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Dann wieder war sie überzeugt gewesen, Mirko habe ihr diese Gedankengänge einzugeben gesucht, weil der Auftrag eben doch aus Belgrad kam! Warum hätte eine andere Nation, die Auftragsterroristen suchte, ein derartiges Fintenspiel veranstalten sollen, diesen verstohlenen Appell an ihren Patriotismus? Vielleicht, weil sie befürchteten, niemanden dafür zu gewinnen, Bill Clinton zu ermorden?

Darum eine Patriotin?

Lächerlich! Indiskutabel! Alle möglichen Leute hätten nichts lieber getan, als den Herrn des Präventivschlags unter die Erde zu

bringen. Die religiösen Fundamentalisten in der ganzen Welt, allein sie rekrutierten ein kaum überschaubares Potential von Attentätern, die in dem Vorhaben eine sakramentöse Handlung erblickt hätten. Jemand von Janas Fähigkeiten war selten in der Szene, aber er hätte sich dennoch auftreiben lassen in den Lagern der algerischen GIA, der libanesischen Hisbollah, selbst in den Reihen ultraorthodoxer jüdischer Siedlerblöcke wurde man fündig.

Sie hatte sich im Kreis gedreht. Jede Spur, die nicht nach Serbien führte, ergab keinen rechten Sinn. Zum Schluss war sie allzu bereit gewesen, der serbischen Variante Vorrang einzuräumen.

Jede Spur, die nicht nach Serbien führte…

Und welchen Sinn ergaben Spuren, die nach Serbien führten? Oder nach Moskau, woher der Laser stammte?

Mirko hatte alles über den Gipfel gewusst. Interna der Amerikaner. So, wie man es von einem Meisterspion erwarten konnte. Jetzt erschien sein Wissen in völlig neuem Licht.

Eine Ahnung dämmerte in ihr hoch. Eine ungeheuerliche Vorstellung.

»Wieso nicht die Amerikaner?«, ächzte Kuhn. »Die Welt ist konzernisiert. Schon gehört, dass die PLO vom Mossad gekauft wurde? Die IRA gehört jetzt zur Disney-Gruppe. Aufwachen, Jana. Frühstück!«

Sie hörte nicht hin. Die Gedanken jagten einander.

»Wer sind Mirkos Hintermänner?«, fuhr sie den Agenten an. »Was verbirgt sich hinter dem Trojanischen Pferd?«

»Im Trojanischen Pferd, Jana«, korrigierte sie Kuhn fröhlich. »Es war hohl. Dich haben sie nicht mit reingenommen, du solltest den Gaul nur vor die Tore ziehen.«

Der Agent schüttelte den Kopf. Er schien langsam an Kraft zu verlieren. Seine Gesichtsfarbe hatte sich von wachsweiß zu grau entwickelt.

»Weiß es nicht«, antwortete er matt. »Wirklich nicht, ich… schwöre. Drake weiß es… Mirko.«

»Mirko war mein Auftraggeber«, schrie Jana ihn an. »Und jetzt versucht er uns alle umzubringen, also soll ich rausgehen und ihn fragen?«

»Mirko… Er…«

»Wer ist Mirko, verdammt? Wer ist dieses Arschloch, dem ich vertraut habe?«

»Dra… Drakovfc.« Die Aussprache des Agenten wurde immer undeutlicher. Er machte längere Pausen, wenn er sprach. »Sein richtiger Name… Serbien geboren… aufgewachsen USA. Mehr weiß… nicht. Heißt, er war… Doppelagent. Für Russen spioniert. Die Fronten gewechselt. Irgendwann, lange her. Er… Sie sagen, er hat der CIA ein paar Geheimnisse verraten… Seine Karriere… CIA, dann… Secret Service.«

»He, Jana, was höre ich da?«, ächzte Kuhn. »Du arbeitest für den Secret Service? Donnerwetter!«

»Sei endlich still!«, fuhr sie ihn an.

»Machen Sie sich nichts draus«, sagte Silberman. Es war das erste Mal, dass er sich vernehmen ließ seit der Schießerei. Unbeholfen humpelte er näher und sah den Agenten an. »Leute wie Mirko täuschen noch ganz andere. Es gibt ein paar brisante Personalentscheidungen in der Geschichte der CIA, und beim Secret Service auch, nicht wahr? Fachleute für Terrorismus, ehemalige Agenten der Gegenseite, Ausländer. Wertvoll. Oft die besseren Amerikaner. Uns selbst können wir ja kaum noch trauen. Anfang der Neunziger wurde der höchste Agent der CIA als Doppelagent entlarvt, und der stammte – glaube ich – aus Chicago. Er hat Reagan und Bush jahrelang weisgemacht, die Sowjetunion sei viel mächtiger, als sie in Wirklichkeit war, und alle sind drauf reingefallen. Wir haben Milliarden investiert in die Protektion gegen ein Reich des Bösen, das eines schönen Tages wie ein morscher Schuppen auseinander fiel.«

Der Agent bäumte sich auf und sackte in sich zusammen.

