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»Einsam? Klar, aber warum wollen Sie mit mir reden?«

Sie sah ihn traurig an. »Stimmt ja, Sie wissen es nicht.«

»Nein, das tue ich nicht«, erwiderte Blaine geduldig. »Warum?«

»Können wir nicht irgendwo hingehen? Ich mag solche Sachen nicht in der Öffentlichkeit sagen.«

»Das werden Sie wohl müssen«, sagte Blaine und dachte daran, daß dies ein äußerst kompliziertes Spiel zu sein schien.

»Also gut«, sagte die Frau, der die Sache ganz offensichtlich peinlich zu sein schien. »Ich bin Ihnen sehr lange nachgegangen, Mr. Blaine. Ich habe herausbekommen, wie Sie heißen und wo Sie arbeiten. Ich mußte mit Ihnen reden. Es liegt alles an Ihrem Körper.«

»Wie?«

»Ihr Körper«, sagte sie ohne ihn anzublicken. »Sehen Sie, es war der Körper meines Mannes, bevor er ihn an die Rex Corporation verkaufte.«

Blaines Mund öffnete sich, aber er konnte keine passenden Worte finden. 

XXIII

Blaine hatte immer gewußt, daß sein Körper sein eigenes Leben gelebt hatte, bevor man ihn ihm gegeben hatte. Er hatte gehandelt, Entschlüsse gefaßt, geliebt, gehaßt, hatte der Gesellschaft seinen eigenen Stempel aufgedrückt und sein eigenes kompliziertes und haltbares Netz von Beziehungen geknüpft. Er hätte sogar annehmen können, daß er verheiratet gewesen war, das war bei den meisten Körpern der Fall. Aber er hatte vorgezogen, nicht darüber nachzudenken. Er hatte sich in dem Glauben gewiegt, daß alles, was mit seinem früheren Besitzer zusammengehangen hatte, bequemlichkeitshalber verschwunden war.

Sein eigenes Zusammentreffen mit Ray Melhills geraubtem Körper hätte ihm eigentlich klar machen sollen, wie naiv diese Einstellung war. Ob es ihm gefiel oder nicht, jetzt mußte er darüber nachdenken.

Sie gingen in Blaines Apartment. Die Frau, Alice Kranch, saß deprimiert auf einer Couchseite und nahm eine Zigarette an.

»Es war so«, sagte sie. »Frank – das war der Name meines Mannes, Frank Kranch – war nie mit irgendwas zufrieden, verstehen Sie? Er hatte einen guten Job als Jäger, aber er war nie zufrieden.«

»Als Jäger?«

»Ja, er war Speermann im China-Geschäft.«

»Hm«, sagte Blaine und überlegte aufs neue, was ihn wohl dazu bewegt hatte, auf diese Jagd zu gehen. Waren es seine eigenen Bedürfnisse gewesen oder Kranchs Reflexe? Es war ärgerlich, wieder mit seinem Geist-Körper-Problem konfrontiert zu werden, jetzt, da er es doch so hübsch gelöst zu haben schien.

»Aber nie war er zufrieden«, sagte Alice Kranch. »Und er war immer wütend über diese reichen, vornehmen Typen, die sich umbringen ließen und ins Jenseits kamen. Er hatte den Gedanken immer gehaßt, einmal wie ein Hund zu sterben.«

»Das kann ich ihm nicht verübeln«, meinte Blaine.

Sie zuckte mit den Schultern. »Was wollen Sie? Frank hatte keine Chance, genug Geld zu machen, um sich eine Jenseitsversicherung zu leisten. Das hat ihn gestört. Und dann hat er diese große Schulterwunde bekommen, die ihn fast erledigt hätte. Ich nehme an, daß Sie immer noch die Narbe haben?«

Blaine nickte.

»Na ja, danach war er jedenfalls nie mehr derselbe. Jäger denken normalerweise nicht viel über den Tod nach, aber Frank hat es getan. Er hat die ganze Zeit darüber nachgedacht. Und dann hat er diese dürre Frau von Rex kennengelernt.«

»Marie Thorne?«

»Die, ja«, sagte Alice. »Es war ein dürres Weib, hart wie Stein und kalt wie ein Fisch. Ich konnte nicht verstehen, was Frank an ihr fand. Na ja, er hat ein bißchen rumgemacht, das tun ja die meisten Jäger. Das liegt an der Gefahr. Aber es gibt Rummachen und Rummachen. Er und diese aufgetakelte Ziege von Rex waren ein Herz und eine Seele. Ich verstand einfach nicht, was Frank an ihr fand. Ich meine, sie war doch so dürr und so verkrampft. Auf eine verkniffene Art und Weise war sie ja auch hübsch, aber sie sah so aus, als würde sie ihre Kleider nicht ausziehen, wenn sie ins Bett geht, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Blaine nickte, ein wenig schmerzlich berührt. »Fahren Sie fort.«

