Выбрать главу

»Wer? Der Dom? Mannomann! Der erste Dom, der schreiben kann.«

»Bildlich gesprochen.«

»Ist doch alles unwichtig. Dem Bundeskanzler hat das Kölsch geschmeckt. Er hat mit Rudi Carell in der ›Kölschen Stuff‹ fünfzehn davon durchgezogen. So was ist wichtig. Wir haben so viele Gründe, uns was einzubilden, dass wir mit diesem einen Dom wahrscheinlich gar nicht mehr auskommen werden.«

»Klasse! Bauen wir einen zweiten!«

»Ich weiß nicht. Ich war seit Jahren nicht mehr in dem einen.«

»Nicht? Gehen Sie rein. Ich glaube, er ist jetzt noch ein bisschen größer geworden.«

»Sagen Sie mal, Dr. O’Connor, wie kommt denn Köln so rüber bei Ihnen in Dublin? Ich meine, in diesen Tagen, da alle Welt auf uns blickt.«

»Wie bitte?« O’Connor schreckte hoch. »Oh, nun ja. Die Irish Times hat einiges zum Gipfel geschrieben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie wussten, dass er in Köln stattfindet.«

»Ach, Dr. O’Connor«, kam es leutselig von der Schauspielerin. »Die ganze Welt kennt unseren Dom.«

»Ja, man hatte so seine Sorge«, bemerkte die Dezernentin. »Wäre es der ursprünglichen Planung nach gegangen, hätten die internationalen Sendeteams ausschließlich vom Dach des Stadthauses filmen können. Die Welt hätte den Dom von der Südseite gesehen.« Sie machte eine Pause. »Mit nur einem Turm, Herrschaften. Ein halber Frieden.«

Räuspern, leises Lachen. Speisekarten wurden ausgeteilt.

»Jedenfalls, Tony Blair im Dom-Hotel, Jelzin im Renaissance, Clinton im Hyatt«, resümmierte der Buchhändler und blätterte in der Speisekarte. »Wir können uns glücklich schätzen. Was ist das alles gegen Liam O’Connor im Maritim?«

»Gerhard Schröder im Maritim«, korrigierte der Herr von der IHK trocken. »Jacques Chirac im Maritim. Wir sind zwar prominent, aber nicht exklusiv.«

»Haben wir’s gut!«, sagte der Vorstand und lachte gewinnend in die Runde. »Da müssen wir uns wenigstens nicht mit Schuldenerlassen und Friedensplänen herumschlagen, was?«

Die Schauspielerin lachte mit.

»Es weiß ja ohnehin keiner, worum es auf dem Balkan überhaupt geht«, sagte sie. »Also, ich hab schon vor Jahren den Überblick verloren. Moslems, Nichtmoslems, für mich sind das alles Barbaren.«

Stille senkte sich herab.

Die Dezernentin hüstelte.

»Na, ich bitte Sie!«, entrüstete sich die Schauspielerin. »Finden Sie, dass die sich wie zivilisierte Menschen benehmen? Ich weiß gar nicht, warum wir uns da einmischen. Wenn die sich die Köpfe einschlagen wollen, sollen sie es meinethalben tun, aber doch nicht mit unseren Steuergeldern.«

Der Vorstand sah sie an wie eine Schwachsinnige.

»Habe ich Sie in dieser bescheuerten Serie, die Ihre besten Jahre kommen und gehen sah, nicht etwas anderes sagen hören?«, fragte er. »Man müsse helfen und dürfe nicht tatenlos zusehen?«

»Aber Sie haben doch gerade selbst…«, stammelte sie.

»Ich habe gesagt, dass es angenehmere Themen gibt! Nicht mehr und nicht weniger.«

Sie starrte ihn feindselig an. »Und ich bekomme Drehbücher vorgelegt. Na und? Mein Gott, Kosovo! Ich verstehe gar nichts davon, und ich will auch nichts davon verstehen. Man muss nicht alles verstehen. Ich finde, wir sollten uns da raushalten. Haben wir nicht genug eigene Probleme?«

»Ja. Scheint mir allerdings auch so.«

»Drehbücher«, murmelte der Buchhändler.

O’Connor beugte sich vor und strahlte sie an.

»Lassen Sie sich nicht ärgern«, sagte er. »Ich finde, Sie haben es in doppelter Hinsicht auf den Punkt gebracht«

»Wirklich?«, lächelte sie.

»Aber ja. Erstens die Frage, warum wir uns einmischen. Gute Frage. Zweitens, dass Sie es nicht beantworten können, weil Sie nichts davon verstehen.«

Sie lächelte weiter. Nur ihr Blick ließ Zweifel daran erkennen, ob es die passende Reaktion zur Äußerung war.

Der Vorstand paffte und grinste.

