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»Erste Jagd?« fragte er, als er Blaines sorgfältig gebügelte Khakikleidung erblickte.

Blaine nickte, holte das Gewehr aus dem Plastiksack und befestigte das Bajonett daran. Er überprüfte den Einrastmechanismus, verengte den Gewehrriemen und entfernte das Bajonett wieder.

»Klar«, sagte Blaine mit mehr Zuversicht, als er wirklich hatte.

»Wollen’s hoffen. Burschen wie Hull haben einen Riecher für schwache Schwestern. Sie versuchen, sie so früh wie möglich aus der Horde rauszuschneiden.«

»Wie lang dauert so eine Jagd normalerweise?« fragte Blaine.

»Na ja«, sagte Jones, »die längste, die ich jemals mitgemacht habe, dauerte acht Tage. Das war Asturias, als es meinen Partner Sligo erwischt hat. Normalerweise kann eine Horde ein Opfer in ein bis zwei Tagen aufspüren und erledigen. Hängt davon ab, wie der Bursche sterben will. Manche wollen es so lange wie möglich hinauszögern. Sie laufen in Deckung. Sie verstecken sich in Höhlen und Erdspalten, die dreckigen, hinterhältigen Hunde, und man muß hinter ihnen her und einen Schlag ins Gesicht riskieren. So hat’s Sligo erwischt. Aber ich glaube nicht, daß Hull so ist. Er will wie ein großer starker feuerfressender Kraftprotzheld sterben. Also wird er herumschleichen und Risiken eingehen und sehen, wie viele von uns er mit seinem Schweinestecher abschlitzen kann.«

»Klingt so, als wär dir das nicht recht«, sagte Blaine.

Sammy Jones hob die buschigen Augenbrauen. »Ich halte nichts davon, aus dem Sterben ein großes Spektakel zu machen. Da kommt der Held ja persönlich.«

Hull kam in den Raum geschritten, schlank und elegant in seiner Khakiseide, ein weißes Halstuch lose um den Hals geknotet. Er trug ein leichtes Pack, und an einer Schulter hing ein dünnes, heimtückisch aussehendes Rapier.

»Guten Morgen, Gentleman«, sagte er. »Waffen alle poliert, Packs fertig, Schnürsenkel fest geschnürt? Ausgezeichnet.«

Hull schritt an ein Fenster und zog die Vorhänge auf.

»Sehen Sie das erste Morgendämmern, ein prachtvoller Streif an unserem östlichen Himmel, der Vorbote unseres grimmigen Sonnengottes, der die Jagd regiert! Ich werde jetzt gehen. Ein Diener wird Ihnen mitteilen, wann meine halbstündige Galgenfrist vorüber ist. Dann dürfen Sie mich verfolgen und bei Sichtkontakt töten. Wenn Sie das schaffen sollten! Das Anwesen ist eingezäunt. Ich werde innerhalb seiner Grenzen bleiben, und Sie werden das gleiche tun.«

Hull verneigte sich, dann schritt er schnell und elegant aus dem Raum.

»Gott, wie ich diese gelackten Vögel hasse!« rief Sammy Jones, nachdem die Tür sich wieder geschlossen hatte. »Sind doch alle gleich, jeder einzelne von ihnen. Benehmen sich so kühl und gleichgültig, so verdammt heroisch. Wenn sie nur mal merkten, wie verflucht albern ich sie finde – ich, der ich schon achtundzwanzig von diesen Sachen mitgemacht habe.«

»Warum gehst du auf die Jagd?« fragte Blaine.

Sammy Jones zuckte mit den Schultern. »Mein Vater war ein Axtmann, und er hat mich das Handwerk gelehrt. Es ist das einzige, was ich kann.«

»Du könntest etwas anderes lernen«, meinte Blaine.

»Könnte ich wohl. Tatsache ist, daß ich es genieße, diese aristokratischen Herren umzubringen. Ich hasse jeden einzelnen Bastard von ihnen, die mit ihrem lausigen Jenseits, das sich kein armer Mann leisten kann. Es macht mir Vergnügen, sie zu töten, und wenn ich Geld hätte, ich würde dafür auch bezahlen.«

»Und Hull genießt es, arme Männer wie dich zu töten«, sagte Blaine. »Es ist eine traurige Welt.«

»Nein, nur eine ehrliche«, entgegnete Sammy Jones. »Stell dich auf, ich schnall dir dein Pack rechts fest.«

Als er das erledigt hatte, fragte Sammy Jones: »Hör mal, Tom, warum bleiben wir beide auf dieser Jagd nicht zusammen? Gegenseitiger Schutz und so?«

»Mein Schutz, meinst du wohl«, sagte Blaine.

