»Achtet darauf, wo er liegt«, sagte Sammy Jones.
»Er muß einfach tot sein«, meinte der Säbelmann.
»Ist er auch wahrscheinlich. Aber es ist eine Schlamperei, wenn wir uns nicht genau davon überzeugen.«
Beim Abstieg fanden sie Hulls verstümmelten, leblosen Leichnam. Sie markierten die Stelle für das Beerdigungsteam und gingen zurück zum Haus.
XVIII
Die Jäger kehrten gemeinsam in die Stadt zurück und feierten wild. Während des Abends fragte Sammy Jones Blaine, ob er ihm beim nächstenmal Gesellschaft leisten wolle.
»Ich habe einen netten Auftrag oben in Omsk«, sagte Jones. »Ein russischer Adliger will ein paar Gladiatorenkämpfe abhalten. Du müßtest mit einem Speer kämpfen, aber das ist ja das gleiche wie bei einem Gewehr. Ich werd mit dir auf dem Weg dorthin trainieren. Nach Omsk gibt es eine wirklich große Jagd in Manila. Da wollen fünf Brüder zusammen Selbstmord machen. Sie brauchen fünfzig Jäger, um sie abzuschlachten. Was meinst du, Tom?«
Blaine überlegte gründlich, bevor er antwortete. Das Leben eines Jägers war ihm das angenehmste, das er bislang in dieser Welt hatte finden können. Er mochte die rauhe Kameradschaft von Männern wie Sammy Jones, das einfache, geradlinige Denken, das Leben im Freien, das Handeln, das jeden Zweifel ausradierte.
Auf der anderen Seite war da etwas fürchterlich Sinnloses dabei, als bezahlter Killer durch die Welt zu wandern, als moderne, anerkannte Version des Schlägers, des Banditen, des Strauchdiebs. Es war etwas Fruchtloses am Handeln um des Handelns willen, ohne echtes Ziel dahinter, ohne Zweck, ohne Entschlossenheit und ohne Entdeckungsmöglichkeiten. Diese Erwägungen wären nicht aufgekommen, wenn er wirklich gewesen wäre, was sein Körper zu sein schien; aber das war er nicht. Der Gegensatz blieb bestehen, und er mußte sich ihm stellen.
Und schließlich gab es auch noch andere Probleme, die diese Welt ihm stellte, andere Herausforderungen, die seiner Persönlichkeit mehr entsprachen. Und diesen mußte er sich stellen.
»Tut mir leid, Sammy«, sagte er.
Jones schüttelte den Kopf. »Du machst einen Fehler, Tom. Du bist ein geborener Killer. Es gibt nichts anderes für dich.«
»Vielleicht«, sagte Blaine. »Ich muß das selbst herausfinden.«
»Na ja, viel Glück«, sagte Sammy Jones. »Und paß auf deinen Körper auf. Du hast dir einen guten ausgesucht.«
Blaine zuckte automatisch zusammen. »Ist das so offensichtlich?«
Jones grinste. »Ich bin viel herumgekommen, Tom. Ich merke das, wenn ein Mann einen Wirt bewohnt. Wenn dein Geist in diesem Körper geboren wäre, dann würdest du jetzt mit mir auf die Jagd gehen. Und wenn dein Geist in einem anderen Körper geboren wäre -«
»Ja?«
»Dann wärst du überhaupt nicht erst auf die Jagd gegangen. Ist eine schlimme Spaltung, Tom. Du solltest besser rausfinden, für welchen Weg du dich entscheiden willst.«
»Danke«, sagte Blaine. Sie drückten sich die Hände, und Blaine ging zurück zu seinem Hotel.
*
Er trat in sein Zimmer und warf sich in voller Montur aufs Bett. Nach dem Aufwachen würde er Marie anrufen. Aber zunächst einmal mußte er schlafen. Alle Pläne, Gedanken, Probleme, Entscheidungen, sogar Träume mußten warten. Er war zu Tode erschöpft.
Er schaltete das Licht aus. Schon wenige Sekunden später war er eingeschlafen.
*
Einige Stunden danach wachte er mit dem Gefühl auf, daß irgend etwas nicht stimmte. Das Zimmer war dunkel. Alles war ruhiger, schweigender und erwartungsvoller, als das für New York angemessen schien.
Er setzte sich im Bett auf und hörte eine leise Bewegung am anderen Ende des Zimmers, neben dem Waschbecken.
Blaine schaltete das Licht an. Es war niemand sonst im Zimmer. Aber während er zusah, erhob sich das emaillierte Waschbecken in die Luft. Langsam stieg es empor und blieb auf unmögliche Weise ungestützt schweben. Zur gleichen Zeit hörte er ein dünnes, erschütterndes Lachen.
