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»Ich habe zweimal draufgesprochen«, sagte Wagner hilflos. »Was hätte ich sonst tun können? Gestern Nacht hat er noch gesagt, er sei den ganzen Tag über erreichbar.«

»Und sein Wagen?«

»Was ist mit seinem Wagen?«

»Haben Sie nachgesehen, ob er noch da ist?«

»Monsieur Lavallier…« O‘Connor lächelte entschuldigend. »Ich darf Sie doch Monsieur nennen?«

»Hauptkommissar tut’s auch.«

»Verzeihung. Wir laufen seit etwa einer Stunde auf Beinen herum, die weniger als eine halbe Nacht gelegen haben und außerdem zwei dicke Köpfe tragen müssen. Ich bin versucht zu sagen, wir stehen unter Schock. Selbstverständlich haben wir an der Rezeption nachgefragt, in sein Zimmer gesehen und dann beschlossen, unserem Besuch bei Ihnen Vorrang vor der Inspektion des Parkhauses einzuräumen. Ich bin etwas verblüfft. Mir war nicht bekannt, dass man hierzulande erst Kriminologie studieren muss, bevor man auf ein Revier geht und einen Verdacht äußert.«

»Mir auch nicht«, sagte Lavallier kühl. »Wissen Sie übrigens, wo der Wagen steht? Auch ohne Studium.«

»In der Tiefgarage des Maritim«, sagte Wagner schnell, bevor O’Connor etwas erwidern konnte.

»Wagentyp?«

»Ente. Ich meine, ein…«

»Schon okay.« Lavallier lächelte sie freundlich an. »Das Kennzeichen haben Sie nicht zufällig in Griffweite?«

»Es ist die schäbigste Ente auf Gottes weiter Erde«, sagte O’Connor. »So ziemlich jedes Glaubensbekenntnis der Achtundsechziger lässt ahnen, dass der Wagen unter all den Aufklebern grün ist, und zwar die richtig grüne Version von Grün, wenn Sie verstehen, was ich meine. So, dass es wehtut beim Hingucken. Ich schätze, das Kennzeichen verrät Ihnen das Hotel.«

Lavallier verzog die Mundwinkel.

Er wählte die Nummer des PPK, des Polizeipräsidiums Köln, und ließ sich mit Hauptkommissar Peter Bär verbinden. Lavalliers Domäne war der Flughafen. Dieser Fall würde, wie es aussah, außerdem die Kölner Kripo beschäftigen. Er bat Bär, im Maritim nach dem Wagen zu forschen und den Barmann von letzter Nacht aus dem Bett zu holen. Dann schlug er ihm vor, mit seinem Team raus zum Flughafen zu kommen, um die Ermittlungen dort weiterzuführen. Sie hatten hier ebenso Zugriff auf die Datenbänke wie im Hauptquartier, und es würde die Zusammenarbeit erleichtern.

Er hatte kaum aufgelegt, als der Anruf von der Sicherheit kam. Lavallier hörte eine Minute schweigend zu und richtete seinen Blick dann auf O’Connor.

»Ich hoffe, der Schock hindert Sie nicht daran, sich später ein paar Bilder anzusehen. Mehr haben wir leider nicht aufzubieten. Ryan O’Dea ist heute Morgen nicht erschienen.«

O’Connor starrte ihn an.

»Er ist auch telefonisch nicht erreichbar«, fügte Lavallier hinzu.

»Das kann doch alles nicht wahr sein«, flüsterte Wagner.

Lavallier lehnte sich zurück.

»Ist es aber.« Er machte eine Pause. »Also gut, damit Sie im Bilde sind, ich werde Europol und notfalls Interpol mit einbeziehen. Von Ihnen brauche ich alle verfügbaren Informationen über Clohessy, sodann über Kuhn. Natürlich auch Ihre Personalien. Noch was. Ich muss Sie bitten, uns fürs Erste zur Verfügung zu stehen. Das kann heißen, für die nächsten Stunden oder Tage.«

Wagner sah unglücklich drein.

»Es tut mir leid«, fügte er hinzu.

O’Connor blinzelte. Erstmals erkannte Lavallier, dass der Ire hinter seiner kontrollierten Fassade bemüht war, die Allgewalt über seine Sinne nicht zu verlieren. Dann sagte er:

»Wie ernst nehmen Sie die Sache eigentlich, wenn ich fragen darf?«

»Ernst.«

»Mhm.«

»Wir würden sie sogar ernst nehmen, wenn es keinen Kölner Gipfel gäbe. Genügt Ihnen das?«

O’Connor wirkte unentschlossen. Dann zog er einen Stuhl heran und nahm Lavallier gegenüber Platz.

