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»Ich schätze, da kann Mirko weiterhelfen. Ich sehe ihn demnächst in Köln. Er scheint alles und jeden zu kennen.«

Ricardo runzelte die Stirn.

»Sie sagten, er wird mit im Team sein.«

»Das war eine seiner Bedingungen.«

»Meinetwegen«, sagte Gruschkow desinteressiert. »Wie ich es augenblicklich sehe, wird das Team ohnehin noch größer sein müssen. Wir brauchen ein paar Leute mit besonderen Fähigkeiten, wie viele genau, hängt davon ab, was die nächsten Tage bringen.«

»In Ordnung. Was brauchen Sie sonst noch?«

Gruschkow überlegte.

»Meine Ruhe«, sagte er. »Möglichst ab sofort.«

Ricardo grinste und erhob sich.

»Schon verstanden, Einstein. Wir gehen und lassen Sie lebendig eingemauert zurück. Wollen Sie ein Pizza-Abo? Die Dinger kann man prima unter der Tür durchschieben.«

»Sie sind witzig, Ricardo«, sagte Gruschkow ohne einen Anflug von Erheiterung in seinen Zügen. »Ich bin sicher, eines Tages wird jemand lachen.«

Als sie die Programmierung verließen und nach draußen traten, sagte Ricardo zu Jana:

»Finden Sie es nicht bemerkenswert, dass wir bis heute nicht aufgeflogen sind? Ich meine, solche Treffen wie gerade gehen normalerweise unter ganz anderen Umständen vonstatten. Man trifft sich an irgendwelchen geheimen Orten unter verdeckten Namen und macht Klimmzüge, dass sie einem nicht draufkommen. Und wir arbeiten hier in aller Öffentlichkeit zusammen.«

Jana zuckte die Achseln.

»Eben. Wer sollte meinen, dass ein paar strebsame junge Leute wie wir hinter verschlossenen Türen über Mord und Totschlag nachdenken?«

Ricardo sog die winterliche Luft ein und betrachtete den Himmel. Vom Firmengelände der Neuronet aus, deren gläserne Flachbauten sich gelungen in die romantische Landschaft der Langhe einfügten, konnte man Janas Villa sehen.

»Eines Tages wird es einer meinen«, sagte er.

»Dann sind wir weg.«

»Das wäre gut. Sie wissen ja. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass irgendwann schief geht, was schief gehen kann.«

Jana lächelte.

»Ein Gesetz. Klar. Aber wann hätten wir uns je um das Gesetz gekümmert.«

Maxim Gruschkow war drei Tage sozusagen weggeschlossen von der Welt. Er ließ sich sein Essen tatsächlich in die Programmierung kommen. Da seine Mitarbeiter gewohnt waren, dass er sich des Öfteren zurückzog, um zu arbeiten, fand auch diesmal niemand etwas Außergewöhnliches dabei. Gruschkow verfügte über einen eigenen Computer-Circuit, den er durch ein kompliziertes Codierungssystem absolut zugriffssicher gemacht hatte. Außer ihm kannte nur Jana die Zugangscodes und war über ihren eigenen Circuit mit dem seinen verbunden.

Während der Zeit seiner Einkehr standen sie in Kontakt miteinander. Innerhalb ihres abgeschotteten Systems tauschten sie Nachrichten aus. Gruschkow stellte vorwiegend Fragen, die Jana nach bestem Wissen beantwortete, und versorgte sie dafür mit unbefriedigenden Häppchen und fortdauerndem Skeptizismus. Jana wusste, dass er erst einen Erfolg vermelden würde, wenn er hundertprozentig vom Gelingen des Plans überzeugt war. Sie hoffte, er werde seinen Segen geben. Tat er das, konnte sie sicher sein, dass das Unternehmen hieb- und stichfest war. Gruschkow war einer von den Hunderttausendprozentigen. Bislang hatte er sich nie geirrt.

Am Abend des dritten Tages rief er sie spät abends ganz normal über das Telefon an und plauderte mit ihr über neue konzeptionelle Ansätze für Suchmaschinen im Internet.

