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»Na los«, keuchte er. »Mach schon. Warum legst du uns nicht einfach alle um, du Miststück? Wäre doch viel einfacher. Bumm, weg!«

»Ich warne Sie«, zischte die Terroristin.

»Du warnst mich? Wovor? Davor, dass ich sterben könnte? Davor muss mich keiner warnen, das weiß ich schon lange! Das Problem ist, dass du sterben wirst!«

»Zurück mit Ihnen.«

»Wenn du da rausgehst«, schrie O’Connor, »wirst du sterben! Ist es nicht so? Du bist mit deinem Latein am Ende, du wirst abkratzen!«

»Ich sagte, Sie sollen zurück an die Wand gehen!« Sie robbte über den Boden nach hinten, die Pistole starr von sich gestreckt. Dann kam sie mit plötzlichem Schwung auf die Beine. Ein Zucken ihrer Schulterblätter hatte genügt, um sie wieder in die Senkrechte zu katapultieren.

»Jana«, flüsterte Kuhn.

Alle Köpfe fuhren zu ihm herum.

Der Lektor hatte sich auf den Ellbogen gestützt. Sein angeketteter Arm stand in unnatürlichem Winkel ab. Er wirkte wie zerbrochen, aber sein Blick war klar. Die wässrigen Augen ruhten gelassen auf der Terroristin. Ohne ihre Körperspannung zu verlieren oder die Position zu verändern, erwiderte sie den Blick.

»Ich habe dir gesagt, dass sie den Preis für dich ausgehandelt haben.« Er hustete und spuckte aus. In dem Speichel, der vor ihn hinfiel, waren Blutfäden zu sehen. »Du wolltest nicht hören. Es ist immer dasselbe mit euch Nationalisten, Patrioten, Traumtänzern. Du hast verloren, Jana. Warum fragst du den armen Kerl nicht, weswegen er überhaupt gekommen ist?«

»Das hatte ich vor«, sagte Jana zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Dein idiotischer Freund ist mir dazwischengekommen.«

»Lass den Mann, er ist Schriftsteller.« Kuhn gluckste. Offenbar hatte er in den Stunden seiner Gefangenschaft ein merkwürdig entspanntes Verhältnis zu der Terroristin entwickelt. »Er kann nicht anders als übertreiben. Sorry, Liam, das war prima, aber völlig unnötig. Sie hat gar nicht vor, uns zu töten. Es ist nicht ihr… Stil. Stimmt’s, Jana? Du glaubst immer noch an die Moral des Mordens, dein Verständnis von Gerechtigkeit ist guillotinesk. Prozessieren, verurteilen, töten, das von Rechts wegen verurteilte Opfer. Wie altmodisch. Du wirst ebenso enden wie Robbespierre, an deiner eigenen Gerechtigkeit.«

»Halt den Mund, Kuhn.«

»Jana, hör zu, das hat alles keinen Sinn hier, wir…« Er schüttelte heftig den Kopf. »Du begreifst einfach nicht, was passiert. Wenn die Typen uns befreien wollten, in Ordnung, aber falls nicht… Ich meine, wir sind immer noch innerhalb des hermetischen Denkens, wir müssen den Gegebenheiten mehr Raum schaffen…«

Wagner sah langsam von Kuhn zu der Terroristin. Jana hatte sich etwas entspannt. Sie heftete ihren Blick auf den verstümmelten Killer.

»Rede endlich«, sagte sie.

»Ich weiß nichts«, stammelte der Mann. »Wirklich, ich…«

Jana feuerte.

Silberman warf sich zu Boden, O’Connor wich zurück. Der Mann schrie auf und schlug schützend die Arme über dem Kopf zusammen. Es sah schrecklich aus mit dem blutigen Stumpf. Wagner fühlte ihr Herz im Halse schlagen, dann sah sie, dass Jana vorbeigeschossen hatte.

»Wir sollten euch alle töten«, heulte der Killer. »Alle, ihr solltet sterben, das war der Auftrag, Sie, Gruschkow, Mahder, o Gott…«

»Mahder habe ich selbst erledigt«, sagte Jana. »Was noch?«

»Es war nicht meine Idee, nicht meine Idee! Wir sollten euch töten, und dann… dann .«

»Die Geiseln«, ergänzte Silberman tonlos.

Kuhn sah zu ihm hinüber und nickte matt.

»Ja, Aaron, guck mal an«, sagte er. »Prima Befreiungsaktion.«

»Wir sollten es mit euren Waffen machen, es sollte aussehen, als hättet ihr sie getötet, bevor wir kamen«, sprudelte der Mann atemlos hervor. »Das war der Plan, ich schwöre, das ist die Wahrheit!«

»Wer – seid – ihr?«, flüsterte Jana.

Der Mann nahm die Arme langsam wieder runter. Er zitterte am ganzen Körper.