»Nichts, für das man sich zu schämen braucht«, sagte Jones ihm. »Jedes qualifizierte Handwerk muß erst einmal erlernt werden, bevor man es ausüben kann. Und von welchem Mann kannst du schon besser lernen als von mir, dem Besten der Besten?«

»Danke«, sagte Blaine. »Werd mir Mühe geben, die Fahne hochzuhalten, Sammy.«

»Wirst es schon schaffen. Nun ist dieser Hull ein Fechter, wie er im Buche steht, und Fechter haben so ihre kleinen Tricks, die ich dir verraten werde, während wir losgehen. Wenn er -«

In diesem Augenblick trat ein Diener ein, der einen alten, verzierten Chronometer trug.

Als der Sekundenzeiger die Zwölf überschritten hatte, blickte er die Jäger scharf an.

»Gentlemen«, sagte er, »die Gnadenfrist ist abgelaufen. Die Jagd darf beginnen.«

Die Jäger schritten hinaus in die graue, neblige Dämmerung, wobei Theseus, der Fährtenleser, der seinen Dreizack auf der Schulter balancierte, die Spur sofort entdeckte. Sie führte nach oben, auf einen nebelverhüllten Berg.

Im Gänsemarsch machten sich die Jäger auf den Weg, den Berg zu erklimmen.

*

Schon bald hatte die frühe Morgensonne die Nebel fortgebrannt. Theseus verlor die Spur, als sie auf nackten Granit stießen. Die Jäger verteilten sich in einer gebrochenen Linie über den Bergabhang und schritten weiterhin langsam nach oben.

Gegen Mittag zupfte der Breitschwertmann ein Stückchen khakifarbener Seide aus einem Dornenbusch. Wenige Minuten später entdeckte Theseus Fußspuren im Moos. Sie führten nach unten, in ein enges, dichtbewaldetes Tal. Eifrig stießen die Jäger weiter vor.

»Hier ist er!« rief ein Mann.

Blaine wirbelte herum und sah, wie fünfzig Yards zu seiner Rechten der Mann mit dem Siebenstern vorwärts rannte. Er war der jüngste der Jäger, ein fleischiger, selbstbewußter Sizilianer. Seine Waffe bestand aus einem dicken Eschengriff, an den eine ein Fuß lange Kette befestigt war, an deren Ende eine schwere Kugel mit Dornen hing, der Siebenstern. Er wirbelte die Waffe über seinem Kopf und sang dabei mit voller Lungenkraft.

Sammy Jones und Blaine sprinteten auf ihn zu. Sie sahen, wie Hull mit dem Rapier in der Hand aus dem Gebüsch sprang. Der Sizilianer sprang vor und verteilte einen Schlag, der einen Baum hätte fällen können. Hull hüpfte leichtfüßig beiseite, dann stieß er vor.

Der Siebensternmann gab ein gurgelndes Geräusch von sich und ging zu Boden, am Hals durchstochen. Hull setzte einen Fuß auf seine Brust, zog das Rapier wieder aus dem Körper und verschwand erneut im Unterholz.

»Ich hab nie begreifen können, warum jemand einen Siebenstern verwenden will«, meinte Sammy Jones. »Viel zu klobig. Wenn du den Mann nicht gleich beim ersten Mal triffst, dann erholst du dich nie mehr rechtzeitig davon.«

Der Sizilianer war tot. Hulls Pfad durch das Unterholz war klar zu erkennen. Sie stürzten hinter ihm her, von den meisten Jägern gefolgt, die auf jeder Seite gesonderte Flankensicherungsposten eingeteilt hatten.

Schon bald kamen sie wieder auf Felsgestein und verloren die Fährte.

*

Den ganzen Nachmittag suchten sie ohne Erfolg. Gegen Sonnenuntergang errichteten sie ihr Lager am Berghang, stellten Wachen auf und besprachen den bisherigen Verlauf der Jagd an einem kleinen Lagerfeuer.

»Was meinst du, wo er ist?« fragte Blaine.

»Er kann irgendwo auf dem verdammten Anwesen sein«, meinte Jones. »Vergiß nicht, er kennt hier jeden Fleck Boden. Wir sind zum erstenmal hier.«

»Dann könnte er sich ja unendlich lange vor uns verstecken.«

»Wenn er wollte, ja. Aber er will ja getötet werden, nicht wahr? Auf eine große, schillernde, heldenhafte Weise. Also wird er weiterhin versuchen, uns zu dezimieren, bis wir ihn haben.«

Blaine blickte über die Schulter in den dunklen Wald. »Es könnte ja sein, daß er dort gerade steht und zuhört.«