»Na ja, Geschmäcker sind ja manchmal ein Rätsel, aber ich hatte gedacht, daß ich Franks Geschmack doch kennen würde. Und das war wohl auch so, denn es stellte sich heraus, daß er nichts mit ihr gehabt hatte. Es war alles rein geschäftlich. Eines Tages kam er und sagte: ›Baby, ich werde dich verlassen. Ich mache eine dicke Reise ins Jenseits. Und für dich springt auch ein hübscher Batzen Kleingeld dabei heraus.‹«

Alice seufzte und wischte sich die Augen. »Dieser große Trottel hatte seinen Körper verkauft! Rex hatte ihm eine Jenseitsversicherung gegeben und eine Jahresrente für mich, und er war so verdammt stolz auf sich selbst! Na ja, ich habe mir den Mund fusselig geredet und versucht, ihn davon abzubringen. Aber nein, er wollte sein Stück vom Himmel abhaben. Seiner Meinung nach war er sowieso fällig, und bei der nächsten Jagd, meinte er, würde es ihn sowieso erwischen. Also ist er fortgegangen. Er hat einmal von der Schwelle aus mit mir geredet.«

»Ist er immer noch dort?« fragte Blaine mit einem Prickeln im Nacken.

»Ich habe schon über ein Jahr nichts mehr von ihm gehört«, sagte Alice. »Deshalb nehme ich an, daß er ins Jenseits übergewechselt ist. Dieser Bastard!«

Sie weinte eine Zeitlang, dann wischte sie sich mit einem winzigen Taschentuch und blickte Blaine traurig an. »Ich wollte Sie nicht belästigen. Schließlich war es Franks eigener Körper, er hatte das Recht, ihn zu verkaufen, und jetzt gehört er Ihnen. Ich habe keine Ansprüche an den Körper oder an Sie. Aber ich bin so traurig geworden, so einsam.«

»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte Blaine und dachte, daß sie ganz gewiß nicht sein Typ war. Objektiv gesehen war sie schon recht hübsch. Hausbacken, aber überzogen. Ihre Gesichtszüge waren wohlgeformt, kräftig und von lebhafter Farbe. Ihr Haar war, wenn auch nicht echt rot, schulterlang und seidig. Sie war die Art von Frau, die er sich mit in die Hüften gestemmten Armen dabei vorstellen konnte, einem Polizisten die Meinung zu sagen; ein Fischernetz einzuholen; zu einer Flamencogitarre zu tanzen; oder Ziegen auf einem Bergpfad hütend, mit einem vollen langen Kleid, das um ihre üppigen Hüften wirbelte, mit unordentlicher Bäuerinnenbluse.

Aber sie war ziemlich geschmacklos.

Frank Kranch jedoch, erinnerte er sich selbst, hatte sehr wohl an ihr Geschmack gefunden. Und er trug Kranchs Körper.

»Die meisten unserer Bekannten«, sagte Alice eben, »waren Jäger im China-Geschäft. O ja, sie sind manchmal vorbeigekommen, nachdem Frank gegangen war. Aber Sie kennen ja die Jäger, die denken immer nur an eins.«

»Tatsache?« fragte Blaine.

»Ja. Da bin ich von Peking fortgezogen und zurück nah New York gegangen, wo ich geboren bin. Und eines Tages habe ich Frank gesehen – ich meine Sie. Ich wäre fast auf der Stelle ohnmächtig geworden. Ich meine, ich hätte es mir ja denken können und so, aber man bekommt doch einen ganz schönen Schock, wenn man plötzlich den Körper des eigenen Mannes herumlaufen sieht.«

»Kann ich mir denken«, sagte Blaine.

»Also bin ich Ihnen gefolgt und so weiter. Ich wollte Sie eigentlich niemals belästigen, aber es hat mich die ganze Zeit aus der Fassung gebracht. Und ich hab mir Gedanken gemacht, was das wohl für ein Mann ist, der … ich meine, Frank war so – na ja, wir beide kamen sehr gut miteinander aus, wenn Sie verstehen was ich meine.«

»Natürlich«, sagte Blaine.

»Jetzt halten Sie mich bestimmt für schrecklich.«

»Überhaupt nicht«, sagte Blaine. Sie blickte ihm voll ins Gesicht, mit einem traurigen und koketten Ausdruck. Blaine spürte, wie Kranchs alte Narbe pulsierte.

Aber denk dran, sagte er sich, Kranch ist fort. Alles ist jetzt Blaine, Blaines Wille, Blaines Art, Blaines Geschmack …