Выбрать главу

»Man engagiert ein serbisches Kommando«, ergänzte Silberman, »lässt sie den Präsidenten killen, bringt sie hinterher um und präsentiert sie dem Westen auf dem silbernen Tablett. Die Spuren führen nach Serbien.«

»Und alle haben, was sie wollten«, schloss O’Connor. »Die Rüstung einen neuen Kalten Krieg, die Republikaner einen neuen Präsidenten.«

Jana wollte das nicht hören. Angewidert, voller Abscheu und zugleich fasziniert von der Möglichkeit lauschte sie trotzdem.

Die Ahnung, die vorhin in ihr aufgestiegen war.

So würde alles einen Sinn ergeben.

»Das klingt furchtbar«, sagte Wagner.

O’Connor zuckte die Achseln. »Nur eine Theorie.«

»Geben Sie auf, Jana«, sagte Silberman sanft. »Sie haben sich mit den Falschen angelegt. Die Verschwörung der Rechten ist eine Verschwörung der Reichen. Letztlich geht es nur darum, wer der nächste Präsident wird. Dafür müssen die nicht nur Clinton vernichten, sondern auch sein Amt. Sie müssen die einzige nationale Institution schwächen, die der Allgewalt des Kapitals noch Grenzen setzen kann. Stecken Sie Ihre Waffen weg. Lassen Sie uns frei und bringen Sie sich in Sicherheit, bevor noch mehr Unheil geschieht.«

O’Connor trat neben ihn.

»Sie kann uns nicht laufen lassen«, sagte er grimmig. »Ihr amerikanischer Freund da draußen wird seinen Humor eingebüßt haben, er muss handeln. Sie kann nicht raus und er nicht rein, ist es nicht so?«

Jana schüttelte den Kopf.

»Ihr könnt auch nicht raus«, sagte sie. »Mirko steht unter Zeitdruck. Er wird euch töten, notfalls mit seiner eigenen Waffe.«

»Und wenn wir einfach die Polizei rufen?«, schlug Wagner vor. »Wir haben Telefone im Dutzend. Was will er dagegen unternehmen?«

»Das wäre nicht in meinem Interesse«, gab Jana trocken zurück.

»Welch ein Dilemma«, bemerkte O’Connor. »Ein etwas fader Abschluss nach einer an sich schönen und gelungenen Entführung.« Er legte den Zeigefinger auf die Nasenwurzel. Dann sagte er: »Es gibt dennoch eine Möglichkeit, mit der wir alle irgendwie leben können.«

»Welche wäre das?«, fragte Wagner.

»Nun ja.« O’Connor begann auf und ab zu gehen. »Wir haben keinen Grund mehr, uns hier drinnen zu beharken. Das Problem heißt Mirko, und dieses Problem hat hier jeder auf seine Weise, richtig?«

Jana nickte langsam. »Richtig.«

»Du willst entkommen. Wir wollen leben.« O’Connor blieb vor ihr stehen. Jana sah ihm in die Augen und wusste, was er meinte.

»Gut«, sagte sie. »Holen wir uns den Scheißkerl. Gemeinsam.«

MALZMÜHLE

Schon dreimal war Guterson auf die Toilette gegangen, ohne sie ein einziges Mal zu benutzen.

Lommerzheim, wie das ominöse Etablissement hieß, in dem van der Ree zufolge Menschen auf Kisten saßen und monströse Koteletts verzehrten, hatte sich selbst ins Aus geschossen. Tatsächlich hatten sie blitzartig Informationen über das Lokal zusammengetragen, das offenbar eine Legende in der Domstadt darstellte, und schließlich den Chef des deutschen Protokollstabs dort anfragen lassen, ob ein Tisch für zwanzig Personen frei sei.

Der Mann am anderen Ende der Leitung war schlecht zu verstehen gewesen. Er hatte grummelige Antworten gegeben, denen zu entnehmen war, dass der Laden voll sei. Daraufhin hatten sie den Zauberspruch gebracht, der normalerweise jedes Eis brach:

»Wir kommen aber mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.«

Die Antwort erfolgte prompt.

»Und ich bin der Kaiser von China.«

Dann Stille. Die taube, unangenehme Stille im Hörer, nachdem jemand kommentarlos aufgelegt hatte. Guterson war nicht traurig darüber. Die Malzmühle wenigstens hatten Drake und Nesbit schon am Vortag inspizieren lassen und dem Wirt hinterlassen, er werde am folgenden Tag einen stressigen Abend haben. Also hatte sich die Kolonne erneut in Bewegung gesetzt, diesmal reduziert auf die Präsidentenlimousine und einige gepanzerte Vans, voll besetzt mit Agenten des Secret Service und des FBI, gefolgt von den Audi-8- Limousinen des BKA. Da der Zufall in Präsidentenkreisen etwas weniger zufällig funktionierte als anderswo, waren jegliche Vorkehrungen bereits getroffen und die Deutzer Brücke für die Überfahrt gesperrt worden. Auch der Schiffsverkehr hatte für eine kurze Weile stillgestanden. In den kommenden Tagen würde es nicht anders sein. Wann immer Clinton aus protokollarischen oder persönlichen Gründen wünschte, den Rhein zu überqueren, würde sich kein Schiff der Brücke nähern dürfen. Regeln, die Amerika machte.

