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»Hallo«, sagte Mahder.

Lavallier zog einen der Stühle heran und nahm an der Kopfseite des Tisches Platz. Im selben Moment öffnete sich die Tür, und Fichtner, der Stellvertretende Personalchef, trat ein, klein, dick und fahrig, wie man ihn kannte, Schweiß auf der Stirn.

Sie waren vollzählig. Lavallier wartete, bis das allgemeine Begrüßungsgeplänkel verklungen war.

»Ich danke Ihnen, dass Sie alle so schnell Zeit gefunden haben.« Er sah sie der Reihe nach an. »Möglicherweise können wir die Sache in der nächsten Stunde schon ad acta legen, aber im Augenblick beschäftigen uns einige Hinweise, denen wir leider nachgehen müssen.«

»Was haben wir denn?«, witzelte Fuchs. »Außerirdische Signale?«

»Wir haben O’Dea«, sagte Fichtner. »Oder besser gesagt, wir haben ihn nicht mehr, wie man hört.«

»O’Dea?«

»Spannen Sie uns nicht auf die Folter, Eric«, sagte Brauer.

»Ich will versuchen, es kurz zu machen.« Lavallier erklärte in groben Zügen den Sachverhalt. Details ließ er aus. Nur so viel verriet er, dass sich Ryan O’Dea als doppelte Persönlichkeit herausgestellt hatte und seit gestern Abend verschwunden war und dass der Ire ferner im Verdacht stand, in einen Entführungsfall verwickelt zu sein. Auch die

SMS, die der ebenfalls verschwundene Lektor abgeschickt hatte, erwähnte Lavallier mit keinem Wort.

Dann sagte er, dass Konsequenzen für den Gipfel nicht auszuschließen seien.

Betretenes Schweigen.

»Es ist die augenblickliche Lage«, fügte Lavallier hinzu. »Ich kann natürlich keine Aussagen darüber treffen, ob O’Dea nicht doch wieder auftaucht. Für den Moment bleibt uns, sein Verschwinden zur Kenntnis zu nehmen und ihn zu suchen.« Er machte eine Pause. »Um ihn dann möglicherweise – nein, ganz sicher – zu verhaften.«

»Schöner Mist«, murmelte Brauer.

»Entführung.« Fuchs kratzte sich an der Stirn. »Muss das zwangsläufig was mit unseren Landungen zu tun haben?«

»Nein«, sagte Lavallier. »Aber es könnte.«

»Zum Kotzen«, schnaubte Brauer. »Wenn die Presse davon Wind bekommt, schreiben sie uns in Grund und Boden.«

»Wir müssen’s denen ja nicht sagen«, meinte Fichtner.

»Wieso? Wir sagen denen doch alles! Jeder Mist dringt an die Öffentlichkeit. Und was machen sie draus? Diskussionen übers Nachtflugverbot. Wir bauen den modernsten Flughafen Europas, aber sie stürzen sich lieber auf irgendeinen mümmelnden Rentner, dem unsere Baustelle nicht gefällt. Sie werden auch aus dieser Geschichte ein Tribunal machen.«

»Augenblick«, sagte Lavallier schnell. »Vorerst erzählen wir überhaupt niemandem was. Niemand hier im Raum tut das.«

»Klar.«

»Schon klar.«

»Wer soll O’Dea denn sein, wenn nicht er selbst?«, fragte Mahder. Er wirkte verwirrt.

Lavallier sah zu ihm herüber.

»Sagt Ihnen der Name Patrick Clohessy was?«

»Nein.«

»Wie es aussieht, ist das sein Name. Wir können es noch nicht mit Bestimmtheit sagen, aber O’Dea scheint er jedenfalls nicht zu heißen.«

Fichtner runzelte die Brauen. Er schlug eine mitgebrachte Kladde auf und blätterte darin herum.

»Sehen wir mal nach, wann der Kerl angefangen hat.«

»Das brauchen Sie nicht«, sagte Mahder. »Ich kann Ihnen sagen, wann das war. Er ist auf mein Betreiben hin eingestellt worden und hat seine Tätigkeit am 25. Januar dieses Jahres aufgenommen.«

»Ein halbes Jahr erst«, sinnierte Lavallier.

»Hier steht’s ja.« Fichtner stand auf und trat ans Fenster, die Akte in den Händen. »O’Dea, Ryan, geboren in Limerick, Irland. Techniker mit Schwerpunkt Elektrik und Nachrichtenwesen am Köln-Bonn Airport, zugeteilt Reparaturdienst Fassade und Einbau, dies und das, et cetera pp… Ausgebildeter Elektrotechniker, erster Job Shannon Airport. Warum stellen wir Iren ein? Haben wir in Deutschland keine guten Leute?«

»Sie haben ihn budgetiert und freigegeben«, sagte Mahder. »Von mir kam nur der Vorschlag.«

»Meinetwegen. Dann war er eine Zeit lang in England bei Rover, Halleninstandsetzung. Wechsel in die Schweiz, diverse Jobs in mittelständischen Unternehmen, zuletzt bei einer Technikerfirma in Bern. Danach selbständig in Hamburg. Tja.«

Fichtner drehte sich zu ihnen um, klappte die Akte zu und reichte sie Lavallier.

