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»Wenn Ihr Plan Wirklichkeit würde«, sagte Blaine, »dann hätten wir lediglich einen Haufen Neurotiker, die jeden Tag ihre Körper wechseln würden.«

»Das gleiche verallgemeinernde Argument ist auch gegen die Einführung jeder anderen Freiheit eingewandt worden«, sagte Joe glitzernden Auges. »Die ganze Geschichte hindurch wurde behauptet, daß der Mensch nicht klug genug sei, seine eigene Religion zu wählen, oder daß Frauen einfach nicht die Intelligenz hätten, zur Wahl zu gehen, weil sie nur dämliche Entscheidungen fällen würden. Und natürlich gibt es ja auch einen Haufen von Neurotikern, die selbst den Himmel noch versauen würden. Aber es gibt eine viel größere Anzahl von Leuten, die mit ihrer Freiheit vernünftig umgehen.«

Joe senkte seine Stimme zu einem beschwörenden Flüsterton. »Sie müssen erkennen, Mr. Blaine, daß der Mensch nicht sein Körper ist, denn seinen Körper hat er willkürlich bekommen. Er ist nicht seine Talente, denn die wurden durch seine Erbmasse und seine frühen Umweltfaktoren bedingt. Er ist nicht die Krankheiten, für die er anfällig ist, und er ist auch nicht die Umwelt, die ihn prägt. Ein Mensch beinhaltet all diese Dinge, aber ist mehr als die Summe ihrer Teile. Er hat die Macht, seine Umwelt zu verändern, seine Krankheiten zu heilen, seine Fähigkeiten zu fördern – und, schließlich, seinen Körper und seine Talente selbst zu wählen! Das ist die nächste Freiheit, Mr. Blaine. Sie ist historisch unvermeidbar, ob es mir, Ihnen oder der Regierung nun paßt oder nicht. Denn der Mensch braucht jede nur mögliche Freiheit!«

Joe beendete seine etwas heftige und unzusammenhängende Rede und schnappte nach Luft. Sein Gesicht war rot angelaufen. Blaine starrte den kleinen Mann mit neugewonnenem Respekt an. Er hatte, sagte er sich, einen echten Revolutionär des Jahres 2110 vor sich.

Orc sagte: »Er hat recht, Tom. In Schweden und Ceylon ist die Transplantation erlaubt, und sie scheint der öffentlichen Moral keinen besonderen Abbruch getan zu haben.«

»Eines Tages«, sagte Joe und schenkte sich ein Glas Wein ein, »wird die ganze Welt für die Transplantation sein. Das ist unvermeidlich.«

»Vielleicht«, meinte Orc. »Vielleicht erfindet auch jemand eine neue Freiheit, die sich an ihre Stelle setzt. Jedenfalls können Sie sehen, Tom, daß die Transplantation eine gewisse moralische Berechtigung hat. Und außerdem ist sie die einzige Möglichkeit, Ihren Körper zu retten. Was meinen Sie dazu?«

»Sind Sie auch ein Revolutionär?« fragte Blaine.

Orc grinste. »Könnte sein. Ich schätze, ich bin wie die Blockadebrecher während des amerikanischen Bürgerkrieges oder wie die Burschen, die Waffen an Revolutionäre in Mittelamerika verkauft haben. Sie haben es getan, um Gewinn zu machen, aber sie waren auch nicht gegen gesellschaftlichen Wandel.«

»Na ja, na ja«, meinte Blaine sardonisch. »Und ich dachte bisher immer, daß Sie beide ganz gewöhnliche Kriminelle wären!«

»Vergessen Sie’s«, sagte Orc freundlich. »Sind Sie bereit, es zu versuchen?«

»Natürlich«, sagte Blaine, »ich bin überwältigt. Ich hätte nie gedacht, daß ich mich einmal an der Spitze einer gesellschaftlichen Revolution wiederfinden würde.«

Orc lächelte und sagte: »Schön. Wollen hoffen, daß es klappt, Tom. Krempeln Sie Ihren Ärmel hoch. Es ist besser, wir fangen sofort an.«

Blaine krempelte seinen Ärmel hoch, während Orc eine Injektionsspritze aus einer Schublade holte.