»Sie wissen es doch schon.«

»Sag es.«

»Das Trojanische Pferd. Wir… wir sind das Trojanische Pferd.«

»Ihr?«, sagte Jana fassungslos. »Mirko ist…«

»Nein. Ja. Die Leute, die den Auftrag erteilt haben. Uns und Drake.«

»Drake? Wer ist Drake?«

»Drake. Drakovic. Mirko. Wie… wie immer Sie ihn nennen wollen.«

Sie starrte ihn ungläubig an.

»Aber… ihr seid Amerikaner!«

»Ja.« Er ließ ein kurzes, gepeinigtes Lachen hören. »Sie merken aber auch alles.«

MIRKO

Vom Dach der Halle aus hatte er den gesamten Innenhof im Blickfeld.

Wenn Jana es wagen sollte, sich herauszutrauen, würde sie nicht einmal Zeit finden, es zu bedauern.

Aber Mirko wusste, dass sie nicht kommen würde.

Es wurde Zeit, dass er sich etwas einfallen ließ. In die Halle hereinzugelangen stellte kein Problem dar, es zu überleben, schon. Er konnte die provisorische Blockade des Eingangs ebenso wegsprengen wie die Tür, aber diesmal würde Jana vorbereitet sein.

Mirko grinste ohne Freude. Im Grunde hätte er stolz auf sich sein müssen. Er hatte die Richtige ausgesucht.

Zum wiederholten Male überlegte er, was schief gelaufen war. Sein Fehler war es gewesen, daran gab es nichts zu beschönigen! Der vielleicht einzige und zugleich dümmste Fehler, der ihm je unterlaufen war. Sich darauf zu verlassen, dass Jana nur O’Connor und weiter niemanden gemeint hatte, als sie Gruschkow Besuch ankündigte.

Nie durfte man sicher sein.

Er hatte seine Männer in den Tod geschickt. Es waren gute Männer gewesen, aber es gab andere, die nicht weniger gut waren. Das Problem bestand darin, dass zwar ein Anruf genügte, um kraft seiner Autorität Dutzende weiterer Agenten herzubeordern, die binnen weniger Minuten hier sein würden. Er war der Bereichsleiter Wohnen des Secret Service. Nur dass sie sämtlich einem ehrenvollen Ruf folgen würden, nämlich den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu schützen und nicht, ihn zu ermorden. Niemand außer den Dreien, die er verloren hatte, wusste, dass Karel Zeman Drakovic alias Carl Seamus Drake – einer Anwandlung von Sentimentalität folgend hatte er diesen Namen vor langer Zeit gewählt, als die Amerikaner ihm den Gebrauch eines englisch klingenden empfohlen hatten – identisch war mit einem phantomgleichen Terminator namens Mirko, der auf der schwarzen Liste der CIA stand und etwas anderen amerikanischen Interessen diente.

Er legte sich auf den Rücken und sah hinauf in den dämmrig werdenden Himmel. Dies war ein Industriegebiet. Die Explosion musste für die Gefangenen im Innern der Halle geklungen haben wie ein Donnerschlag, aber hier draußen hatten die Bewegungen der Luft den Schall rasch zerstreut, und die nächsten Wohnhäuser lagen eine ganze Strecke weit entfernt. Gleiches galt für die Schusswechsel. Dennoch durfte er sich nicht darauf verlassen, hier noch lange allein zu bleiben. Es war und blieb ein Dilemma. Allein konnte er gegen Jana wenig unternehmen, solange sie sich nicht zeigte, und jede Art von Verstärkung würde den Geiseln das Leben retten, was genauso schlecht war.

In jedem Fall wäre es das Ende für Carl Seamus Drake und alle seine synonymen Erscheinungen. Bedauerlich im Angesicht des Reichtums, den das Trojanische Pferd ihm offerierte. Selbst jetzt noch, nachdem das Attentat misslungen war, gab es eine gute Chance, den Plänen der Verschwörer Geltung zu verschaffen, wenigstens zu Teilen.

Wenn Jana nicht bald kam, würde er sie herauslocken müssen.

Oder hineingehen. Am Ende doch.

HALLE

»Wieso die Amerikaner?«

Jana sah den Agenten an, als habe er eine Erklärung für ihr persönliches Scheitern zur Hand. Sie konnte nicht glauben, dass sie für die Amerikaner gearbeitet hatte. Sie hatte die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Mirko sie mit der Nase auf Belgrad gestoßen hatte, weil in Wirklichkeit jemand anderer dahintersteckte. Moskau schien involviert, vielleicht aber auch der Nahe Osten. So viele Regimes hassten die Amerikaner und ihren Präsidenten. Selbst an Kuba hatte sie für kurze Zeit gedacht. Alle die Länder auf Amerikas schwarzer Liste. Und wenn nicht die offiziellen Machthabenden, dann doch einflussreiche und zahlungskräftige Investoren in einer Ökonomie des Terrors, die aus dem Sturm, mit dem sie die Welt überzogen, Nutzen schöpften.