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»Sag mal«, fragte Blaine fröhlich, »zu den Dingen, die ich durcheinandergebracht habe, zählst du auch dazu?«

»Ich werde vermutlich meine Stellung verlieren, wenn du das meinst.«

»Das meine ich nicht.«

»Dann solltest du die Antwort kennen … Tom, würdest du bitte New York verlassen?«

»Nein. Und kling nicht so nach Panik!«

»O Gott!« seufzte sie, »wir sprechen zwar dieselbe Sprache, aber ich kann mich dir einfach nicht verständlich machen. Du verstehst es nicht. Ich will es mit einem Beispiel versuchen.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Angenommen, ein Mann hätte ein Segelboot -«

»Kannst du segeln?« fragte Blaine.

»Ja, ich liebe das Segeln. Tom, hör mir zu! Angenommen ein Mann besitzt ein Segelboot, mit dem er eine Ozeanreise unternehmen will -«

»Über das Meer des Lebens«, ergänzte Blaine.

»Sei nicht albern«, sagte sie und sah sehr schön und ernst aus. »Dieser Mann versteht nichts von Booten. Er sieht, wie es auf dem Wasser treibt, daß es hübsch gestrichen ist und daß alles an seinem Platz steht. Er kann sich keinerlei Gefahr vorstellen. Dann schaust du dir das Boot an. Du siehst, daß die Rahmen brüchig sind, im Ruder sitzt der Schiffsbohrwurm, das Deck ist verfault, die Segel verschimmelt, die Kielbolzen sind verrostet und die Vertäuung kann jeden Augenblick reißen.«

»Woher weißt du so viel über Boote?« fragte Blaine.

»Ich bin schon als Kind segeln gegangen. Würdest du mir bitte zuhören? Du sagst dem Mann, daß sein Boot nicht seetüchtig ist, daß er wahrscheinlich beim ersten Windstoß kentern wird.«

»Wir müssen mal irgendwann zusammen segeln gehen«, sagte Blaine.

»Aber dieser Mann«, fuhr Marie unbeirrt fort, »versteht nun einmal nichts von Booten. Das Ding sieht doch ganz gut aus! Und das Schlimmste ist, daß du ihm nicht genau erklären kannst, was passieren wird oder wann. Vielleicht hält das Boot ja noch einen Monat oder ein Jahr oder vielleicht auch nur noch eine Woche. Vielleicht lösen sich die Kielbolzen als erstes, vielleicht geht auch zuerst der Mast zu Bruch. Du weißt es einfach nicht. Und so sieht das hier aus. Ich kann dir nicht sagen, was passieren wird oder wann. Ich weiß nur, daß du nicht seetüchtig bist. Du mußt hier weg!«

Sie blickte ihn hoffnungsvoll an. Blaine nickt und sagte: »Du wärst wirklich eine verdammte Mannschaft.«

»Also gehst du nicht?«

»Nein. Ich bin die ganze Nacht aufgeblieben. Der einzige Ort, an den ich jetzt gehen werde, ist das Bett. Hast du Lust, mitzukommen?«

»Geh zum Teufel!«

»Liebling, bitte! Wo bleibt denn dein Mitleid mit einem heimatlosen Wandersmann aus der Vergangenheit?«

»Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Du kannst gern das Schlafzimmer benutzen. Es wäre besser, wenn du mal über das nachdenken würdest, was ich dir erzählt habe.«

»Klar«, sagte Blaine. »Aber warum sollte ich mir Sorgen machen, wenn du doch auf mich achtgibst?«

»Smith gibt auch auf dich acht«, erinnerte sie ihn. Sie küßte ihn flüchtig und verließ den Raum.

*

Blaine beendete sein Frühstück und legte sich schlafen. Er erwachte früh am Nachmittag, und da Marie noch nicht zurückgekehrt war, hinterließ er ihr eine fröhliche Nachricht mit seiner Hoteladresse.

Während der nächsten paar Tage suchte er die meisten Yacht-Konstruktionsagenturen in New York auf, jedoch ohne Erfolg. Seine alte Firma, Mattison & Peters, existierte schon lange nicht mehr. Die anderen Firmen hatten kein Interesse. Schließlich fragte ihn der Chefkonstrukteur bei Jaakobsen Yacht, Ltd. detailliert über die längst nicht mehr gebauten Chesapeake Bay und Bahamas Arbeitsboote aus. Blaine stellte sein beachtliches Wissen über diese Modelle und sein veraltetes handwerkliches Können unter Beweis.

