»Vielen Dank, Mr. Davis«, erwiderte Blaine.
»Im Gegenteil, ich habe Ihnen noch einmal dafür zu danken, daß Sie auf meine Anzeige geantwortet haben«, sagte Davis. »Ich suche schon seit Jahren einen anständigen Bootsausstatter. Sie können sich das gar nicht vorstellen! Und, ganz offen zugegeben, ich hätte nie gedacht, daß ich einmal einen Mann von Ihren Qualifikationen finden würde.«
»Mmmmm«, sagte Blaine, angenehm überrascht von der Gründlichkeit, mit der Orc hier alles vorbereitet zu haben schien.
»Gibt nicht viele Leute, die sich mit der Bootsbaukunst des 20. Jahrhunderts auskennen«, meinte Davis traurig. »Eine aussterbende Kunst – Haben Sie sich schon auf der Insel umgesehen?«
»Gerade eben, ganz kurz«, erwiderte Blaine.
»Meinen Sie, Sie könnten es hier aushalten?« fragte Davis gespannt. »Sie haben keine Ahnung, wie schwer es ist, einen guten Yachtausstatter zu finden, der sich in einem so stillen, abgelegenen Hafen niederlassen will. Sie wollen alle in die großen Boomstädte wie Papete oder Apia. Ich weiß, daß dort natürlich auch besser bezahlt wird, und es gibt mehr Nachtleben, Vergnügen, Gesellschaft und all diese Dinge. Aber Taiohae hat seinen eigenen Zauber.«
»Was Städte angeht, reicht es mir eine ganze Weile«, antwortete Blaine lächelnd. »Ich werde es hier lange aushalten, Mr. Davis.«
»Prima, prima!« rief Davis. »Lassen Sie sich ruhig erst mal ein paar Tage Zeit hier, bevor Sie zur Arbeit kommen. Ruhen Sie sich aus, lassen Sie es langsam angehen, schauen Sie sich gemütlich unsere Insel an. Es ist das letzte Überbleibsel des primitiven Polynesiens, wissen Sie. Hier sind die Schlüssel zu Ihrem Haus, Mr. Elgin. Nr. 1, Temetiu Road, gleich hier vorne den Berg hoch. Soll ich Ihnen den Weg zeigen?«
»Ich finde ihn schon«, versicherte Blaine. »Vielen herzlichen Dank, Mr. Davis.«
»Ich habe Ihnen zu danken, Mr. Elgin. Ich schau morgen mal bei Ihnen vorbei, nachdem Sie sich hier ein bißchen eingelebt haben. Dann kann ich Sie mit den Leuten hier bekanntmachen. Die Frau des Bürgermeisters gibt Donnerstag gerade eine Party. Oder ist es Freitag? Wie auch immer, ich finde es raus und laß es Sie wissen.«
Sie schüttelten sich die Hände, und Blaine ging zur Temetiu Road hinauf, wo sein neues Zuhause lag.
Es stellte sich als kleiner, frisch gestrichener Bungalow mit einem spektakulär schönen Blick über Nuku Hivas drei südliche Buchten heraus. Blaine bewunderte minutenlang die Aussicht, dann probierte er die Türe. Sie war unverschlossen, und er ging hinein.
»Es wurde Zeit, daß du dich hier sehen läßt.«
Blaine starrte sich die Augen aus dem Kopf und wollte nicht glauben, was er da sah.
»Marie!«
*
Sie schlank, begehrenswert, lieb und kühl wie immer. Aber sie war nervös. Sie redete sehr schnell und vermied, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich dachte, es wäre am besten, wenn ich die letzten Arrangements an Ort und Stelle treffe«, sagte sie. »Ich bin seit zwei Tagen hier und warte auf dich. Du hast Mr. Davis schon getroffen, nehme ich an. Er scheint ein sehr netter Bursche zu sein.«
»Marie …«
»Ich habe ihm erzählt, ich wäre deine Verlobte«, fuhr sie fort. »Ich hoffe, das macht dir nichts aus, Tom. Ich brauchte dringend irgendeine Entschuldigung, um meine Anwesenheit hier zu erklären. Ich habe erzählt, ich wäre früher gekommen, um dich zu überraschen. Mr. Davis war ganz entzückt, denn er möchte nichts lieber, als daß sein Bootsausstatter sich hier niederläßt und Familie gründet. Ist das schlimm, Tom? Wir können immer noch sagen, wir hätten die Verlobung kurzfristig aufgelöst …«
Blaine nahm sie in den Arm und sagte: »Ich möchte die Verlobung aber nicht auflösen. Ich liebe dich, Marie.«
»O, Tom, Tom, ich liebe dich!« Sie drückte ihn wild an sich und trat dann schnell zurück. »Wir sollten dann besser bald die offizielle Heirat vorbereiten, wenn es dir nichts macht. Sie sind hier sehr prüde und altmodisch, weißt du, ist noch echtes 20. Jahrhundert.«
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte Blaine. »Doch, doch.«
Sie sahen einander an und brachen dann in schallendes Gelächter aus.