Er wußte sofort, daß er bespukt wurde, und zwar von einem Poltergeist.
Vorsichtig stieg er aus dem Bett und schritt an die Tür. Das schwebende Becken neigte sich plötzlich vor und flog auf seinen Kopf zu. Er duckte sich und das Becken krachte gegen die Wand.
Jetzt schwebte sein Wasserkrug hoch, gefolgt von zwei schweren Bechern. Planlos wirbelnd und torkelnd bewegten sie sich auf ihn zu.
Blaine hob ein Kissen als Schild auf und rannte zur Tür. Die Tür ging nicht auf. Der Poltergeist hielt sie verschlossen.
Der Krug traf ihn hart in die Rippen. Der übriggebliebene Becher kreiste ominös um seinen Kopf herum, und er war gezwungen, sich von der Tür zurückzuziehen.
Er erinnerte sich an die Feuertreppe draußen vor seinem Fenster. Doch der Poltergeist dachte auch daran, als er sich zu bewegen begann. Die Vorhänge gingen plötzlich in Flammen auf. Zur gleichen Zeit fing das Kissen, das er in der Hand hielt, Feuer, und Blaine warf es fort.
»Hilfe!« schrie er. »Hilfe!«
Er wurde in eine Ecke des Raums gedrängt. Rumpelnd rutschte das Bett vor und schnitt ihm den Rückzug ab. Ein Stuhl schwebte langsam hoch und machte sich anstellig, seinen Kopf zu treffen.
Und andauernd war da dieses dünne, erschütternde Lachen, das Blaine beinahe erkannte.
DRITTER TEIL
XIX
Als das Bett auf ihn zukroch, schrie Blaine mit einer Stimme um Hilfe, die die Fensterscheibe erbeben ließ. Die einzige Antwort war das schrille Lachen des Poltergeistes.
Waren denn alle im Hotel taub? Warum antwortete niemand?
Dann wurde ihm klar, daß es völlig in der Natur der Sache lag, daß niemand auch nur daran denken würde, ihm zu helfen. In dieser Welt war Gewalt etwas ganz Normales, und der Tod eines Menschen war allein seine Angelegenheit. Es würde keine Nachfragen geben. Der Hausmeister würde am Morgen einfach das ganze Durcheinander aufräumen und wegwischen, und das Zimmer würde wieder als zu vermieten ausgeschrieben.
Seine Tür war undurchdringbar. Seine einzige Möglichkeit bestand darin, über das Bett zu springen und durch das geschlossene Fenster. Wenn er richtig sprang, dann würde er gegen das hüfthohe Geländer der Feuertreppe fallen. Wenn er zu viel Schwung haben sollte, würde er über das Geländer rollen und drei Stockwerke tief hinab auf die Straße stürzen.
Der Stuhl stieß ihn an die Schulter, und das Bett rumpelte weiter vor um ihn an der Wand festzunageln. Blaine schätzte blitzschnell Winkel und Entfernungen ab, duckte sich zusammen und warf sich gegen das Fenster.
Er traf es völlig richtig; aber er hatte nicht mit den Fortschritten der modernen Wissenschaft gerechnet. Das Fenster bog sich nach außen wie eine Gummischicht und schnappte wieder zurück. Er wurde gegen die Wand geschleudert und stürzte halbbetäubt zu Boden. Als er hochblickte, sah er einen schweren Schrank, der auf ihn zutaumelte und sich zu neigen begann.
Während der Poltergeist seine Wahnsinnskraft gegen den Schrank richtete, wurde die unbewachte Tür aufgestoßen. Smith kam ins Zimmer, sein derbes Zombiegesicht war ausdruckslos, und er lenkte den stürzenden Schrank mit seiner Schulter ab.
»Kommen Sie!« sagte er.
Blaine stellte keine Fragen. Er rappelte sich auf die Beine und packte die Kante der sich schließenden Tür. Mit Smiths Hilfe riß er sie wieder auf, und die beiden Männer schlüpften nach draußen. Im Zimmer hörte er einen überraschten Wutschrei.
Smith eilte durch den Gang, eine kalte Hand hatte er um Blaines Handgelenk gelegt. Sie gingen die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Das Gesicht des Zombies war bleigrau bis auf die purpurne Schramme, wo Blaine ihn getroffen hatte. Die Prellung hatte sich mittlerweile über das ganze Gesicht ausgebreitet und es zu einer scheckigen, grotesken Harlekinmaske gemacht.