Выбрать главу

»Signora Firidolfi, Sie sehen bezaubernd aus. Ihre Konten sehen bezaubernd aus. Ich frage mich, was unsereinem noch zu tun bleibt.«

»Schöne Dinge sagen«, bemerkte Silvio Ricardo und verstaute einen Packen Schnellhefter in einer ledernen Aktenmappe. In den mattsilbernen Verschluss war das Emblem der Neuronet AG eingeprägt, dezent genug, dass man zweimal hinschauen musste, um es zu erkennen.

Direttore Ardenti hob die Hände und verbreiterte sein Lachen um je zwei nikotingelbe Zähne. Bis auf den Umstand seiner offensichtlichen Zigarettensucht war seine Erscheinung über jede Kritik erhaben. Dunkles, teures Tuch, breit geknotete Armani-Krawatte, Goldrandbrille. Die Reste von Haar waren nach hinten gekämmt und blauschwarz gefärbt, die einzige Extravaganz, die sich der Direktor des bedeutendsten piemontesischen Geldinstituts erlaubte.

»Ohne Unterlass singe ich Ihr Lied«, sagte er. »Die Bank von Alba gehört quasi Ihnen.«

»Vorsicht, Direttore«, scherzte Ricardo. »Sie könnten der Wahrheit näher kommen, als Ihnen lieb ist.«

Ardenti beugte sich vor und senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Raunen.

»Also, dann will ich mal deutlicher werden. Das Institut ist zu der Überzeugung gelangt – nach eingehender Besprechung mit den Damen und Herren des Vorstands, die allesamt große Vertrautheit zu Ihnen bekunden –, Ihrem Ersuchen um eine Erweiterung des Kreditrahmens… ja, sollte ich sagen, stattzugeben?« Er lehnte sich wieder zurück, versteifte alle zehn Finger und verzahnte sie vor seinem Bauch. »Wir verbrachten die Mittagsstunde in der Osteria lalibera und aßen Ravioli tartufati, Sie wissen, wo sie in einem Bett aus Ricotta und Spinat ein ganzes Eigelb versenken und dann – tschak, tschak – mit dem Hobel drübertrüffeln. Madonna, der Duft! Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Auswirkung so etwas auf den gemeinhin monetär veranlagten Sinn des Bankers hat. Waren Sie kürzlich da? Lohnt! Gehen Sie unbedingt hin, der Weinkeller ist von Geheimnissen durchweht, um deren Lüftung wir uns sehr bemühten! Nur wenige Flaschen eines magischen ‘88er Pio Cesare, und Ungeheures folgte auf Intimes, Weisheit auf Wahnsinn! Kurz, man war übereinstimmend der Ansicht, die Beziehungen zu Neuronet ausweiten zu wollen, ich bin versucht zu sagen, Ihre Anwesenheit hätte stehende Ovationen ausgelöst!«

Laura Firidolfi lächelte, denn die letzten Worte hatte der Direttore mit geschmeidigem Blick in ihre Richtung gesprochen.

»Ich bin beruhigt zu hören«, erwiderte sie amüsiert, »dass die Herren noch hätten stehen können.«

Ardenti ließ ein vertrauliches Lachen hören und reichte es an Silvio Ricardo weiter, der es im linken Mundwinkel verstaute. Sie fühlte das Interesse des Direttore auf sich ruhen wie Messerklingen. Flach, kühl und wohltuend, solange ihr Laden weiterhin gut lief. Bei Problemen würde Ardenti es verstehen, die Messer so weit zu drehen, dass sie ins Fleisch zu schneiden begannen. Im Augenblick jedoch war der Raum gesättigt von Partikeln des Erfolgs, und Neuronet – besser gesagt Laura Firidolfi – weit davon entfernt, das Wohlwollen des Direttore in absehbarer Zeit zu verlieren.

Ricardo klappte die Mappe zu.

»Wir sind sehr zufrieden«, sagte er zu Ardenti. »Ich werde Ihnen übrigens noch einige Kopien des Geschäftsberichts nachreichen müssen, mir war kurzzeitig entfallen, dass der Vorstand Ihres geschätzten Instituts Gehälter in zwölffacher Ausfertigung bezieht. Ab wann könnten wir über die zusätzlichen Mittel verfügen?«

Ardenti hob die Brauen.