»Nur gute Zeugnisse. Seine Papiere sind in Ordnung. Aus Düsseldorf gab’s auch keine Ressentiments. Unspektakulärer Mensch, dieser O’Dea. Und der soll jemanden entführt haben?«

Lavallier schüttelte den Kopf.

»Vergessen Sie die Entführung. Wer hatte in letzter Zeit am meisten mit ihm zu tun?«

Mahder hob die Hand.

»Und?«, fragte Lavallier.

»Zuverlässig.« Der Abteilungsleiter sah hilfesuchend zu Fuchs hinüber, der seine Handflächen nach außen kehrte zum Zeichen, dass man ihn am besten gar nicht erst fragte. »Ich kann nicht viel über ihn sagen, er war ein bisschen verschlossen. Guter Mann. Nicht unsympathisch, aber wortkarg.«

»Freunde, Bekannte?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Kollegial?«

»Schon. Doch, durchaus.«

»Hat er mal über seine Vergangenheit gesprochen? Seine Heimat?«

Der Abteilungsleiter schüttelte den Kopf.

»Ich wollte Tipps von ihm. Kürzlich erst. Hab immer davon geträumt, nach Irland zu fahren, aber er fand keinen Geschmack an dem Thema. Als ich vom Norden anfing, ob man ohne Risiko hinkann und so, hab ich’s gleich wieder gelassen. Es gefiel ihm nicht. Er sprach nicht gern darüber.«

»Hatte er möglicherweise Angst, darüber zu reden?«, fragte Lavallier aufs Geratewohl.

Mahder überlegte.

»Ja«, sagte er langsam. »Vielleicht. Ich weiß nicht.«

Lavallier warf einen Blick auf die geschlossene Akte.

»Wer hat eigentlich in letzter Konsequenz darüber entschieden, dass O’Dea eingestellt wird? Waren Sie das?«, fragte er Fuchs.

»Ach, Lavallier, Sie wissen doch, wie das geht.« Fuchs zuckte die Achseln. »Wir haben einen Haufen Leute. Ich verwalte Budgets. Wenn Mahder oder jemand in seiner Position Bedarf anmeldet, gibt es eine Ausschreibung. Das gängige Procedere. Wir checken, was reinkommt, aber letzten Endes müssen die Abteilungsleiter damit glücklich werden. Mahder sagt, ich will O’Dea, also kriegt er O’Dea.«

»O’Dea ist aber nicht auf eine Anzeige hin erschienen«, sagte Fichtner nörgelig. »Er hat sich beworben.«

Lavallier runzelte die Stirn. »Das heißt, Sie haben die Ausschreibung umgangen?«

»In diesem Fall ja.«

»Ich dachte…«

»Es gibt Ausnahmen. Anfang des Jahres hatten wir ohnehin sehr starken Zulauf, also haben wir einige Leute eingestellt, ohne die Jobs gleich knüppeldick in die Zeitung zu setzen. Passiert in jedem größeren Unternehmen.«

»Mir schien er einfach der Richtige zu sein«, sagte Mahder entschuldigend. Die Sache war ihm offenkundig peinlich. »Ich konnte ja nicht ahnen…«

»Schon okay.« Lavallier hob beschwichtigend die Hände. »Ich will nur sichergehen. Das heißt also, die – nennen wir es mal – Ratifizierung Ihrer Entscheidung erfolgte im Hinblick auf budgetäre Vertretbarkeit und den Umstand, dass keine ernsthaften Bedenken vorlagen. Richtig?«

»Wenn Sie so wollen«, meinte Fichtner säuerlich.

»Und die SI? Irgendwelche Erfahrungen mit O’Dea?«

»Nicht, dass ich wüsste.« Brauer zwirbelte die Enden seines Schnurrbarts. »Er ist nicht aufgefallen, hat sich kein einziges Mal irgendwo rumgetrieben, wo er nicht hingehörte, gar nichts.«

Lavallier nickte. Jeder Bedienstete auf den Vorfeldern musste einen Personenausweis tragen, sichtbar oder zumindest in der Tasche. Bevor man einen solchen Ausweis erhielt, wurde ein gesondertes Überprüfungsverfahren eingeleitet. Selbst dann kam nicht jeder Techniker überall hin. Die Ausweise waren in Punktfelder aufgerastert. Jeder Punkt stand für eine räumliche Berechtigung. Man sah sofort, wer sich im unbefugten Bereich aufhielt, was O’Dea offenbar vermieden hatte. Lavallier wusste, dass die SI wie ein Schießhund aufpasste. Wenn Brauer es sagte, war O’Dea mit einiger Gewissheit brav in seinem Revier geblieben.