»Wenn Sie eine Antwort wollen, Jana«, sagte Silberman, während er zusah, wie der Körper des Mannes an der Wand nach unten rutschte, »schauen Sie in mein Land. Wir haben eine lange Tradition in der Ermordung unserer Präsidenten. Was überrascht Sie also?« Er drehte sich zu ihr um und breitete die Arme aus. »Allerdings muss ich zugeben, dass wir den rituellen Königsmord lieber selbst begehen, als es Ausländern zu überlassen. Ihr treibt zu viel Aufwand, und am Ende geht es schief.«

»Und was ist mit dem hier?«, fragte Wagner mit Blick auf den bewusstlosen Agenten. »Warum wollen diese Leute ihren Präsidenten töten?«

»Der arme Hund da, der noch nicht begriffen hat, dass er sich mit rechts nicht mehr am Hintern kratzen kann? Schwer zu sagen. Ich schätze, er gehört zu einer Seilschaft. Die offiziellen staatlichen Organe sind infiltriert davon. Von Extremisten, Nationalisten, Rassisten. Oder einfach nur Killer, die ihr mageres Staatssalär aufbessern. Die Frage ist, wer am Ende des Seils ist. Das hier ist Mirkos Truppe, aber Mirko hat sich auch nur instrumentalisieren lassen. Wenn Sie die politischen Verhältnisse in den USA besser kennen würden, könnten Sie darauf tausend mögliche Antworten finden, ohne es am Ende zu wissen.«

»Ich will es aber wissen«, sagte Jana heftig. »Ich will wissen, wem ich diesen Verrat verdanke!«

»Du würdest es doch gar nicht verstehen«, sagte Kuhn gepresst.

»Was?«

»Selbst wenn du es wüsstest, könntest du nichts damit anfangen.« Er keuchte und sog unter Schmerzen Luft in seine Lungen. »Amerika ist dir ebenso unbekannt wie Serbien dem amerikanischen Präsidenten. Ihr unterscheidet euch durch gar nichts. Wie willst du den Bösen finden, wenn du nicht mal die Guten kennst? Geh, koch uns einen Kaffee, der Kaffee heute war gut, aber lass die Politik in Ruhe, ja?«

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Jana mühsam beherrscht. Kuhn tat ihr wider Willen leid, sie hatte nicht gewollt, dass Gruschkow ihn halb tot trat, aber er begann ihr auf die Nerven zu gehen.

»Nein, er hat Recht«, sagte Silberman. Seine Stimme war fest, nur das gelegentliche Zucken seiner Gesichtsmuskeln verriet, dass er Schmerzen hatte. »Und das ist das Traurige. Wir sitzen in dieser Halle aufgrund tragischer Irrtümer. Ihr Irrtum, Jana, beginnt vor vielen hundert Jahren und findet sein vorläufiges Ende im Scheitern eines despotischen Nationalisten, der sein Volk fortgesetzt mit seiner eigenen Geschichte vergewaltigt. Unser Irrtum besteht darin, dass wir die Weltgesellschaft mit der Mediengesellschaft verwechseln. Wir sind ernsthaft der Meinung, Menschen unsere Werte verordnen zu können, ohne uns über ihr Leben, ihre Besonderheiten, ihre Kultur und ihre Geschichte kundig machen zu müssen, und wenn Sie genauer hinschauen, stellen Sie fest, dass wir selbst gar keine klar umrissenen Werte haben. Amerika ist in tiefem Zwiespalt, der Amerikaner selbst sein größter Feind. Das müssen Sie begreifen, wenn Sie nach Verrätern suchen.«

»Sagen Sie mir, wer hinter Mirko steht.«

»Ich weiß es nicht.« Der Berichterstatter schüttelte den Kopf. »In meinem Land gibt es zwei Lager. Kaum ein Präsident hat das so deutlich zutage gefördert wie Clinton. Mit jedem Schritt, den er in Richtung Liberalisierung gegangen ist, hat er sich den Hass der Reaktionäre umso mehr zugezogen. Die meisten Republikaner halten nichts von einem Präsidenten, der Schwule zum Militär zulässt, wo doch ein nach wie vor gültiges texanisches Gesetz Homosexuelle als geistig verwirrt einstuft und der Oralverkehr zwischen Ehepartnern in jedem dritten Bundesstaat gesetzlich verboten ist. Ihrer Meinung nach nimmt der Präsident dem amerikanischen Mann jede Würde.