»Ich habe was programmiert, was speziell Microsoft einen ganz neuen Markt eröffnen könnte«, sagte er. »Am besten kommen Sie mal rüber und sehen es sich an.«

Jana verließ die Villa und ging hinüber zur Firma. Sie musste ein Stück die Straße hochwandern und in einen Weg einbiegen, der direkt vor dem Portal des Firmenhauptgebäudes endete. Es war kälter geworden, aber dennoch trug sie lediglich einen Blazer über ihrem T-Shirt. Kälte und Hitze machten ihr nichts aus. Sie schloss auf und durchschritt die verglaste Eingangshalle und den dahinter liegenden Verwaltungstrakt. Im Dunkeln glühten nur die Lämpchen einiger Computer, die auf Bereitschaft geschaltet waren. Dann betrat sie den fensterlosen Gang, der zu Gruschkows Privatlabor führte. Eine der Leuchtstoffröhren über ihr summte und flackerte. Sie zog ihr Handy hervor und sprach eine kurze Nachricht auf die Mailbox der Zentrale. Zur Zeit waren keine Mitarbeiter im Haus außer Gruschkow, aber sie hasste es, wenn die Dinge unerledigt blieben. Morgen früh würde die Leuchte ausgetauscht sein, noch ehe sie gefrühstückt hatte.

Gruschkow erwartete sie. Er saß vor einem mit Gleichungen übersäten Bildschirm und hatte einen zweiten Stuhl neben sich gestellt.

»Setzen Sie sich. Wir schauen uns gemeinsam was an.«

Jana blieb stehen und stützte sich mit beiden Händen auf die Lehne.

»Wird es klappen?«, fragte sie.

Gruschkow grinste. Es geschah äußerst selten. Eigentlich nur dann, wenn er mit seiner Arbeit hochzufrieden war.

»Sie können sich die Mühe machen, Platz zu nehmen«, sagte er.

Jana setzte sich.

»Also es klappt?«

Gruschkow bewegte die Maus, klickte ein paar Fenster weg und öffnete ein neues.

»Ja«, sagte er.

Jana starrte fasziniert auf die Zeichnung, die den kompletten Monitor einnahm. Sie war beinahe ergriffen.

»Wie groß ist das Ding?«

»Tja.« Gruschkow breitete die Hände aus. »Ganz genau kann ich das noch nicht sagen, aber ich schätze, wir sprechen über die Ausmaße eines Kleinlasters. Es gibt verschiedene Modelle und Konstruktionsweisen. Das hier ist ein YAG. Er bringt die nötige Power auf. Außerdem brauchen wir ein Aggregat von einiger Größe.«

»Phänomenal.«

Er sah sie an. Seine Augen waren kaum zu erkennen hinter den Reflexen des Monitors auf seinen runden Brillengläsern.

»Nicht ganz so phänomenal ist, dass ich keine Ahnung habe, wo wir so was herbekommen sollen.«

»Sie meinen, dieses Ding da gibt es gar nicht?«

»Doch. Es gibt eine Menge davon. Auch größere. Sie können welche haben, die sind so riesig wie ein ganzer Häuserblock. Die Frage ist, wie wir an so eins rankommen.«

»Wenn es klappt«, sagte Jana leise, »kommen wir auch ran. Das lassen Sie meine Sorge sein.«

»Schön. Also, die Distanz ist kein Problem, Sie hatten Recht. Der hier schafft zehn Kilometer und ist dabei hundert Prozent zielgenau

erst mal nur theoretisch, das heißt, wenn wir eine lineare Gleichung zugrunde legen, was natürlich Quatsch ist! Für die Praxis müssen wir uns was einfallen lassen, weil wir wie gesagt mit jeder Menge Umweltfaktoren zu kämpfen haben.«

Er klickte ein neues Fenster an.

»Das ist in etwa das System. Ganz grob. Ich habe mir überlegt, wir konstruieren eine handliche Steuerungseinheit, über die Sie es bedienen können.« Er machte eine Pause. »Ich dachte an eine Kamera.«

»Worüber läuft die Steuerung?«

»Radiowellen. Hedy Lamar lässt grüßen.«

»Was ist mit Infrarot?«

»Nur weil wir zwei, drei Mal mit Infrarot gearbeitet haben, ist das nicht in Mode«, sagte Gruschkow tadelnd. »Infrarot können Sie bei der Entfernung vergessen! Radiowellen sind perfekt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob wir mit GPS arbeiten sollten. Es würde die Sache vereinfachen, aber vielleicht geht es auch ohne.«

»Eine Kamera also«, sagte Jana. Sie wusste, dass er einen Hintergedanken dabei hatte. Gruschkow ließ sich gern ein bisschen locken.

»Ja.«

»Lassen Sie mich raten. Ich soll als Pressefotografin auftreten. Richtig?«

Das zweite Mal innerhalb weniger Minuten grinste Gruschkow. Er hatte seinen Monatsdurchschnitt damit eindeutig überschritten.

»Niemand wird eine Kamera so weit auseinander nehmen, um zwei Mikrochips zu entdecken, die da nicht reingehören. Keine Sicherheitskontrolle der Welt schafft das. Sie kommen also ganz nah ran.«