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Eine Weile herrschte Schweigen.

»Das wär’s dann also«, sagte Mirko endlich. »Mehr kann ich nicht für Sie tun. Ab jetzt sind Sie auf sich allein angewiesen.«

»Kann ich Sie notfalls über das FROG erreichen?«

»Natürlich. Das geht.«

Er betrachtete sie prüfend. Dann sagte er:

»Es ist ein bisschen anders verlaufen, als wir dachten, Jana. Ich will offen mit Ihnen sprechen, meine Auftraggeber zeigen wenig Interesse daran, wie Sie die Probleme lösen. Sie gehen einfach davon aus, dass fünfundzwanzig Millionen reichen. Natürlich wissen sie auch, dass man sich mit einer siebenstelligen Anzahlung trefflich aus dem Staub machen kann.«

»Das wird nicht geschehen«, sagte Jana gleichmütig. »Der Wechselkurs wäre mir zu hoch.«

»Und ich müsste ihn einfordern.« Mirko nickte. »Übrigens ungern. Wir sind einen langen Weg zusammen gegangen.«

»Ja, wir hatten viel Spaß«, sagte Jana mit einigem Sarkasmus. »Wann treffen Sie Ihre Aufraggeber?«

»Am späten Vormittag.« Er zögerte. »Unsere Auftraggeber, sollte ich wohl sagen. Man wird Ihnen zwar nichts durchgehen lassen, aber natürlich weiß man Ihren Einsatz sehr zu schätzen.«

Jana blies in ihren Kaffee.

»Lassen Sie das Wortgeraspel, Mirko«, sagte sie. »Solange ich die Insassen Ihres Trojanischen Pferdes nicht kenne, bleiben es Ihre Auftraggeber und nicht meine.«

Mirko zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen. Zum Procedere. Wir haben heute Nacht weitere zehn Millionen auf das Konto überwiesen, das Sie uns genannt haben. Über die entsprechenden Umwege. Die restlichen Millionen gehen ein, sobald wir den sichtbaren Beweis für die Erledigung der Aufgabe erhalten.« Er grinste. »Und den bekommen wir ja ziemlich schnell. Jede Fernsehstation der Welt wird ihn ausstrahlen.«

»Reality-TV«, nickte sie.

»Ja. Manchmal glaube ich, wir könnten halb Amerika in die Luft jagen, und die Leute würden es für eine Soap halten. Jeder bekommt, was er verdient.« Mirko machte eine Pause. »Ich habe die Zusammenarbeit sehr genossen, Jana. Ich hoffe, ich werde sie auch weiterhin genießen können. In etwas weniger als einer Stunde werde ich dieses Land verlassen. Sie werden mir nicht folgen und keinerlei Anstrengung unternehmen, mich oder meine Auftraggeber ausfindig zu machen. Wir beide werden uns nicht wieder sehen und nie wieder voneinander hören. Falls es also noch etwas gibt, worüber wir reden sollten, ist jetzt der Moment.«

»Ein paar Streicher vielleicht, um den Abschied zu untermalen?«

Mirko lachte leise.

»Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber ich mag Sie. Es gibt in unserem Beruf nicht viel Platz für Sympathien. Im Allgemeinen entwickle ich auch keine. Nehmen Sie es als Ausdruck meiner persönlichen Wertschätzung, dass ich Sie womöglich ein ganz klein wenig vermissen werde.«

Einen Moment lang blieb ihr Gesicht unbeweglich. Dann wich die Härte aus ihren Zügen.

»Es ist nett, dass Sie das sagen, Mirko. Aber Sie wissen auch, was es bedeutet, wenn man einen Job wie diesen persönlich nimmt.«

»Ist das, was Sie tun, nicht persönlich?«

»Unter anderen Umständen wäre es das vielleicht. Ich weiß, Sie haben damals versucht, mich bei meinen patriotischen Wurzeln zu packen. Möglicherweise hatten Sie Recht. Aber Sie haben mir im gleichen Atemzug fünfundzwanzig Millionen geboten. In letzter Zeit habe ich mich gefragt, ob ich es auch für weniger getan hätte.«

»Und? Hätten Sie?«

»Nein.«

»Hm. Ich dachte, Patriotismus fordert einen hohen Preis.« Mirko sah sie forschend an. Er fuhr fort: »Es wäre doch möglich, dass Sie das Geld für gewisse Zwecke verwenden, die Ihrem eigentlichen Interesse näher stehen als dieser Job. Abgesehen davon, dass Sie vielen Ihres Volkes allein schon mit der Erledigung dieser Aufgabe einen beispiellosen Dienst erweisen. Sie selbst mögen daran zweifeln, aber ein großer Sieg wäre es trotzdem.«