»Wann immer Sie wollen! Sagte ich schon, dass sich unser Vorstand für Ihre Zusammenarbeit mit Microsoft interessiert?«

»Nein, aber es freut uns zu hören.«

Ardenti räusperte sich. »Was machen Sie denn mit denen, wenn ich mir die Frage erlauben darf? Ich hörte, man sei mit einem Kaufangebot an Sie herangetreten.«

»Das ist kein Geheimnis«, sagte Firidolfi. »Wir haben natürlich abgelehnt.«

»Das freut mich zu hören.«

»Aber wir werden gemeinsam ein paar Lösungen weiterverfolgen, um die Nutzung des Internets stärker zu individualisieren«, erklärte sie. »Neuronet arbeitet an einer Finder-Generation, die kurz davor ist, persönliche Freundschaften zu ihren Usern zu entwickeln.«

»Geisterhaft!«

»Überhaupt nicht. Das Programm speichert einfach nur Ihr Persönlichkeitsprofil und lernt ständig dazu. Sie können ihm natürlich jeden beliebigen Befehl geben, aber solange Sie ihm gewisse Freiheiten einräumen, denkt es für Sie mit.«

»Wer also«, sagte Ardenti gedehnt, »etwas über mich erfahren will, muss nur warten, bis ich online bin, um dann meine Codierung zu knacken. Ist das nicht sehr gefährlich, wenn der Computer beginnt, meine Persönlichkeit zu verwalten?«

»Er verwaltet sie ja nicht. Er selektiert und macht Vorschläge. Was den Zugriff angeht, so stehen wir in Verbindung mit dem Chaos Computer Club in Hamburg. Die haben spaßeshalber versucht reinzukommen. Es ist ihnen nicht gelungen, also gehen wir bis auf weiteres davon aus, dass die Codierung einwandfrei ist.«

Ricardo wies auf die Golftrophäen, die hinter Ardenti auf einem Sideboard aufgereiht waren.

»Ein Beispiel. Das Programm durchforstet, wenn es einmal Ihre Passionen kennt, regelmäßig das Netz nach allem, was mit Golf zu tun hat. Nehmen wir an, Sie schätzen das Klima des hohen Nordens…«

»Bewahre!«

»Nur mal angenommen. Das weiß der Finder, also konzentriert er seine Suche auf die entsprechenden Plätze. Sie können eine beliebige Reihe von Icons anlegen, auch eines für Golf. Wenn der Finder etwas aufgestöbert hat, von dem er meint, es würde Sie interessieren, blinkt das Icon, und Sie rufen die Neuigkeiten ab – sagen wir, drei Tage Irland, Cliffs of Moher, Steilküstenplatz in zweihundert Metern Höhe, was Außergewöhnliches! Komplettpaket mit zwei Übernachtungen und Luxusdinner im nahe gelegenen Schloss.«

»Da wollte ich tatsächlich schon mal hin«, sinnierte der Direttore.

»Sehen Sie. Sie geben dem Finder also den Befehl, das Angebot für kommendes Wochenende zu buchen. Der Zufall will es, dass eine Ihrer Kolleginnen aus dem Vorstand mit dem gleichen Finder arbeitet. Nach gegenseitiger Absprache können Sie Ihre Programme miteinander vernetzen, nehmen wir weiter an, das haben Sie getan. Nun sieht Ihr Finder plötzlich, dass die Kollegin das nämliche Arrangement für ein späteres Wochenende gebucht hat. Was wird er also tun?«

»Er wird mir einen Vorschlag machen«, überlegte Ardenti, sah an Ricardos Miene, dass er ins Schwarze getroffen hatte, und strahlte.

Ricardo nickte.

»Richtig. Er wird Ihnen vorschlagen, das spätere Wochenende zu fahren, um die Freuden des Golfspiels mit der Dame zu teilen.«

»Wird er darauf bestehen?«, fragte Ardenti spitzbübisch. »Die Qualitäten unserer weiblichen Vorstandsmitglieder sind eher fachlichen Charakters.«

Firidolfi lachte, während sie im Geiste den Terminkalender für die anstehende Woche durchging.

»Nur, wenn ich die Vorstandskollegin wäre«, sagte sie.

Ardenti breitete die Hände aus wie ein Prediger und legte den Kopf schief.

»In diesem Fall müsste er nicht insistieren, Signora.«

Komm zum Ende, dachte Firidolfi. Sie schickte einen schnellen Blick zu Ricardo, der besagte, dass genug geplaudert worden war. Ihr Privatsekretär verstand augenblicklich. Sie hatten Ardenti einerseits hinreichend beeindruckt, andererseits nichts verraten, was er nicht auch woanders hätte erfahren können. Derartige Balancen waren Ricardos Spezialität. Zwischen komprimiertem Informationsaustausch und Small Talk wusste er sich ebenso leichtfüßig zu bewegen wie der Direttore. Er verstand es, Sekunden und Minuten so zu investieren, dass sie sich in Stunden und Tagen verzinsten. Nie gab er seinem Gegenüber das Gefühl, berechnend zu sein, und immer war er es. Soeben hatte er Ardenti das wärmende Gefühl vermittelt, sein Vertrauen und seine Fürsprache gut angelegt zu haben.