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Nicht wahr?

Dieses Problem muß gelöst werden, dachte er, als er die willige Alice packte und sie mit einer un-Blaineschen Heftigkeit küßte …

*

Am Morgen machte Alice das Frühstück. Blaine saß da, starrte aus dem Fenster und hing trübseligen Gedanken nach.

Die letzte Nacht hatte ihm unwiderlegbar unter Beweis gestellt, daß Kranch immer noch der Herrscher über den Kranch-Blaine-Geist-Körper war. Denn letzte Nacht war er ganz und gar nicht er selbst gewesen. Er war wild, gewalttätig, grob, wütend und exaltiert gewesen. Er war all die Dinge gewesen, die er immer verabscheut hatte, er hatte mit einer Unbeherrschtheit gehandelt, die an Wahnsinn gegrenzt haben mußte.

Das war nicht Blaine. Das war Kranch, der Körper im Triumph.

Blaine hatte immer Delikatheit, Subtilität und den Sinn für Nuancen geschätzt. Vielleicht zu sehr. Aber das waren jedenfalls seine Tugenden gewesen, der Ausdruck seiner individuellen Persönlichkeit. Mit ihnen zusammen war er Thomas Blaine. Ohne sie war er weniger als nichts – ein Schatten, der von dem stets triumphierenden Kranch geworfen wurde.

Mißmutig dachte er an die Zukunft. Er würde den Kampf aufgeben, tun, was sein Körper verlangte; ein Kämpfer werden, ein Raufbold, ein triebbesessener Vagabund. Vielleicht würde er sich mit der Zeit daran gewöhnen, es vielleicht sogar genießen …

»Das Frühstück ist fertig«, sagte Alice.

Schweigend aßen sie vor sich hin, und Alice betastete vorsichtig und trübsinnig eine Schramme an ihrem Unterarm. Schließlich hielt Blaine es nicht länger aus.

»Hören Sie«, sagte er, »es tut mir leid.«

»Was?«

»Alles.«

Sie lächelte blaß. »Das ist schon in Ordnung. Ist ja eigentlich meine Schuld.«

»Das bezweifle ich. Kann ich bitte mal die Butter haben?« sagte Blaine.

Sie reichte ihm die Butter. Schweigend aßen sie eine Weile. Dann sagte Alice: »Ich bin sehr sehr dumm gewesen.«

»Wieso?«

»Ich bin wohl einem Traum nachgejagt«, sagte sie. »Ich habe mir eingebildet, daß ich Frank wiederfinden könnte. Eigentlich bin ich nicht so, Mr. Blaine. Aber ich dachte, es würde sein wie mit Frank.«

»Und das war es nicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

Blaine stellte sorgfältig seine Kaffeetasse ab. Er sagte: »Ich nehme an, daß Kranch gröber war. Ich schätze, er hat Sie von Wand zu Wand geschmissen. Ich vermute -«

»O nein!« rief sie. »Niemals! Mr. Blaine, Frank war ein Jäger und führte ein hartes Leben. Aber bei mir war er immer ein vollkommener Gentleman. Er hatte Manieren, das hatte Frank.«

»Hatte er?«

»Und ob! Frank war immer zärtlich zu mir, Mr. Blaine. Er war – delikat, falls Sie wissen, was ich meine. Nett. Sanft. Er war niemals, niemals grob. Um die Wahrheit zu sagen, er war das genaue Gegenteil von Ihnen, Mr. Blaine.«

»Hmpf«, meinte Blaine.

»Nicht, daß ich was an Ihnen auszusetzen hätte«, fügte sie mit hastiger Freundlichkeit hinzu. »Sie sind ja schon ein bißchen rauh, aber solche Leute muß es ja wohl auch geben.«

»Tja, das glaube ich auch«, brummte Blaine. »Das glaube ich ganz bestimmt.«

In peinlichem Schweigen beendeten sie ihr Frühstück. Alice, von ihrem obsessiven Tun befreit, ging sofort danach fort, ohne auch nur anzudeuten, daß sie einander einmal wiedersehen sollten. Blaine saß in seinem großen Sessel, starrte aus dem Fenster und dachte nach.

Er war also nicht wie Kranch!

Die bittere Wahrheit, sagte er sich, war, daß er sich verhalten hatte, wie er sich Kranch unter ähnlichen Umständen vorgestellt hatte. Es war die reine Auto-Suggestion gewesen. Auf hysterische Weise hatte er sich eingeredet, daß ein starker, aktiver, herzhafter Naturbursche eine Frau notwendigerweise behandeln mußte wie ein Stemmeisen.

