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»Wahnsinniger Sweeny«, stieß er hervor. »Gewaltiger Finn, verehrungswürdiger Pooka, ihr Mächte Erins, heiliger Brendan, steht mir bei. Steht mir bei!«

Mit festem Griff umfasste er ihre Pobacken und versenkte sein Gesicht in dem goldenen Dreieck zwischen ihren Schenkeln.

KUHN

Irgendetwas quietschte.

Ein Geräusch von exquisiter Scheußlichkeit. Kuhn vermutete es in der Lenkradaufhängung, aber weil es nur eines von mindestens drei Dutzend weiteren Geräuschen war, allesamt groß in ihrer Rätselhaftigkeit, scherte er sich nicht weiter drum.

Er trat aufs Gas und rumpelte über den Ring.

Kuhn liebte den Wagen. Es war möglicherweise die älteste Ente aller Zeiten, aber keineswegs die lahmste. Dennoch dankte er dem Herrn für seine Rücksichtnahme. Bislang hatte er keine verkehrsberuhigte Zone durchqueren müssen. Im Allgemeinen reichte eine Straßenbahnschiene, um das Fehlen jeglichen Komforts wie brauchbare Stoßdämpfer zu offenbaren und der Wirbelsäule einen gewaltigen Schlag zu versetzen. In Kuhns Rostlaube fuhr man nicht, man ritt. Kleine Steine und Äste reichten, ihn durchzuschütteln. Straßenschwellen, die Autos auf Tempo zwanzig herabnötigten, waren Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit. Jeder Orthopäde hätte den Wagen auf den Index gesetzt.

Aber die Ente zu verkaufen oder verschrotten zu lassen, würde die letzte Verbindung zu den Tagen kappen, bevor Kuhns Träume ins fortgeschrittene Verfallsdatum übergegangen waren. Auch die Aufkleber würde er opfern müssen. Er würde sie kaum von der alten Ente herunterbekommen, an der die Vergangenheit noch stärker haftete als an ihm selbst. Die alten Anti-AKW-Sticker, das Wood- stock-Emblem, sie alle wären rettungslos dahin. Der Indizienprozess um eine würdige Vergangenheit wäre verloren.

Der Kassettenrekorder dudelte »In-A-Gadda-Da-Vida« von Iron Butterfly. Kuhn schaltete die Innenbeleuchtung ein, warf einen Blick auf den Falk-Plan, der den halben Beifahrersitz bedeckte, erkannte, dass er fast zu weit war, und bog haarscharf rechts ab.

Hier musste es hoch zur Volksgartenstraße gehen, die dann irgendwann Rolandstraße hieß. Sagte der Plan.

Seine Laune sank auf den Nullpunkt.

Kuhn hasste Köln. Er fand die Stadt in keinerlei Hinsicht mit Hamburg vergleichbar. Kam man dort aus dem Bahnhof, sah man als Erstes in eindrucksvollen Lettern »Das Tor zur Welt« prangen. Entstieg man dem ICE in Köln und verließ das Bahnhofsgebäude durch den Hauptausgang, bot sich dem Auge in Nachkriegsschrift das Wort »Rievkooche« über einer lausigen, nach Fett stinkenden Bude. Dass direkt daneben das stalagmitenartige Turmwerk des Doms in den Himmel wuchs, mutete umso blasphemischer an. Nicht mal ihr Wahrzeichen konnten sie ordentlich präsentieren, sie hatten einfach keinen Stil, die Kölner, und ihr Dialekt besaß die Klasse billiger Schmierwurst.

Vor allem jedoch hasste Kuhn Köln für das satte Grinsen, mit dem man hier endlich bestätigt sah, was außer den Bewohnern des rheinischen Planeten bis dahin niemand hatte glauben wollen – dass Köln nämlich doch der Nabel der Welt war, der galileische Corpus, um den sich alles drehte. Kein Wort mehr von der Diskrepanz zwischen Außenwirkung und Eigensicht. Köln war in diesem Moment die geheime europäische Hauptstadt, hatte einen Frieden eingesackt, für den die Kölner gar nichts konnten, und gebärdete sich dabei mit einer Jovialität, dass einem anders wurde. Nicht einmal Staatsoberhäupter waren vor der polternden Kumpelhaftigkeit sicher, mit der man sie zur Kenntnis nahm wie Saufkumpane, um weitestgehend unbeeindruckt wieder seinen Geschäften nachzugehen.

Verfluchtes Köln. Woanders hätte O’Connor nicht Paddy Clohessy getroffen, das Zusammentreffen nicht Kuhns Phantasie in Bewegung gesetzt und er um diese Zeit nicht in eine ihm unbekannte Straße fahren müssen, um nachzusehen, warum Kika Wagner sich nicht meldete. Am Ende würde er dastehen wie ein Idiot. Verlacht

und verhöhnt für seine Sorge. Der Welt Lohn.

