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Hatte Reilly es gewußt?

Er erinnerte sich, wie Sammy Jones nach der Jagd zu ihm sagte: »Tom, du bist der geborene Killer. Für dich gibt es nichts anderes.«

Hat Sammy es geahnt?

Und nun der entscheidende Augenblick, der signifikanteste Augenblick seines Lebens – sein Tod im Jahre 1958. Ganz lebendig stand ihm wieder alles vor Augen.

Das Steuer war wieder frei, aber Blaine ignorierte es, fühlte mit einer plötzlichen wilden Aufregung, einem blitzartigen Stimmungswechsel, daß er den Unfall wünschte, daß er Lust darauf hatte, wilde, böse Lust nach Schmerz und Grausamkeit und Tod …

Blaine schüttelte sich, als er noch einmal den Augenblick durchlebte, den er doch sicher vergessen zu haben glaubte – den Augenblick, in dem er die Katastrophe noch hätte verhindern können, und es doch vorgezogen hatte, zu töten.

Er hob den Kopf und sah seine Frau an. »Ich habe ihn getötet. Das weiß Robinson von mir. Und jetzt weiß ich es auch selbst.« 

XXXV

In Ruhe erklärte er Marie alles. Sie weigerte sich zunächst, ihm zu glauben.

»Es ist so weit in der Vergangenheit, Tom! Wie kannst du sicher sein, was damals wirklich passiert ist?«

»Ich bin sicher«, sagte Blaine. »Ich glaube nicht, daß irgend jemand je die Art vergessen kann, auf die er stirbt. Ich erinnere mich an meinen Tod sehr gut. So bin ich gestorben.«

»Trotzdem kannst du dich doch nicht einen Mörder nennen, nur wegen dieser einen Sekunde, diesem Sekundenbruchteil …«

»Wie lange dauert es, eine Kugel abzufeuern, mit einem Messer zuzustoßen?« fragte Blaine. »Einen Sekundenbruchteil. So lange dauert es, ein Mörder zu werden.«

»Aber, Tom, du hast doch kein Motiv.«

Blaine schüttelte den Kopf. »Es stimmt, daß ich nicht aus Rache gemordet habe. Ich bin eben nicht diese Art von Mörder. Es brachte mir auch keinen persönlichen Vorteil. Ich bin einfach einer von diesen ganz gewöhnlichen Kerlen, die von jedem ein kleines Stückchen in sich haben, auch vom Mörder. Ich habe getötet, weil ich in jenem Moment die Gelegenheit dazu hatte. Meine ganz besondere Chance, die sich aus ganz besonderen Umständen ergeben hat, Umständen, die vielleicht nie wieder in meinem Leben zusammengekommen wären.«

»Aber daran trägst du doch keine Schuld!« sagte Marie. »Es wäre alles doch nicht passiert, wenn Rex und ich nicht genau diese besonderen Umstände arrangiert hätten.«

»Ja, schon. Aber ich habe die Gelegenheit genutzt«, sagte Blaine, »und einen kaltblütigen Mord daraus gemacht. Nur so zum Spaß, weil ich genau wußte, daß man mich nie dafür zur Rechenschaft ziehen könnte. Mein Mord war das.«

»Nun … unser Mord«, sagte sie.

»Ja.«

»Na gut. Wir sind Mörder«, erklärte Marie ruhig. »Akzeptieren wir es. Wir haben einmal getötet, dann können wir es auch noch einmal tun.«

»Nie«, sagte Blaine.

»Er ist fast hinüber, Tom. Ein fester Schlag, und es ist vorbei.«

»Ich bin nicht diese Art von Mörder.«

»Dann laß mich es machen.«

»Diese Art auch nicht.«

»Du Idiot! Dann tu einfach gar nichts. Warte ab. Einen Monat noch, und es ist vorbei mit ihm. Du wartest den Monat ab, Tom -«

»Kein Mord mehr«, meinte Tom ruhig. »Ich frage mich sowieso schon länger, was es nun mit diesem Jenseits auf sich hat. Die Versicherung habe ich ja. Nein, er bekommt ihn. Keine Diskussion mehr …«

»Tom!« 

XXXVI

Blaine ging hinaus, wo der Zombie auf der Straße wartete. »Robinson«, sagte er, »kommen Sie mit mir zur Selbstmordkabine. Ich gebe Ihnen meinen Körper.«

»Geringeres habe ich von Ihnen auch nicht erwartet«, sagte der Zombie.

