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»Schön.« Er sah in die Runde. »Oder auch nicht. Wer kann mir eine genaue Einsatzplanung geben? Alle Einsätze, für die O’Dea eingeteilt war und die er auch ausgeführt hat?«

»Bekommen Sie«, sagte Mahder eilig. »Terminal 2, da war er, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen. Terminal West außerdem, Luftpostleitstelle, die Hangars, vorwiegend Hangar eins. Ich kann Ihnen die Auflistung sofort zukommen lassen.«

»Danke. Ferner, mit wem hat O’Dea bevorzugt gearbeitet?«

»Die Konstellationen sind nicht fix. Das heißt…« Mahder runzelte die Stirn. »Warten Sie mal. Pecek. Der hat etwa zeitgleich mit ihm angefangen.«

»Pecek?«

»Josef Pecek. Fassadentechniker wie O’Dea. Sie hatten ein paar gemeinsame Einsätze.«

Lavallier notierte den Namen.

»Sagen Sie ihm, er soll herkommen. Ich will seine Akte, alles. Außerdem will ich wissen, mit wem O’Dea sonst noch gearbeitet hat und wer wann eingestellt wurde. Die SI täte gut daran, gemeinsam mit der Technik sämtliche Einsätze O’Deas vor Ort einer detaillierten Überprüfung zu unterziehen. Soll heißen, innerhalb der nächsten Stunde kennen wir jede Schraube und jeden Draht, den O’Dea im vergangenen halben Jahr angefasst und irgendwo eingebaut hat.« Lavallier erhob sich. »Gut, meine Herren. Ich habe Sie hiermit in Kenntnis gesetzt. Den Hinweis auf absolute Vertraulichkeit und so weiter kann ich mir sicherlich sparen.« Er schickte ein erwärmendes Lächeln in die Runde. »Wir wollen hoffen, dass die Abläufe des heutigen Tages durch die Geschichte keine Beeinträchtigung erfahren.«

Brauer sah ihn sorgenschwer an.

»Was schief gehen könnte, geht immer schief«, sagte er. »Haben Sie die Geschäftsleitung schon verständigt?«

»Noch nicht. Ich will die nächsten Ergebnisse abwarten.«

»Sehr vernünftig.«

»Wenn Sie den Flughafen evakuieren lassen, würde ich es gern als Erster erfahren«, frotzelte Fuchs. »Ich hasse es, im Stau zu stehen.«

Lavallier grinste.

Innerlich war ihm nicht danach zumute.

Als er gegen elf Uhr in das flache Gebäude der Polizeiwache zurückkehrte, waren O’Connor und Wagner noch nicht wieder eingetroffen. Lavallier hoffte, dass sie brav beim Frühstück hockten. Er war sich bei O’Connor nicht sicher, welche Überraschungen ein Mann bereithielt, der ein Kolloquium aus purem Übermut in eine Stampede verwandelt hatte und es schaffte, dass sich Politiker öffentlich zum Affen machten.

Unterdessen waren Bär und seine Leute eingetroffen, hatten zwei Büros mit Beschlag belegt und telefonierten um die Wette. Lavallier wartete, bis Bär aufgelegt hatte, und nahm ihm gegenüber Platz.

»Was Neues?«, fragte er.

Bär drückte eine bis zum Filter abgerauchte Zigarette in seinen Aschenbecher und lehnte sich zurück.

»Wir haben den Wagen gefunden.«

»Die Ente?«

»Rate mal, wo.«

Lavallier brauchte nicht lange zu überlegen.

»In der Rolandstraße.«

»Ordnungsgemäß abgestellt und abgeschlossen. Etwas mehr als hundert Meter von O’Deas Wohnung entfernt, so, dass Kuhn daran vorbeigefahren sein muss, bevor er parkte.«

»Und O’Dea?«

»Das Spurensicherungsteam ist in seiner Wohnung zugange, aber wir können jetzt schon sagen, dass O’Dea sich aus dem Staub gemacht hat.«

»Du meinst, er ist untergetaucht?«

Bär schlürfte seinen Kaffee. Er entzündete eine weitere Zigarette und hielt Lavallier die Schachtel hin.

»Immer noch nicht«, sagte Lavallier. »Seit zweiundvierzig Jahren nicht.«

»Richtig. Vergesse ich jedes Mal. Ja, es deutet einiges darauf hin. Die Wohnung wirkt, als sei er überhastet aufgebrochen, hätte aber noch Verschiedenes eingepackt. Aufgerissene Kleiderschränke, offene Schubladen, kaum persönliche Gegenstände. Schließt du irgendwas daraus?«

Lavallier brütete vor sich hin.

