. »Aufhören!«

Im Gewitter der Schüsse hatte er unablässig gezuckt, als werde er selbst getroffen, aber O’Connor wusste es besser. Er lag halb neben, halb auf dem Lektor und schirmte ihn ab. Etwas Besseres war ihm nicht eingefallen, als er von Kikas Versteck zurückgelaufen war. Vielleicht konnte er den hilflosen Lektor so vor Querschlägern bewahren. Gezielte Schüsse würden sie beide nicht überleben. O’Connor hatte nicht die mindeste Ahnung, wer in dem Inferno welche Absichten verfolgte, also hielt er die Arme um Kuhn geschlungen und zog die Schultern hoch, als könne das etwas gegen den Kugelhagel nützen.

»Ruhig«, sagte er. »Es ist ein Spiel, Franz. Alles nur ein Spiel.«

»Ein Scheißspiel«, keuchte Kuhn.

»Ja, ich weiß. Aber wir werden gewinnen. Wir werden gewinnen!«

Er war ein bisschen erstaunt über das Maß an Altruismus, das ihn veranlasste, sein Leben für diesen Mann zu riskieren. Seltsamerweise empfand er wenig Angst. Beinahe gelassen registrierte er, dass die Aussicht zu sterben eine neue, interessante Erfahrung verhieß, über die man trefflich würde plaudern können bei Tee und Gebäck oder einer Flasche gekühlten Champagners. Und selbst wenn er sterben müsste, jetzt und hier – wäre es nicht der würdige Abschluss eines ebenso sinnlich vollkommenen wie vollkommen sinnlosen Daseins, tragisch umflort von Laster, Genialität und Trunkenheit?

Seltsame Gedanken für einen Showdown.

Seine Grabredner würden ihm Großes unterstellen, die Kirchenwände widerhallen vom Stahl schöner Worte. Er habe das Licht domestizieren gelehrt und Menschen zu Millionen in fiktive Universen gelockt. Viel getrunken habe er auch, um das Profane aus seinem Geist zu spülen. Geringere als er selbst habe er trefflich beleidigt und auf die Plätze verwiesen. Er sei ganz allgemein ein begnadeter, genialer, gedankenloser, egoistischer, undisziplinierter und arroganter Scheißkerl gewesen.