»Manuel Azana meinte, wenn jeder Spanier nur über das urteilen würde, was er wirklich weiß, herrschte eine große Stille, die man zum Lernen nutzen könnte«, sagte er gebildet.

»Azana?«, echote die Schauspielerin.

»Spanischer Ministerpräsident der Dreißiger.«

»Wir sind aber doch in Deutschland.«

»Ach!«

»Nun, wie auch immer«, sagte der Buchhändler nach einer Pause. »Das müssen wir ja jetzt nicht ausdiskutieren. Kosovo, tragisch, aber genug davon. Das hatten wir nun wochenlang.« Er sagte es wie jemand, der auf den Hinterhof blickt und feststellt, dass irgendjemand dringend mal den Sperrmüll kommen lassen müsste.

»Wollen wir bestellen?«, schlug Wagner vor.

»Nur einen Augenblick, wenn Sie gestatten.« Die Kulturdezernentin lächelte O’Connor freundlich an. »Mich würde schon interessieren, was Sie so denken, Dr. O’Connor.«

»Ich denke, ich nehme den Loup de Mer und vorher den Salat von Steinpilzen und Gambas«, sagte O’Connor und hob sein Glas. »Einen Toast auf Sie alle. Mir ist soeben klar geworden, dass ich dem Gipfel bereits beiwohne.«

»Nein, pardon… ich meine, wie Sie über diesen Krieg denken.«

»Warum nicht?« O’Connor legte die Fingerspitzen aufeinander. »Es berührt mein Arbeitsgebiet.«

»Licht?«

»Nein, Sprache. Ich denke, es ist kein Krieg.«

»Kein Krieg?« Die Dezernentin wirkte verdattert. »Das müssen Sie mir erklären.«

»Oh, dazu bin ich nicht prädestiniert«, sagte O’Connor bescheiden. »Ich verstehe nichts von Politik. Die Nato müsste es erklären.«

»Dass es kein Krieg ist?«

»Jamie Shea spricht immer nur von Luftangriffen. Würde er von Krieg sprechen, müsste er verbindlich die Rechtsgrundlage dieses Krieges erläutern. Offenbar kann er das nicht und tut es nicht, also ist es kein Krieg.«

»Was denn sonst? Da fallen Bomben.«

»Nun, es ist kein Angriffskrieg, richtig? Alle beteiligten Nationen unterhalten Verteidigungsministerien, keine Angriffsministerien, also kann es kein Angriffskrieg sein.«

»Hm«, machte die Dezernentin. »Richtig.«

»Bleibt der Verteidigungskrieg. Wir müssen uns aber nicht verteidigen. Jugoslawien hat ja keinen von uns angegriffen. Richtig?«

»Auch richtig.«

»Ja, aber – wie sollen wir es dann nennen?«

»Wie wär’s mit Intervention?«, meinte Kuhn. »Ich nehme übrigens die Kartoffelsuppe und das Rumpsteak.«

»Ja, so nennen es alle«, sagte O’Connor. »Intervention. Nun, ich bin politisch ein ausgemachter Schafskopf. Pardon, aber was heißt das? So etwas wie eine Polizeiaktion gegen verbrecherische Aktivitäten?«

»Vielleicht.«

»Aber die Nato hat keine Hoheit über Jugoslawien. Als Polizei kann sie da nicht wirksam werden.«

»Sie machen’s aber ganz schön kompliziert.« Der Vorstand förderte ein Kistchen Zigarillos zutage. »Gestatten Sie? Irgendjemand sonst? Was im Kosovo geschieht, ist blanker Terrorismus. Dagegen wollen Sie nicht vorgehen?«

»Doch. Wenn es Terrorismus ist, dann wäre jeder Beteiligte nach jugoslawischer Rechtsauffassung ein Straftäter. Dann müsste er verurteilt werden. Von jugoslawischen Richtern, meine ich. Sehen Sie, hier scheint es einen Konflikt zu geben zwischen rechtlicher und moralischer Legalität. Was mich beunruhigt, ist nicht so sehr, wenn jemand aus moralischen Gründen den Einsatz von Gewalt legitimiert, sondern dass er sich gezwungen sieht, das geltende Recht dafür zu umgehen. Das lässt nur zwei Schlüsse zu. Entweder er ist selbst im Unrecht, oder das geltende Recht ist im Unrecht. Glauben Sie, die Nato hat darüber nachgedacht, bevor sie tat, was möglicherweise richtig ist?«

»Na ja. Wenn Sie es so sehen…«

»Verzeihen Sie.« O’Connor hob die Hände. »Ich wurde gefragt. Ich bin nur ein Physiker, der Bücher schreibt, kein Politiker. Mir teilt sich lediglich mit, dass keiner die Sache Krieg nennen mag, und da frage ich mich halt, wenn die Nato nicht so richtig weiß, was es ist, ob sie dann vielleicht auch nicht so richtig weiß, was sie tut.«