»O’Dea hat gestern Mittag erfahren, dass O’Connor ihn erkannt hat«, sagte er halb zu sich selbst. »Abends treffen sie sich dann, und in derselben Nacht macht O’Dea sich aus dem Staub. O’Connor hat er erzählt, er habe die Identität wechseln müssen, weil es Ärger mit der IRA gab.«

»Also weiß O’Connor im Augenblick am meisten.«

»Wie man’s nimmt. O’Connor hört sich gern reden. Ich schätze, er weiß auch nicht mehr als das, was Clohessy ihm erzählt hat.«

»Wenn die Geschichte stimmt«, meinte Bär, »muss die Sache nichts mit unserem Gipfel zu tun haben. Nehmen wir an, Clohessy war tatsächlich bei der IRA. Es gab Ärger, wie du sagst, dann ist es nur natürlich, dass er untertauchen muss. Wer bei den Irisch Republikanischen in Ungnade fällt, kann sein eigenes Grab schaufeln. Er lässt also was springen und verwandelt sich in Ryan O’Dea, einen Mann mit niet- und nagelfester Vita, der es schafft, eine Anstellung an einem deutschen Airport zu bekommen.«

»Warum tut er das?«

»Er will seinen Frieden«, schlug Bär vor.

»Einverstanden. Und weiter.«

»Weiter?« Bär blies die Wangen auf. »Na ja, plötzlich steht O’Connor vor ihm. Seine neue Identität ist geplatzt. Er bekommt Angst und setzt sich ab.«

Lavallier schwieg. Es klang nicht schlecht. Leider klang es auch nicht richtig gut.

»O’Dea und O’Connor sind Studienkollegen und waren befreundet«, sagte er nachdenklich. »Über die Jahre haben sie sich entfremdet, aber Ärger gab’s eigentlich keinen. Jetzt stell dir vor, du bist Clohessy. Dein Persönlichkeitswechsel ist geglückt, du hast die IRA ausgetrickst und dich in Köln etabliert. Eines Tages läuft dir dein alter Kumpel über den Weg und erkennt dich! – Ich meine, klar, du erschrickst, es missfällt dir, aber würdest du deswegen abhauen? Deine mühsam erworbene neue Haut abstreifen? Würde es nicht reichen, O’Connor reinen Wein einzuschenken und ihn zu bitten, um alter Freundschaft willen den Mund zu halten?«

»Was er ja auch getan hat.«

»Eben. Und darum gibt es keinen Grund, einfach so zu verschwinden.«

Bär überlegte.

»Doch«, sagte er. »Zwei sogar.«

Lavallier sah ihn fragend an.

»Erstens«, führte Bär aus, »kann Clohessy nicht wissen, wem O’Connor alles von seiner Entdeckung erzählt hat. Sein Stillschweigen ist also nur die Hälfte wert, selbst wenn er es hoch und heilig verspricht. Zweitens…«

»Ja?«

»…könnte Clohessy Angst vor O’Connor haben.«

»Warum sollte er das?«

Bär zuckte die Achseln.

»Vielleicht ist O’Connor nicht der liebe Onkel. Möglicherweise hatte Clohessy – oder O’Dea, keine Ahnung, wie wir ihn jetzt nennen sollen – berechtigten Grund zu der Annahme, O’Connor würde ihn verpfeifen.«

»Und Kuhn?«

»Ist der Zweite, der Clohessy auf die Spur kommt. Oder wird von O’Connor eingespannt, ebenso wie die Frau. Schau mal, Clohessy hatte doch Recht. O’Connor beschattet ihn, der Lektor treibt sich in seiner Wohnung rum. Also lässt er Kuhn verschwinden und verschwindet dann selbst.«

Lavallier ließ Bärs Theorie sacken. Es war verlockend, daran zu glauben. Sie nahm den Gipfel aus dem Schussfeld.

»O’Deas Wagen habt ihr nicht zufällig gefunden?«, fragte er.

Bär schüttelte den Kopf.

»Wir arbeiten dran. Aber wenn du mich fragst, werden wir ihn nicht finden. Nicht, wenn O’Dea die Flucht ergriffen hat.« Er machte eine Pause. »Womöglich befindet sich Kuhn ja in seiner Gesellschaft.«

Lavallier fuhr sich über die Augen. Was für ein Tag!

»Was schlägst du vor?«

»Fahndungsmeldung«, sagte Bär. »O’Deas Wagen. Er selbst und ein Mann, auf den die Beschreibung Kuhns zutrifft. Ausweitung nach Holland, Belgien, Schweiz und so weiter.«