»Wir haben ab und zu Aufträge für antike Schiffskörper«, sagte der Chefkonstrukteur. »Ich will Ihnen was sagen. Wir stellen Sie als Bürojungen ein. Sie können die klassischen Schiffskörper auf einer Provisionsbasis machen und Ihr Design auf den neuesten Stand bringen, denn das ist, offengestanden, veraltet. Wenn Sie damit fertig sind, dann stufen wir Sie höher ein. Was meinen Sie dazu?«

Es war eine untergeordnete Tätigkeit, aber es war eine Stellung, eine echte Stellung mit guten Aufstiegsmöglichkeiten. Das bedeutete, daß er wirklich einen Platz in der Welt von 2110 gefunden hatte.

»Ich nehme dankend an«, sagte Blaine.

*

An diesem Abend ging er, um das Ereignis zu feiern, in einen Sensoriumsladen, um ein Abspielgerät und ein paar Aufnahmen zu kaufen. Er war der Meinung, daß er sich ein bißchen Grundluxus verdient hatte.

Die Sensorien waren ein untrennbarer Teil von 2110, so allgegenwärtig und beliebt wie es das Fernsehen in Blaines eigener Zeit gewesen war. Größere und raffiniertere Sensoren wurden für Theaterproduktionen verwendet, und Varianten dieser Geräte benutzte man in der Werbung und Propaganda. Sie stellten bis dato die reinste und mächtigste Form des vorfabrizierten Traums dar, der auf jeden genau zugeschnitten war.

Aber es gab wortgewaltige Gegner, die den Trend zur völligen Passivität der Zuschauer ablehnten. Diese Kritiker waren beunruhigt von der großen Leichtigkeit, mit der ein Mensch ein Sensorium aufnehmen und assimilieren konnte; und tatsächlich lief manch eine Hausfrau mit blinden Augen durch den Tag, eine Mystikerin der heutigen Zeit, die permanent an eine ewigwährende schillernde Vision angestöpselt war.

Wenn er ein Buch las oder fernsah, so meinten die Kritiker, dann mußte der Zuschauer sich anstrengen, mitmachen. Die Sensorien jedoch überschwemmten ihn einfach, lebendig, schillernd, hinterhältig und hinterließen den schädlichen, schizophrenen Eindruck, daß die Träume besser und wünschenswerter wären als das Leben. Sensorien waren gefährlich! Zugegeben, es wurde manches auf dem künstlerischen Sektor damit geleistet. (Man konnte Verreho nicht unerwähnt lassen, ebensowenig wie Johnston oder Telkin; und auch Mikkelsen war vielversprechend.) Aber es gab eben nicht viele gute Werke. Und verglichen mit den schädigenden Auswirkungen auf die Psyche, die Verflachung des allgemeinen Geschmacks, dem Trend zur völligen Passivität …

Noch eine Generation, so polterten die Kritiker, und die Menschen wären nicht mehr dazu in der Lage zu lesen, zu denken oder zu handeln!

Es war ein starkes Argument. Aber Blaine, der immerhin über 152 Jahre an Perspektive verfügte, erinnerte sich an fast genau dieselben Argumente, die einmal gegen das Radio, das Kino, die Comichefte, das Fernsehen und die Taschenbücher ins Feld geführt worden waren. Selbst der so geschätzte Roman war einmal dafür getadelt worden, daß er die Normen der reinen Dichtkunst überschritten hatte. Jede Erneuerung wirkte kulturbedrohend und wurde schließlich zu einem Kulturträger, zur Verkörperung der guten alten Tage, zum Geist des Goldenen Zeitalters – um von der nächsten Neuerung wieder bedroht und schließlich zerstört zu werden.

Ob sie nun gut oder schlecht sein mochten, die Sensoren waren nun einmal da. Blaine schritt in ein Geschäft, um daran teilzunehmen.

*

Nachdem er sich mehrere Modelle angeschaut hatte, kaufte er ein Bendixgerät der mittleren Preisklasse. Dann suchte er sich mit Hilfe des Verkäufers drei beliebte Aufnahmen aus und nahm sie in eine Kabine mit, um sie sich anzusehen. Er befestigte die Elektroden an seiner Stirn und stellte die erste an.

Es war eine populäre historische, stark romantisierte Wiedergabe des Chanson de Roland, in einer Niedrigintensitäts-, Nichtidentifikationstechnik hergestellt, die große Schlachtszenen ermöglichte sowie Massenauftritte. Der Traum begann.