Ein paar Projekte, die es wert waren, mußten ausschließlich aus Kostenrücksichten abgelehnt werden. Dingdong Bell, der Chef der Röntgenabteilung, hatte sich überzeugend für eine Kamera für kinematographische Röntgenaufnahmen eingesetzt, die für die Diagnose und Behandlung von Herzkrankheiten eine wesentliche Verbesserung darstellte. Als man aber feststellte, daß diese Anlage allein fünfzigtausend Dollars kostete, mußte der Plan mit dem größten Bedauern abgelehnt werden.
Aber jetzt, nachdem die Hauptplanung beendet war, konzentrierten sich alle Bemühungen auf das praktische Problem, das Geld zu beschaffen. Genaugenommen gehörte das zu den Aufgaben des Krankenhausausschusses, aber man erwartete auch Beiträge von der Ärzteschaft. Orden Brown sagte: »Wir schlagen für die Ärzte Quoten vor: sechstausend für die leitenden Ärzte, viertausend für die älteren Belegärzte und zweitausend für die jüngeren.«
O'Donnell stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich fürchte, da werden wir auf Widerstand stoßen«, erklärte er dem Vorsitzenden.
Brown lächelte. »Wir müssen versuchen, ihn zu überwinden.«
Harry Tomaselli warf ein: »Die Zahlungen können über vier Jahre verteilt werden, Kent. Wenn wir die schriftliche Verpflichtung vorliegen haben, bekommen wir darauf Geld von der Bank.«
»Die Sache hat noch eine andere Seite«, sagte Brown. »Wenn in der Stadt bekannt wird, daß sich die Ärzte selbst an den Spenden beteiligen, wird unsere Sammelaktion sehr gefördert werden.«
»Und Sie wollen dafür sorgen, daß es bekannt wird?«
»Selbstverständlich«, versicherte Brown lächelnd.
O'Donnell überlegte, daß es ihm zufallen würde, diesen Plan bei einer Zusammenkunft der Ärzte bekanntzugeben. Er sah ihre erbitterten Mienen jetzt schon vor sich. Ihm war bekannt, daß die meisten Ärzte wie die meisten Menschen heutzutage überhaupt ihr Einkommen für ihren Lebensunterhalt verbrauchten. Natürlich konnte man nicht erzwingen, daß sie die festgelegten Quoten einhielten, aber es würde dem einzelnen schwerfallen, gegen ihre Höhe zu protestieren, insbesondere, da die Ärzte selbst durch eine Vergrößerung des Krankenhauses viel zu gewinnen hatten. Ein großer Teil würde den vorgeschlagenen Betrag zweifellos spenden und, wie die menschliche Natur nun einmal geartet war, würden gerade sie auch darauf drücken, daß die anderen in gleicher Weise bluteten. Ein Krankenhaus war ein Nährboden für Intrigen und bot viele Möglichkeiten, einem Nonkonformisten das Leben sauer zu machen.
Wie immer verstand Harry Tomaselli intuitiv O'Donnells Bedenken und versicherte: »Keine Sorge, Kent. Ich werde Sie vor dieser Konferenz gründlich informieren. Wir werden alle überzeugenden Argumente zusammenstellen. Nach Ihren Ausführungen sind manche vielleicht sogar bereit, die Quote zu überschreiten.«
»Verlassen Sie sich nicht zu sehr darauf.« O'Donnell lächelte. »Sie stehen im Begriff, ein paar Kollegen an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen: ihrer Brieftasche.«
Tomaselli lächelte verständnisvoll zurück. Wenn der Chef der Chirurgie seinen Appell vor den Ärzten vorbrachte, würde das so klar und gründlich geschehen wie alles andere, was O'Donnell tat. Das wußte Tomaselli. Nicht zum erstenmal ging es ihm durch den Kopf, wie gut es sich mit einem Mann von O'Donnells Charakter zusammenarbeiten ließ. An dem Krankenhaus, an dem Tomaselli die Stellung als stellvertretender Verwaltungsdirektor innegehabt hatte, war der Präsident des medizinischen Ausschusses ein Mann gewesen, der nach Popularität haschte und seine Segel stets nach dem Wind setzte. Infolgedessen hatte es keine rechte Führung gegeben, worunter der Standard in dem Krankenhaus entsprechend litt.
Harry Tomaselli bewunderte Leute, die sich ohne Umschweife und rasch entschlossen, vorwiegend, weil das die Art und Weise war, in der er selbst als Verwaltungsdirektor das Three Counties Hospital leitete. Bei schnellen Entschlüssen begeht man manchmal Fehler. Aber im ganzen gesehen erreichte man damit mehr, und durchschnittlich stieg im Laufe der Zeit die Zahl der richtigen Entscheidungen. Schnelligkeit im Reden und Denken sowohl als auch im Handeln hatte Harry Tomaselli im Gerichtssaal gelernt, lange ehe er daran dachte, daß seine Laufbahn ihn hinter einen Schreibtisch in einem Krankenhaus führen würde.