Vor einer Viertelstunde waren sie in der Malzmühle aufgekreuzt, Clinton in Begleitung von John Kornblum, einen vergleichsweise abgespeckten Tross im Gefolge. Der Präsident hatte sich im Hyatt umgezogen, grünes Polohemd, dunkelbraunes Jackett. Er wirkte darin noch jugendlicher als sonst, war bester Laune und schüttelte unablässig Hände.

Guterson hasste es.

Gleich nachdem sie eingetroffen waren, hatten BKA und Secret Service die Brauerei abgesperrt. Wäre es nach Guterson gegangen, hätten sämtliche Gäste das Lokal räumen müssen, aber Clinton hatte darauf bestanden, dass dies nicht geschah. Zumindest durfte nun niemand mehr hinein. Mittlerweile hatten sich einige hundert Schaulustige vor den Türen eingefunden nebst größeren Kontingenten Polizei, die das Gelände sicherten. Die Kneipe war rappelvoll. Clinton, Kornblum und Guterson saßen an einem Ecktisch, umgeben von Gutersons Getreuen, die es verstanden hatten, sämtliche Nachbartische in Beschlag zu nehmen. Dennoch waren sie von den nächsten regulären Gästen nicht weiter entfernt als maximal fünf Meter. Seltsamerweise hatte anfangs kaum jemand die Ankunft des Präsidenten richtig registriert, bis einige Damen einer amerikanischen Reisegruppe im Nebenraum aus der Toilette gekommen und »ihren« Präsidenten erkannt hatten – von da an war es mit der Beschaulichkeit vorbei. Clinton drehte eine Runde durch den Laden, sagte jedem Hallo und signierte Bierdeckel. Guterson folgte ihm auf Schritt und Tritt. Er hörte Tuscheln und Lachen und merkte, dass es ihm und seiner grimmigen Miene galt. Fortan versuchte er zu lächeln, ohne dass ihm wirklich danach zumute war, aber Clinton liebte fröhliche Menschen, also sollte er welche bekommen.

Dreimal war er auf der verdammten Toilette gewesen, weil sich dort üblicherweise das meiste Unheil zusammenbraute. In der Malzmühle allerdings wurde nur Bier gebraut, wie es aussah, und eine Treppe tiefer dem ewigen Kreislauf zurückgegeben.

Dann war dieser Mann gekommen, den man hierzulande »Köbes« nannte, und hatte eine Frage von Shakespeare’scher Wucht gestellt.

Two beer or not to beer?

Sie hatten Humor, die Kölner, wenngleich merkwürdigen. Clinton war begeistert. Der Kellner fragte ihn, was er essen wolle, und der

Präsident bestellte rheinischen Sauerbraten. Guterson enthielt sich und nippte an seinem Wasser. Kornblum, obwohl hungrig, mochte sich Clinton nicht anschließen und missdeutete eine weitere Spezialität der Stadt als Himmel auf Erden. Tatsächlich erhielt er ein zusammengematschtes Etwas aus Äpfeln und Kartoffeln, gekrönt von einer schwarzbraunen Masse, die aussah, als habe ein Dobermann reger Darmtätigkeit Ausdruck verliehen. Entsprechend ratlos stocherte Kornblum in der eigenartigen Komposition herum.

»Dieses Bier schmeckt gut«, sagte Clinton zu Kornblum. »Ich find’s hier ziemlich prima, Sie nicht?«

»Warum importieren Sie es nicht?«, schlug Kornblum vor.

»Gute Idee, John.«

Sie redeten über alles Mögliche und erzählten einander Witze. Als Kornblum sich lachend auf die Toilette empfahl, sagte Clinton zu Guterson: »Sie haben doch dafür gesorgt, dass die Sache unterm Tisch bleibt, oder? Der Kanzler und ich legen allergrößten Wert darauf.«

Guterson nickte. Clintons Telefonat mit Schröder hatte kein weiteres Licht in die Angelegenheit gebracht, aber die Staatsmänner waren übereinstimmend der Meinung gewesen, den Vorfall nicht öffentlich thematisieren zu wollen. Er selbst hatte sich einige weitere Male mit Lex kurzgeschlossen. Inzwischen stand die IRA- Komponente auf wackligen Füßen. Eher sah es so aus, als sei Serbien in das Attentat verwickelt, möglicherweise sogar die serbische Regierung. Eine fieberhafte Suche nach dem Laser war im Gange.