Während der Erklärung war Hull mit schnellen, katzenartigen Schritten im Raum auf und ab gegangen. Jetzt blieb er stehen und sagte: »Danke, Mr. Jensen. Mein Recht auf Selbstmord bleibt also unanfechtbar. Es ist auch nichts Ungesetzliches dabei, wenn ich eine oder mehrere Personen wie Sie dazu bestimme, den Akt des Selbstmords für mich durchzuführen. Und Ihre Handlungen werden durch den Paragraphen über Genehmigten Mord im Selbstmordgesetz abgesichert. Alles schön und gut. Das einzige juristische Problem ergibt sich durch einen kürzlichen Zusatz zum Selbstmordgesetz.«
Er nickte Mr. Jensen zu.
»Der Zusatz besagt«, sagte Jensen, »daß ein Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort und durch jedes Mittel sich einen Tod aussuchen darf, sofern dieser Tod für niemanden sonst körperliche Schäden mit sich bringt.«
»Das«, sagte Hull, »ist die problematische Klausel. Nun ist eine Jagd eine legale Form des Selbstmords. Man sorgt für einen Zeitpunkt und einen Ort. Sie, die Jäger, jagen mich. Ich, das Opfer, fliehe. Sie fangen mich und töten mich dann. Prima. Bis auf eine Sache.«
Er drehte sich zu dem Anwalt um. »Mr. Jensen, Sie können den Raum verlassen. Ich will Sie nicht zum Beihelfer machen.«
Nachdem der Anwalt gegangen war, sagte Hulclass="underline" »Das eine Problem, das noch bestehen bleibt, ist natürlich die Tatsache, daß ich bewaffnet sein werde und mich sehr anstrengen werde, Sie umzubringen. Jeden von Ihnen. Alle von Ihnen. Und das ist ungesetzlich.«
Hull setzte sich elegant auf einen Stuhl. »Das ist jedoch mein Verbrechen, nicht Ihres. Ich habe Sie eingestellt, um mich zu töten. Sie haben keine Ahnung, daß ich vorhabe, mich zu schützen, mich zu wehren. Das ist zwar eine juristische Fiktion, aber eine, die Sie davor bewahren wird, möglicherweise Beihelfer zu sein. Wenn ich dabei erwischt werde, einen von Ihnen töten zu wollen, dann wird die Strafe sehr hart sein. Aber ich werde nicht erwischt werden. Einer von Ihnen wird mich töten und mich dadurch außer Reichweite der menschlichen Justiz befördern. Wenn ich das Unglück haben sollte, Sie alle umzubringen, dann werde ich meinen Selbstmord auf altmodische Weise selbst durchführen, und zwar mit Gift. Aber das wäre eine Enttäuschung für mich. Ich verlasse mich darauf, daß Sie nicht so schlampig sein werden, das geschehen zu lassen. Noch irgendwelche Fragen?«
Die Jäger murmelten untereinander:
»Gelackter Schnösel, labernder!«
»Vergiß es, alle Opfer reden so.«
»Glaubt wohl, er wär was Besseres als wir, mit seinem eingebildeten Juristengequatsche!«
»Werden ja sehen, wie er mit einem Stück Stahl im Leib redet!«
Hull lächelte kalt. »Ausgezeichnet. Ich glaube, die Situation ist geklärt. Wenn Sie mir nun bitte verraten würden, welche Waffen Sie verwenden.«
Einer nach dem anderen antworteten die Jäger:
»Streitkolben.«
»Netz und Dreizack.«
»Speer.«
»Siebenstern.«
»Bola.«
»Krummsäbel.«
»Gewehr mit Bajonett«, sagte Blaine, als er an der Reihe war.
»Breitschwert.«
»Streitaxt.«
»Säbel.«
»Danke, Gentleman«, sagte Hull. »Ich werde natürlich mit einem Rapier bewaffnet sein, ohne Rüstung. Wir treffen uns am Sonntag zum Morgengrauen auf meinem Grundstück. Der Butler wird Ihnen allen einen Zettel geben, auf dem genaue Anweisungen sind, wie Sie dort hinfinden. Lassen Sie den Bajonettmann hierbleiben. Dem Rest von Ihnen wünsche ich noch einen guten Morgen.«
Die Jäger gingen hinaus. Hull sagte: »Der Bajonettkampf ist eine ungewöhnliche Kunst. Wo haben Sie das gelernt?«
Blaine zögerte, dann sagte er: »In der Armee, von 1943 bis 1945.«
»Sie stammen aus der Vergangenheit?«
Blaine nickte.