»Die soll Sie nur betäuben«, erklärte Orc. »Die Yogamaschine ist nebenan. Sie funktioniert wirklich. Wenn Sie Ihr Bewußtsein wiedererlangen, werden Sie sich als Gast in einem anderen Geist aufhalten, und Ihr Körper reist tiefgefroren übers Land. Sobald es sicher ist, werden die beiden wieder zusammengeführt.«

»Wie viele Geister werde ich bewohnen?« fragte Blaine. »Und wie lange?«

»Ich weiß nicht, wieviel wir brauchen werden. Was die Länge angeht, die schwankt, ein paar Sekunden, Minuten, vielleicht eine halbe Stunde. Wir werden Sie so schnell wie möglich weiterbewegen. Sehen Sie, das hier ist keine volle Transplantation. Sie werden nicht den Körper übernehmen. Sie werden nur einen kleinen Teil des Bewußtseins besetzthalten, als Beobachter. Also bleiben Sie ruhig, und verhalten Sie sich neutral. Alles klar?«

Blaine nickte. »Aber wie funktioniert denn diese Yogamaschine?«

»Wie Yoga«, sagte Orc. »Die Maschine macht ganz einfach das, was Sie selbst machen könnten, wenn Sie richtig in Yoga ausgebildet wären. Sie entspannt jeden Muskel und Nerv Ihres Körpers, bündelt und beruhigt Ihren Geist, baut Ihre Konzentration mit auf. Wenn Sie genug Energie aufgebaut haben, dann können Sie eine Astralprojektion durchführen. Das macht die Maschine auch für Sie. Sie hilft Ihnen, Ihren Körper loszulassen, was ein Adept des Yoga auch ohne mechanische Hilfe tun könnte. Sie projiziert Sie zu der Person, die wir für Sie ausgewählt haben und die Ihnen Platz freimacht. Den Rest erledigt die Anziehungskraft. Sie schlüpfen hinein wie ein gestrandeter Fisch zurück ins Wasser.«

»Klingt riskant«, sagte Blaine. »Was ist, wenn ich nicht reinkommen sollte?«

»Mann, Sie können gar nichts dagegen tun, reinzukommen! Hören Sie, Sie haben doch bestimmt schon mal von dämonischer Besessenheit gehört, nicht wahr? Leute, die von sogenannten Dämonen beherrscht werden? Dieser Gedanke zieht sich durch den größten Teil der Volksüberlieferungen auf der ganzen Welt. Manche der Besessenen waren natürlich schizophren, und manche waren echte Betrüger. Aber es gab eine Menge Fälle echter spiritueller Invasion, bei der Geister von anderen in Besitz genommen wurden, die es verstanden, aus ihrem eigenen Körper zu scheiden und sich in einen anderen zu begeben. Die Invasoren haben die Gewalt ohne mechanische Hilfe übernommen, und zwar gegen einen echten, starken Widerstand ihrer Opfer. In Ihrem Fall besitzen wir die Yogamaschine, und die Leute sind bereit, Sie einzulassen. Warum sollten Sie sich also Sorgen machen?«

»Also gut«, sagte Blaine. »Wie ist es auf den Marquesas?«

»Schön«, sagte Orc und stach die Nadel in den Arm. »Es wird Ihnen gefallen.«

Blaine trieb langsam in die Besinnungslosigkeit; er dachte an Palmen, an schäumende Wellen, die gegen Korallenriffs peitschten und an Mädchen mit dunklen Augen, die einem steinernen Götzen dienten. 

XXX

Es gab kein Gefühl des Aufwachens, kein Gefühl des Übergangs. Wie eine brillant gefärbte Dia-Aufnahme, die auf eine weiße Leinwand projiziert wurde, war er abrupt wieder bei Bewußtsein. Plötzlich erwachten die Marionetten zappelnd zum Leben, und er handelte und bewegte sich.

Er war nicht völlig Thomas Blaine. Er war auch Edgar Dyersen. Oder er war Blaine innerhalb Dyersen, ein integraler Bestandteil von Dyersens Körper, ein Teil von Dyersens Geist, der die Welt durch Dyersens matte Augen betrachtete, Dyersens Gedanken dachte und alle schattigen halbbewußten Fragmente von Dyersens Erinnerungen, Hoffnungen, Ängsten und Wünschen erfuhr. Und doch war er immer noch Blaine.