Wie lang werd' ich denn da noch sitzen bleiben? Es muß Mitternacht vorbei sein... hab' ich's nicht früher schlagen hören? – Was ist denn das... ein Wagen fährt da? Um die Zeit? Gummiradler – kann mir schon denken... Die haben's besser wie ich – vielleicht ist es der Ballert mit der Bertha... Warum soll's grad der Ballert sein? – Fahr' nur zu! – Ein hübsches Zeug'l hat Seine Hoheit in Pzremysl gehabt... mit dem ist er immer in die Stadt hinunterg'fahren zu der Rosenberg... Sehr leutselig war Seine Hoheit – ein echter Kamerad, mit allen auf du und du.. War doch eine schöne Zeit.. obzwar... die Gegend war trostlos und im Sommer zum Verschmachten... an einem Nachmittag sind einmal drei vom Sonnenstich getroffen worden... auch der Korporal von meinem Zug – ein so verwendbarer Mensch... Nachmittag haben wir uns nackt aufs Bett hingelegt. – Einmal ist plötzlich der Wiesner zu mir hereingekommen; ich muß grad geträumt haben und steh' auf und zieh' den Säbel, der neben mir liegt... muß gut ausgeschaut haben... der Wiesner hat sich halbtot gelacht – der ist jetzt schon Rittmeister... – Schad', daß ich nicht zur Kavallerie gegangen bin... aber das hat der Alte nicht wollen – wär' ein zu teurer Spaß gewesen – jetzt ist es ja doch alles eins... Warum denn? – ja, ich... ich weiß schon: sterben muß ich, darum ist es alles eins – sterben muß ich... Also wie? – Schau, Gustl, du bist doch extra da herunter in den Prater gegangen, mitten in der Nacht, wo dich keine Menschenseele stört – jetzt kannst du dir alles ruhig überlegen... Das ist ja lauter Unsinn mit Amerika und quittieren, und du bist ja viel zu dumm, um was anderes anzufangen – und wenn du hundert Jahr' alt wirst, und du denkst d'ran, daß dir einer hat den Säbel zerbrechen wollen und dich einen dummen Buben g'heißen, und du bist dag'standen und hast nichts tun können – nein, zu überlegen ist da gar nichts – gescheh'n ist gescheh'n – auch das mit der Mama und mit der Klara ist ein Unsinn – die werden's schon verschmerzen – man verschmerzt alles... Wie hat die Mama gejammert, wie ihr Bruder gestorben ist – und nach vier Wochen hat sie kaum mehr d'ran gedacht... auf den Friedhof ist sie hinausgefahren... zuerst alle Wochen, dann alle Monat' – und jetzt nur mehr am Todestag. – – Morgen ist mein Todestag – fünfter April. – – Ob sie mich nach Graz überführen? Haha! Da werden die Würmer in Graz eine Freud' haben! – Aber das geht mich nichts an – darüber sollen sich die andern den Kopf zerbrechen... Also, was geht mich denn eigentlich an?... Ja, die hundertsechzig Gulden für den Ballert – das ist alles – weiter brauch' ich keine Verfügungen zu treffen. – Briefe schreiben? Wozu denn? An wen denn?... Abschied nehmen? – Ja, zum Teufel hinein, das ist doch deutlich genug, wenn man sich totschießt! – Dann merken's die andern schon, daß man Abschied genommen hat... Wenn die Leut' wüßten, wie egal mir die ganze Geschichte ist, möchten sie mich gar nicht bedauern – ist eh' nicht schad' um mich... Und was hab' ich denn vom ganzen Leben gehabt? – Etwas hätt' ich gern noch mitgemacht: einen Krieg – aber da hätt' ich lang' warten können... Und alles übrige kenn' ich... Ob so ein Mensch Steffi oder Kunigunde heißt, bleibt sich gleich. – – Und die schönsten Operetten kenn' ich auch – und im ›Lohengrin‹ bin ich zwölfmal d'rin gewesen – und heut' abend war ich sogar bei einem Oratorium – und ein Bäckermeister hat mich einen dummen Buben geheißen – meiner Seel', es ist grad' genug! – Und ich bin gar nimmer neugierig... – Also geh'n wir nach Haus, langsam, ganz langsam... Eile hab' ich ja wirklich keine. – Noch ein paar Minuten ausruhen da im Prater, auf einer Bank – obdachlos. – Ins Bett leg' ich mich ja doch nimmer – hab' ja genug Zeit zum Ausschlafen. – – Ah, die Luft! – Die wird mir abgeh'n...