»Wessen Sieg?«

»Ein Sieg der Serben. Des serbischen Volkes.«

»Ja, wir Serben schaffen es immer wieder, aus jeder Niederlage einen Sieg zu machen. Glauben Sie ernsthaft, wir erweisen dem serbischen Volk einen Dienst?«

Mirko zögerte. »Der serbischen Sache, ja.«

»Der Sache.« Jana runzelte die Stirn. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Es ist seltsam, nicht wahr? Offenbar gibt es jenseits aller persönlichen Schicksale immer auch eine nationale Sache. Früher habe ich das nicht begriffen. Wissen Sie, Mirko, am Ende meines Werdegangs finde ich mich auf abstraktem Terrain wieder. Zu Beginn habe ich für Menschen gekämpft. Das war in Ordnung. Über die Art und Weise kann man unterschiedlicher Ansicht sein, aber solange ich wusste, was ein Menschenleben wert ist, das ich retten will, war mir auch bewusst, wie ungeheuerlich es ist, ein anderes dafür zu opfern. Mir war nur nicht klar, dass es eine Absprache auf höherer Ebene gibt, wonach man Menschen in den Tod schicken kann, um ihrer Sache zu dienen. Vielleicht mangelt es mir an staats- männischer Perspektive, aber mir ist nie recht klar geworden, was diese Sache eigentlich ist. Wo kann man sie finden? Wie sieht sie aus? Wo lebt sie? Milosevic hat vor zehn Jahren noch vom serbischen Volk gesprochen. Neuerdings ist es die serbische Sache. Es gibt auch eine albanische Sache. Wer immer gerade an der Macht ist, definiert die Sache in seinem jeweils ureigensten Sinne. Gegen Serbien steht die Sache des Westens und der Nato, nicht zu vergessen die Sache der Menschen allgemein. Irgendwie wird nur noch um Sachen gekämpft.«

Mirko schwieg.

»Sehen Sie«, fuhr Jana fort, »ich kannte ein paar Menschen, Krajina-Serben, die umgekommen sind. Sie sind den Kroaten zum Opfer gefallen – nein, der kroatischen Sache, muss es ja wohl heißen. Damals war es jedenfalls die kroatische. Ich habe das einigermaßen persönlich genommen. Es schien mir der endgültige Beweis dafür, dass Milosevic ‘89 Recht hatte, als er die Serben auf dem Kosovo Polje als Opfer einer sechshundert Jahre andauernden Tragödie darstellte, voller Zwietracht, Unterdrückung und Verrat. Ich war zu dieser Zeit mit jeder Faser Patriotin. Nach meinen Erfahrungen mit der kroatischen Sache dachte ich, was den Flüchtlingen aus der Krajina passiert ist, darf sich nie wiederholen. Aber es schien sich zu wiederholen. Im Kosovo. Also habe ich dort stellvertretend für die serbische Sache gekämpft, obwohl meine Sache streng genommen nur das Ableben einiger Menschen war.«

»Sie haben an etwas geglaubt. Was ist daran falsch?«

»Nichts. Nur als ich begriffen hatte, dass Milosevic und selbst den serbischen Oppositionellen die Gräber ihrer Vorfahren im Kosovo wichtiger sind als die Menschen, die heute dort leben, verlor ich das erste Mal den Glauben. Als Slobo vor zwei Wochen die Waffen streckte, verlor ich ihn das zweite Mal. Sie werden feststellen, Mirko, dass die humanitäre Katastrophe im Kosovo ihren Fortgang nehmen wird. Die Albaner werden zurückkehren, und sie werden den Spieß umdrehen und die Serben jagen, foltern, ausplündern und töten. Slobo hat uns einen Bärendienst erwiesen, aber er ist Politiker. Er kann sich immer noch auf die Sache zurückziehen. Die Tragödie geht also in die zweite Runde, und die Welt wird diesmal nicht mehr so genau hinschauen. Wir sind ja die Bösen, und nach dem Frieden von Köln sind alle Werte wieder ins rechte Lot gerückt. Sollten diesmal die Serben aus dem Kosovo fliehen müssen und ihrer Habseligkeiten oder ihres Lebens beraubt werden, wird es keine zweite Intervention geben. Das hat Milosevic in Kauf genommen. Dafür verachte ich ihn.«