Die Ente keuchte an einem Park entlang.

Der Volksgarten, wie der Plan verriet. Dann kamen wieder Häuser. Offenbar war er so gut wie da.

Im selben Moment sah er Kikas Golf.

Er stoppte und blickte hinüber, aber der Wagen war leer. Mit einem adrenalingesättigten Kribbeln in der Leistengegend fuhr er weiter, bis sich eine Lücke auftat. Die Ente passte knapp hinein. Kuhn ließ scheppernd die Tür zufliegen und machte sich auf die Suche nach der Hausnummer achtunddreißig, in der Kika, O’Connor und Clohessy wahrscheinlich bester Laune beim Bier zusammensaßen und sich über ihn totlachen würden.

Er warf einen Blick auf die Uhr. Fast schon halb eins.

Die Achtunddreißig erwies sich als ziemlich heruntergekommenes Exemplar vergangener Jahrhundertwendepracht. Kuhn suchte mit zusammengekniffenen Augen die Namensschilder ab. Offenbar wohnte Clohessy im zweiten Stock. Er trat zurück auf die Straße und ließ seinen Blick die Fassade erwandern, aber nirgendwo sah er Licht.

Sollte er klingeln?

Unentschlossen lehnte er sich gegen die Eingangstür und stellte verblüfft fest, dass sie nachgab. Das Schloss war herumgeschlossen. Unangenehm berührt, aber zugleich von ungewohntem Abenteuergeist gepackt, schlich er sich ins Treppenhaus und überlegte, ob er Licht machen sollte.

In einiger Entfernung glühte schwach orange ein Schalter.

Er entschied sich dagegen. Lichtmachen war unpassend, wenn man in Häuser eindrang, um Verschwörungstheorien nachzugehen. Hatte man je Sean Connery Licht machen sehen?

Nach wenigen Sekunden gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.

Er schlich die Treppen hinauf und schrak bei jedem leisen Knarren der Bohlen unter seinen Füßen zusammen. Auch im zweiten Stockwerk glühte ein Lichtschalter neben einer schemenhaft erkennbaren Flügeltür, die einige Meter rückversetzt in einem kurzen Gang lag.

Im Augenblick, da er in den Gang hinein und auf den blass leuchtenden Punkt zutappte, hörte er von jenseits der Tür Geräusche. Jemand drückte die Türklinke. Kuhn prallte zurück. Sein ganzer Mut versammelte sich in den Kniekehlen. Mit einem Satz war er im Treppenschacht und huschte die Stufen zum nächsthöheren Stockwerk hinauf, erspähte auf halber Geschosshöhe eine Nische und drückte sich hinein.

Stimmen erklangen.

»Ich verstehe das nicht«, sagte ein Mann mit nervöser Stimme auf Englisch. »Vielleicht liegt es an den Piezos. Der adaptive Spiegel ist empfindlicher als das Zielobjektiv.«

»Still. Und hör auf, englisch zu sprechen«, sagte der zweite Mann leise auf Deutsch. Seine Stimme klang metallisch kühl und war von einem schwachen slawischen Akzent gefärbt. »Du musst üben, wenn du in einem anderen Land bist.«

»Natürlich.«

Sie kamen in Kuhns Blickfeld. Er konnte ihre Gesichter nicht erkennen, aber einer der beiden war dünn und ging leicht gebeugt. Sein Haar war dunkel und wirr. Kuhn erinnerte sich der Beschreibung O’Connors. Wahrscheinlich hatte er Clohessy vor Augen. Der Mann, der halb hinter ihm ging, trug eine dunkle Lederjacke. Sie drehten Kuhn die Rücken zu und gingen die Treppe hinunter.

»Wenn der YAG schießt«, hörte er den Nervösen sagen, »dann wird das ganze System im Bruchteil .«

»Halt endlich den Mund«, unterbrach ihn der Slawe. »Wir…«

Der Rest war nicht zu verstehen. Wispern drang an Kuhns Ohr. Er hörte, wie ihre Schritte sich nach unten entfernten. Einen Moment später fiel die Haustür zu.

Kuhn stand reglos in seiner Nische und versuchte, sich zu beruhigen. Sie waren fort. Worüber hatten sie gesprochen?

Vorsichtig spähte er in den Flur.

Wagner und O’Connor mussten hier sein. Warum sonst parkte der Golf wenige Meter weiter? Sie wollten Paddy Clohessy aufsuchen und waren nicht in dem Wagen, also lag die Vermutung nahe, dass sie in der Wohnung waren.

Du spinnst, dachte Kuhn. Du drehst durch. Was glaubst du, wo du bist? In Hollywood?