Was ist denn? – He, Johann, bringen S' mir ein Glas frisches Wasser... Was ist?... Wo ja, träum' ich denn?... Mein Schädel... o, Donnerwetter... Fischamend... Ich bring' die Augen nicht auf! – Ich bin ja angezogen! – Wo sitz' ich denn? – Heiliger Himmel, eingeschlafen bin ich! Wie hab' ich denn nur schlafen können; es dämmert ja schon! – Wie lang' hab' ich denn geschlafen? – Muß auf die Uhr schau'n... Ich seh' nichts? Wo sind denn meine Zündhölzeln?... Na, brennt eins an? Drei... und ich soll mich um vier duellieren – nein, nicht duellieren – totschießen soll ich mich! – Es ist gar nichts mit dem Duell; ich muß mich totschießen, weil ein Bäckermeister mich einen dummen Buben genannt hat... Ja, ist es denn wirklich g'scheh'n? – Mir ist im Kopf so merkwürdig... wie in einem Schraubstock ist mein Hals – ich kann mich gar nicht rühren – das rechte Bein ist eingeschlafen. – Aufsteh'n! Aufsteh'n! Ah, so ist es besser! – Es wird schon lichter... Und die Luft ganz wie damals in der Früh', wie ich auf Vorposten war und im Wald kampiert hab'... Das war ein anderes Aufwachen – da war ein anderer Tag vor mir.. Mir scheint, ich glaub's noch nicht recht. – Da liegt die Straße, grau, leer – ich bin jetzt sicher der einzige Mensch im Prater. – Um vier Uhr früh war ich schon einmal herunten, mit'm Pausinger – geritten sind wir – ich auf dem Pferd vom Hauptmann Mirovic und der Pausinger auf seinem eigenen Krampen – das war im Mai, im vorigen Jahr – da hat schon alles geblüht – alles war grün. Jetzt ist's noch kahl – aber der Frühling kommt bald – in ein paar Tagen ist er schon da. – Maiglöckerln, Veigerln – schad', daß ich nichts mehr davon haben werd' – jeder Schubiak hat was davon, und ich muß sterben! Es ist ein Elend! Und die andern werden im Weingartl sitzen beim Nachtmahl, als wenn gar nichts g'wesen wär' – so wie wir alle im Weingartl g'sessen sind, noch am Abend nach dem Tag, wo sie den Lippay hinausgetragen haben... Und der Lippay war so beliebt... sie haben ihn lieber g'habt, als mich, beim Regiment – warum sollen sie denn nicht im Weingartl sitzen, wenn ich abkratz'? – Ganz warm ist es – viel wärmer als gestern – und so ein Duft – es muß doch schon blühen... Ob die Steffi mir Blumen bringen wird? – Aber fallt ihr ja gar nicht ein! Die wird grad hinausfahren... Ja, wenn's noch die Adel' wär'.. Nein, die Adel'! Mir scheint, seit zwei Jahren hab' ich an die nicht mehr gedacht... Was die für G'schichten gemacht hat, wie's aus war... mein Lebtag hab' ich kein Frauenzimmer so weinen geseh'n... Das war doch eigentlich das Hübscheste, was ich erlebt hab'... So bescheiden, so anspruchslos, wie die war – die hat mich gern gehabt, da könnt' ich d'rauf schwören. – War doch was ganz anderes, als die Steffi... Ich möcht' nur wissen, warum ich die aufgegeben hab'... so eine Eselei! Zu fad ist es mir geworden, ja, das war das Ganze... So jeden Abend mit ein und derselben ausgeh'n... Dann hab' ich eine Angst g'habt, daß ich überhaupt nimmer loskomm' – eine solche Raunzen – – Na, Gustl, hätt'st schon noch warten können – war doch die einzige, die dich gern gehabt hat... Was sie jetzt macht? Na, was wird's machen? – Jetzt wird's halt einen andern haben... Freilich, das mit der Steffi ist bequemer – wenn man nur gelegentlich engagiert ist und ein anderer hat die ganzen Unannehmlichkeiten, und ich hab' nur das Vergnügen... Ja, da kann man auch nicht verlangen, daß sie auf den Friedhof hinauskommt... Wer ging' denn überhaupt mit, wenn er nicht müßt'! – Vielleicht der Kopetzky, und dann wär' Rest! – Ist doch traurig, so gar niemanden zu haben...