»Interessant«, sagte Hull ohne besonderes Interesse zu zeigen. »Dann ist das wohl Ihre erste Jagd, wie?«
»Das ist sie.«
»Sie scheinen einigermaßen intelligent zu sein. Ich nehme an, daß Sie Ihre Gründe dafür haben, solch eine gefährliche und schlecht angesehene Tätigkeit zu wählen?«
»Ich bin knapp bei Kasse«, sagte Blaine, »und ich kann nichts anderes finden.«
»Natürlich«, sagte Hull, als hätte er es die ganze Zeit schon gewußt. »Also haben Sie sich der Jagd zugewandt. Und doch ist die Jagd nichts, dem man sich so einfach zuwendet; und die Bestie Mensch zu jagen ist nichts für jeden. Dieser Beruf erfordert gewisse Fähigkeiten, von denen nicht die unwichtigste die ist, töten zu können. Glauben Sie, daß Sie diese latente Fähigkeit haben?«
»Ich glaube schon«, sagte Blaine, obwohl er sich mit dieser Frage bisher noch nicht beschäftigt hatte.
»Ich weiß nicht«, sagte Hull nachdenklich. »Trotz Ihres kämpferischen Aussehens scheinen Sie mir nicht der Typ zu sein. Was, wenn Sie feststellen sollten, daß Sie nicht dazu in der Lage sind, mich zu töten? Was, wenn Sie im entscheidenden Augenblick, da Stahl auf Stahl trifft, zögern sollten?«
»Ich werd’s riskieren«, sagte Blaine.
Hull nickte freundlich. »Ich auch. Vielleicht glimmt, tief in Ihnen verborgen, der Funken des Mordes. Vielleicht auch nicht. Dieser Zweifel wird das Spiel noch aufregender machen – obwohl Sie vielleicht dann nicht mehr die Zeit dazu haben werden, es zu genießen.«
»Das ist mein Problem«, sagte Blaine und fühlte eine starke Abneigung gegen seinen eleganten und sprachgewandten Arbeitgeber in sich aufwallen. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Betrachten Sie mich als zu Ihren Diensten stehend.«
»Danke. Warum wollen Sie sterben?«
Hull starrte ihn an, dann brach er in Gelächter aus. »Jetzt weiß ich, daß Sie aus der Vergangenheit sind! Was für eine Frage!«
»Können Sie sie beantworten?«
»Natürlich«, sagte Hull. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und seine Augen nahmen den Ausdruck eines Mannes an, der eine Rede formuliert.
»Ich bin dreiundvierzig Jahre alt und der Tage und Nächte müde. Ich bin ein Mann von Reichtum und habe keinerlei Verpflichtungen. Ich habe experimentiert, intrigiert, gelacht, geweint, geliebt, gehaßt, gevöllt, getrunken – zur Genüge. Ich habe alles probiert, was mir die Erde bieten kann, und ich ziehe es vor, diese Erfahrung nicht geistlos immer wieder zu wiederholen. Als ich noch jung war, da stellte ich mir diesen wunderbaren grünen Planeten, der auf so geheimnisvolle Weise um seinen flammenden gelben Lichtspender kreist, als eine Schatztruhe vor, als eine Messingkiste von unermeßlichem Inhalt, voller Freuden, deren Auswirkungen auf meine immer eifrigen Wünsche nicht auszuloten waren. Aber nun habe ich leider länger gelebt, bin älter geworden und habe das Ende der Reize erlebt. Und nun sehe ich, mit welch spießbürgerlicher Selbstzufriedenheit unsere fette runde Erde sich dreht, in sicherem Abstand und in fester Bahn um ihren schimmernden, gefürchteten Stern herum. Und die angebliche Schatztruhe der Erde erweist sich nun als eine gemalte Spielzeugkiste für Kinder, mit wertlosem Inhalt und mittelmäßigen Auswirkungen auf Nerven, die viel zu schnell für alle Reize taub werden.«
Hull blickte Blaine an, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten, dann fuhr er fort.