»Ich kenne Paddy Clohessy«, sagte er eindringlich. »Ich meine, wir hatten seit dem Trinity keinen Kontakt mehr miteinander, aber Menschen ändern sich nicht. Was sich ändert, ist nur die Art, wie andere sie sehen. Missverstehen Sie es nicht als Einmischung oder Arroganz, aber mir scheinen mehr unbekannte Größen in dem Spiel zu sein als Paddy.«

»Was meinen Sie damit?«

»Ich meine, dass es nicht seiner Art entspricht, eine größere Sache im Alleingang durchzuziehen.« O’Connor zuckte die Achseln. »Paddy ist immer in irgendwelchen teils lächerlichen Idealen aufgegangen. Er braucht eine Idee, an die er sich hängen kann, vor allem aber jemanden, der diese Idee vertritt.«

»An welche größere Sache hatten Sie denn gedacht?«

O’Connor hob die Brauen, als sei das eine äußerst dumme Frage. »Ein Attentat natürlich. Was denn wohl sonst? Ein Anschlag auf diesen Flughafen oder jemanden, der hier landen wird. Ist das so schwer zu kapieren?«

Lavallier betrachtete ihn nachdenklich. Er wählte ein weiteres Mal Bärs Nummer und bat ihn, jemanden zu O’Deas Wohnung zu schicken mit der Option, sich nötigenfalls gewaltsam Eintritt zu verschaffen. Dann legte er die Fingerspitzen aufeinander und atmete tief durch.

»Mr. O’Connor – ich darf Sie doch Mister nennen? –, ich muss Ihnen vielleicht etwas über die Problematik der Innentäter erzählen.« Er sah, dass ein Zucken über O‘Connors Züge ging. »Flughäfen sind Hochsicherheitszonen, unabhängig davon, ob in Köln Gipfel ist oder nicht. Wir tun alles Erdenkliche, um jeden Vorfall auszuschließen. Wir haben Szenarien entwickelt, die jenseits Ihrer Vorstellungskraft liegen. Alles, damit Jelzins einziges Problem bleibt, nicht aus dem Jet zu fallen. Aber auch, damit Leute wie Sie nicht befürchten müssen, vergast, erschossen, verbrannt oder in die Luft gesprengt zu werden – hab ich was vergessen?«

»Ertränkt.«

»Ich schätze, das machen wir ganz gut«, fuhr Lavallier ungerührt fort. »Nur eines bereitet uns wirklich Kopfschmerzen. Dass jemand Geld nehmen könnte. Verstehen Sie? Bestechung. Oder plötzlich einen Rappel kriegt. Dass irgendeiner der über tausend Mitarbeiter dieses Flughafens einen Grund findet, zum Verräter zu werden. Der leiseste Verdacht auf Innentäter lässt bei uns die Alarmglocken schrillen. Gegenüber der Hauptlandebahn ist ein Wäldchen. Wir können gewährleisten, dass sich niemand unterm Zaun durchbuddelt und drei Wochen lang dort eingräbt, um heute Abend mit der Panzerfaust herauszuschießen. Aber wir können nicht in Köpfe gucken. Das ist unser Problem. Wir konnten nicht in Ryan O’Deas Kopf gucken, und in weniger als zehn Stunden landet hier der Präsident der Vereinigten Staaten.« Lavallier ließ die Worte einen Augenblick lang wirken und beugte sich angriffslustig vor. »Was also glauben Sie, tue ich hier? Woran denke ich gerade? Welche Befürchtungen könnte ich haben?«

O’Connor sah stirnrunzelnd zurück.

»Sie haben Recht, ich war unsachlich und beleidigend. Macht nichts. Schwamm drüber.«

Lavallier starrte ihn an.

»Sie–«

»Warten Sie.« Wagner rieb sich die Augen und legte einen Zettel vor ihn auf den Tisch. »Das ist die Nachricht. Ich habe sie abgeschrieben.«

Lavallier setzte erneut zum Reden an, besann sich eines Besseren und studierte den Text.

HILF – PADYS WONUN – DERJAK – DERIJAG? SCHIESST – HABEN PROBLEM – PIEZA DATSPIGLEN – OBJEKT V –

»Ich vermute, was sich wie Schreibfehler ausnimmt, ist exakt, was Kuhn eingegeben hat, richtig?«

Wagner nickte.

»Wir haben im Taxi versucht, einen Sinn hineinzubringen.« Ihr Finger wies nacheinander auf die Wörter. »Bis hierhin würde ich sagen, er war in Paddys Wohnung und ist dort in Gefahr geraten. Wahrscheinlich hat er vorher versucht, mich anzurufen.«

»Wo hatten Sie denn Ihr Handy?«

»Auf dem Rücksitz meines Wagens.«

»Und wo waren Sie, als er versuchte, Sie zu erreichen?«

Sie legte den Kopf schief und krauste die Nase. Zwischen ihren Brauen entstand eine kleine Falte. Die Frage schien sie an Komplexität zu überfordern.