Nach seiner Collegezeit hatte er Jura studiert und begann gerade die Grundlagen für eine gute Praxis zu legen, als der Krieg dazwischenkam. In der Erwartung, daß er doch eingezogen würde, hatte er sich zur Marine gemeldet. Er wurde zum Offizier befördert und der Sanitätsverwaltung zugewiesen. Später, als sich die Marinelazarette mit Verwundeten füllten, hatte Leutnant Tomaselli sich als fähiger Verwaltungsfachmann mit einem gesunden Instinkt für die schwer erfaßbare Grenzlinie zwischen der medizinischen Praxis und der Arbeit der Lazarettverwaltung erwiesen.
Nach dem Krieg stand er vor der Wahl, wieder Rechtsanwalt zu werden oder bei der Krankenhausarbeit zu bleiben. Er entschied sich für das letztere und trat in die Schule für Krankenhausverwaltung bei der Columbia Universität ein. Sein Abschlußexamen bestand er zu einer Zeit, als sich die Ansicht durchsetzte, daß die Krankenhausverwaltung ein Spezialgebiet sei, für das ein medizinisches Studium weder notwendig noch besonders nützlich war. Das führte zu einer lebhaften Nachfrage nach guten Verwaltungsleuten. Und nach zwei Jahren als stellvertretender Verwaltungsdirektor nahm er Orden Browns Angebot für den leitenden Posten beim Three Counties Hospital an.
Die Arbeit dort war Harry Tomaselli ans Herz gewachsen. Er teilte Kent O'Donnells Ansichten über die Notwendigkeit eines hohen medizinischen Standards und respektierte die Geschäftstüchtigkeit und die bedächtige Vorsicht des Ausschußvorsitzenden Orden Brown. Als Verwaltungsdirektor bestand Tomasellis Aufgabe darin, dafür zu sorgen, daß alle Zweige des Krankenhauses - Krankenpflege, Haushaltsführung, die technischen Abteilungen, die Gebäude, die Buchhaltung und ihre Unterabteilungen - den Anforderungen entsprachen, die die beiden anderen Männer stellten.
Er löste seine Aufgabe durch Übertragung der Verantwortung - er bewies eine glückliche Hand für die Ernennung guter Abteilungsleiter - und durch ein starkes persönliches Interesse an allem, was in dem Krankenhaus geschah. Fast nichts von Bedeutung entging Harry Tomaselli. Jeden Tag konnte man seine kleine, untersetzte Gestalt durch die Korridore des Krankenhauses eilen sehen, wobei er aber häufig stehenblieb, um sich mit Schwestern, Patienten, Hausmeistern, Büroangestellten, Köchen und jedem, der ihm etwas über das Krankenhaus sagen oder Anregungen vorbringen konnte, wie es besser zu machen sei, zu unterhalten. Neue Gedanken regten ihn an. Sein eigener Eifer spornte andere an. Manchmal stand er mit vorgeschobenem Kopf und hinter seiner schwarzgefaßten Brille funkelnden Augen da und sprudelte die Worte heraus, um mit seinen galoppierenden Gedanken Schritt zu halten, wobei seine Hände jeden wichtigen Punkt, den er äußerte, unterstrichen.
Bei seinen Streifzügen machte sich Harry Tomaselli selten eine Notiz. Seine Erfahrung als Rechtsanwalt ermöglichte ihm, die verschiedenst gearteten Fakten im Kopf zu behalten und bereit zu haben. Aber nach jeder Inspektionstour feuerte er eine Salve knapp gefaßter Memoranden nach allen Orten, großen und kleinen, wo seiner Ansicht nach in der Verwaltung des Three Counties Hospitals etwas verbessert werden konnte.
Zu all dem besaß er ein diplomatisches Gefühl für den richtigen Ton und das richtige Wort und verärgerte selten jemand. Er äußerte eine Beanstandung, sprach dann aber unbefangen von etwas anderem weiter. Und wenn er auch nie ein Wort zuviel verwendete, war der Ton seiner Memoranden immer freundlich. Er verabscheute es, einen Angestellten zu entlassen, wenn kein unentschuldbarer Verstoß vorlag. Häufig erklärte er seinen Abteilungsleitern: »Wenn bei uns jemand über einen Monat gearbeitet hat, haben wir in seine Erfahrung Kapital investiert. Es ist zu unserem Vorteil, wenn wir ihn erziehen und an uns gewöhnen, statt es mit einem anderen zu versuchen, der andere Fehler haben mag, an die wir nicht dachten.« Weil dieser Grundsatz respektiert und anerkannt wurde, herrschte bei den Angestellten eine hohe Arbeitsmoral.