Er hatte sich stereotypisch verhalten. Er wäre sich noch viel alberner vorgekommen, wenn er nicht so erleichtert gewesen wäre, seine bedrohte Blainehaftigkeit wiedergewonnen zu haben.

Er zog eine Grimasse, als er an Alices Beschreibung von Marie dachte: Dürr, hart wie Stein, kalt wie ein Fisch. Noch mehr Stereotypen!

Aber wenn man die Umstände bedachte, konnte er es Alice kaum verübeln. 

XXIV

Ein paar Tage darauf erhielt Blaine eine Mitteilung, daß bei der Geistervermittlung eine Nachricht auf ihn warte. Er fuhr nach der Arbeit dort hin und wurde in die gleiche Kabine geschickt, die er schon beim ersten Mal benutzt hatte.

Melhills verstärkte Stimme sagte: »Hallo Tom!«

»Hallo Ray! Hab mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist.«

»Ich bin immer noch auf der Schwelle«, erzählte Melhill. »Aber nicht mehr lange. Ich muß los und nachsehen, wie es im Jenseits ist. Es zieht mich an. Aber ich wollte mal wieder mit dir reden, Tom. Ich glaube, du solltest dich vor Marie Thorne hüten.«

»Also Ray -«

»Ich meine es. Sie hat ihre ganze Zeit bei Rex verbracht. Ich weiß nicht, was dort vorgeht, sie haben ihre Konferenzräume gegen psychisches Eindringen geschützt. Aber irgend etwas braut sich über dir zusammen und sie steckt mittendrin.«

»Ich halte die Augen offen«, sagte Blaine.

»Tom, befolge bitte meinen Rat. Verlasse New York. Hau ab, solange du noch einen Körper und einen Geist hast, mit denen du abhauen kannst.«

»Ich bleibe«, sagte Blaine.

»Du sturer Bastard«, sagte Melhill gefühlvoll. »Was bringt es denn, einen Schutzgeist zu haben, wenn du dich niemals nach seinen Ratschlägen richtest?«

»Ich weiß deine Hilfe zu schätzen«, sagte Blaine. »Wirklich. Aber sag mir doch mal ehrlich, um wieviel es mir besser erginge, wenn ich jetzt weglaufen würde?«

»Du könntest ein kleines bißchen länger leben.«

»Nur ein kleines bißchen? Ist es so schlimm?«

»Schlimm genug. Tom, denk dran, niemandem zu vertrauen. Ich muß jetzt gehen.«

»Werde ich nochmal mit dir reden, Ray?«

»Vielleicht«, sagte Melhill. »Vielleicht auch nicht. Viel Glück, Junge!«

Das Gespräch war zu Ende und Blaine kehrte in sein Apartment zurück.

*

Der nächste Tag war ein Sonntag. Blaine stand erst spät auf, machte Frühstück und rief Marie an. Sie war nicht da. Er beschloß, den Tag damit zu verbringen, sich zu entspannen und seine Sensorien abzuspielen.

An diesem Nachmittag hatte er zwei Besucher.

Als erstes kam eine sanfte, bucklige alte Frau in einer dunklen, strengen Uniform. An ihrer armeeähnlichen Mütze standen die Worte ›Alte Kirche‹.

»Sir«, sagte sie mit einer etwas kurzatmigen Stimme, »ich sammle für die Alte Kirche, eine Organisation, die in diesen verworrenen und gottlosen Zeiten den Glauben zu fördern trachtet.«

»Tut mir leid«, sagte Blaine und wollte die Tür schließen.

Doch die alte Frau mußte schon viele Türen erlebt haben, die sich ihr verschließen wollten. Sie klemmte sich zwischen Tür und Angel und redete weiter.

»Junger Mann, dies ist das Zeitalter des babylonischen Tieres und die Zeit der Vernichtung der Seelen. Dies ist das Zeitalter des Satan und seines vorgeblichen Triumphes. Aber lassen Sie sich nicht täuschen! Der Allmächtige hat dies zugelassen als eine Zeit der Prüfung, um die Spreu vom Weizen zu scheiden. Hüten Sie sich vor der Versuchung! Hüten Sie sich vor dem Pfad des Bösen, der glitzernd und verlockend vor Ihnen liegen mag!«

Blaine gab ihr einen Dollar, damit sie endlich den Mund hielte. Die Alte dankte ihm, redete aber weiter.

»Hüten Sie sich vor dieser letzten Falle des Satans – vor jenem falschen Himmel, den die Menschen das Jenseits nennen! Denn welch bessere Falle konnte Satan der Verblender wohl aufstellen, wenn nicht diese, seine größte Illusion! Die Illusion, daß die Hölle der Himmel sei! Und die Menschen werden verblendet von dieser heimtückischen Täuschung und liefern sich ihr willentlich aus!«