»Dann gehen wir.«

Zusammen schritten sie langsam den Berg hinunter. Marie blickte ihnen einige Sekunden aus dem Fenster nach, dann lief sie hinter ihnen her.

Sie blieben an der Tür zur Selbstmordkabine stehen. Blaine sagte: »Meinen Sie wirklich, daß Sie ohne Schwierigkeiten übernehmen können?«

»Da bin ich mir sicher«, sagte Robinson. »Tom, ich bin Ihnen dankbar dafür. Ich werde gut mit Ihrem Körper umgehen.«

»Ist ja eigentlich gar nicht meiner«, sagte Blaine. »Hat einem Burschen namens Kranch gehört. Aber ich habe ihn liebgewonnen. Sie werden sich schon an seine Eigenarten gewöhnen. Sie müssen ihn nur ab und zu daran erinnern, wer der Chef ist. Manchmal geht er gerne auf die Jagd.«

»Ich glaube, das wird mir gefallen«, sagte Robinson.

»Ja, das dachte ich mir. Na gut, viel Glück!«

»Viel Glück wünsche ich Ihnen. Tom.«

Marie kam näher und küßte Blaine mit eisigen Lippen. Auf Wiedersehen. Blaine fragte: »Was wirst du jetzt tun?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich fühle mich so taub … Tom, mußt du es wirklich tun?«

»Das muß ich«, antwortete Blaine.

Er blickte noch einmal um sich und besah sich die Palmen, die im Sonnenschein wisperten, die blaue Weite des Meeres und den großen dunklen Berg über ihm, der von silbernen Wasserfällen geschmückt war. Dann wandte er sich wieder um und ging in die Selbstmordkabine. Er machte die Tür hinter sich zu.

*

Es gab keine Fenster und auch keine Möbel bis auf einen Stuhl. Die Anleitungen, die auf einem Plakat an der Wand hingen, waren sehr einfach. Man mußte sich einfach setzen und den Schalter am rechten Stuhlarm irgendwann betätigen. Dann würde man sterben, schnell und schmerzlos, und der Körper würde für den nächsten Bewohner bereitstehen.

Blaine setzte sich, überzeugte sich von der Existenz des Schalters, lehnte sich zurück und schloß die Augen.

Er dachte wieder an das erste Mal, als er gestorben war und wünschte sich, daß es aufregender gewesen wäre. Von rechts wegen hätte er diesmal diesen Fehler wiedergutmachen und wie Hunt untergehen sollen, in heftigem Kampf an einem Bergesrand zum Sonnenuntergang. Warum hatte es nicht so sein können? Warum hatte der Tod nicht kommen können, während er mit einem Taifun kämpfte, sich gegen einen Tiger wehrte oder den Mount Everest bestieg? Warum mußte sein Tod schon wieder so zahm, so alltäglich, so gewöhnlich sein?

Aber warum hatte er denn niemals wirklich Yachten entworfen?

Ein solcher Tod, das wurde ihm wieder klar, würde nicht seinem Charakter entsprechen. Zweifellos war er dafür bestimmt, auf eben diese schnelle, alltägliche, schmerzlose Weise zu sterben. Und all sein Leben in der Zukunft mußte auf diese Art und Weise des Todes hingearbeitet haben – ein vager Hinweis als Reilly starb, eine Gewißheit im Palast des Todes, ein unausweichliches Schicksal, als er sich in Taiohae niedergelassen hatte.

Und doch ist der Tod, so gewöhnlich er auch sein mag, eines der interessantesten Ereignisse im Leben. Blaine war sehr gespannt darauf.

Er hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Obwohl er über ein Jahr in der Zukunft gelebt hatte, hatte er schon ihren größten Preis errungen – das Jenseits! Er spürte noch einmal, was er empfunden hatte, als er aus dem Jenseitsgebäude gekommen war – Befreiung von der schweren, trübsinnigen, immerwährenden, unbewußten Angst vor dem Tod, die auf hinterhältige Weise jede Handlung und jede Bewegung durchdrungen hatte. Kein Mensch seines Alters konnte ohne den Schatten leben, der sich wie ein grausiger Bandwurm durch seine Gehirnwindungen schlängelte, das Gespenst, das Tag und Nacht spukte, der Lauerer hinter der Ecke, die Gestalt hinter der Tür, der ungesehene Gast bei jedem Festmahl, die nichtidentifizierte Gestalt in jeder Landschaft, ständig präsent, ständig wartend -