XXXII
Marie bestand darauf, im South Sea Motel zu wohnen, bevor sie offiziell geheiratet hatten. Blaine schlug eine stille Zeremonie vor einem Friedensrichter vor. Aber Marie überraschte ihn mit dem Wunsch, das größte Hochzeitsfest zu veranstalten, das in Taiohae möglich war. Es fand am Sonntag statt, im Haus des Bürgermeisters.
Mr. Davis lieh ihnen einen kleinen Kutter seines Bootsbüros. Bei Sonnenaufgang setzten sie Segel für eine Hochzeitskreuzfahrt nach Tahiti.
Für Blaine wurde die Fahrt zu einem köstlichen, schwebenden Traum. Sie segelten über eine See aus grüner Jade und sahen den Mond, gelb und riesig, vom Mastkreuz des Kutters gevierteilt. Die Sonne hob sich aus langen, schwarzen Wolken, erreichte den Zenit und stieg wieder hinab, wobei sie die See in eine schimmernde Schale voller flüssigem Messing verwandelte. Sie gingen in der Lagune von Papete vor Anker und sahen die Berge von Moorea, die im Sonnenuntergang brannten und phantastischer waren als die Berge des Mondes. Und Blaine erinnerte sich an einen Tag an der Chesapeake Bay, als er geträumt hatte: Oh, Raiatea, die Berge von Moorea, der frische Handelswind …
Ein Kontinent und ein Ozean hatte ihn von Tahiti getrennt und noch einige andere Dinge mehr. Aber das war in einem anderen Jahrhundert gewesen.
Irgendwann kehrten sie schließlich nach Taiohae zurück. Marie übernahm den Haushalt, und Blaine begann mit seiner Arbeit auf der kleinen Werft von Davis’ Bootsbüro.
*
Gespannt warteten sie die nächsten Wochen ab, was sich in New York tat, lasen aufmerksam die Zeitungen, warteten auf die weiteren Reaktionen von Rex. Aber das Unternehmen rührte sich nicht, kein Anzeichen für eine weitere Verfolgung, war auszumachen. So entschieden sie, daß die unmittelbare Gefahr vorüber sein mußte. Trotzdem waren sie erst richtig erleichtert, als sie zwei Monate später lasen, daß Rex die Blaine-Jagd offiziell eingestellt hatte.
Blaines Job für Davis war interessant und abwechslungsreich. Die Inselkutter mußten überholt und gewartet werden, oder repariert, wenn sie ihre Schrauben gebrochen oder die Maschine beschädigt hatten. Ein verborgenes Korallenriff riß schon einmal die Planken einer der wertvollen antiken Ferienyachten auf. Dann mußten die Unterwasserboote überholt werden, die den submarinen Pflanzern aus der Umgebung gehörten, für die Taiohae als Nachschubbasis diente. Und dann gab es auch manchmal Auftrag, einen Schoner zu bauen oder ein Dingi.
Blaine kam mit allen praktischen Fragen gut zurecht. Er arbeitete mit Liebe und großem Geschick. Nach einiger Zeit begann er den ein oder anderen PR-Artikel für das Bootsbüro im ›South Sea Courier‹ zu veröffentlichen. Das brachte neue Kunden, mehr Arbeit und schließlich die Notwendigkeit, mit einigen kleineren Bootswerften der Umgebung zu kooperieren. Blaine schaffte das alles und übernahm von Mr. Davis die Arbeitsplanung und die Werbung.
Bald unterschied sich sein Job als Bootsausstatter hier kaum noch von einem gewissen Job als Yachtbauer, den er einmal gehabt hatte. Aber das machte Blaine nichts mehr. Er hatte festgestellt, daß dies offenbar die Arbeit sein mußte, für die er bestimmt war, und er akzeptierte diese Bestimmung.
Sein Leben wurde zu einer angenehmen Routine zwischen dem Bootsbüro und dem weißen Bungalow. Samstags abends Kino, die Mikrofilm-Sunday Times am nächsten Morgen, kleine Besuche bei den umliegenden Unterwasserfarmen, Partys im Bürgermeisterhaus und Poker im Yacht Club, harte Segeltouren über die Comptroller Bay und Schwimmen im Mondlicht am Temoua-Strand. Blaine begann zu denken, daß sein Leben hier seine endgültige und definitive Form angenommen hatte.