Wirksamkeit sich nach Ansicht vieler Kritiker vollständig auf einen Placebo-Effekt zurückführen lässt,
ähnlich wie bei der Psychotherapie. Die Hoffnung war auch dort, dass die Bereitstellung der» sanften«
Alternativen zu einer Kostensenkung und einer verringerten Inanspruchnahme» harter «medizinischer
Angebote führt.
Doch dann lieferte eine Untersuchung Zündstoff: Das Forschungsprojekt» Komplementärmedizin in
der Krankenversicherung «des Schweizerischen Nationalfonds, durchgeführt unter der Leitung des Basler
Gesundheitsökonomen Jürg Sommer, in Zusammenarbeit mit der Krankenkasse Heisana, entpuppte sich
als schrecklicher Spielverderber.36 7500 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Helsana-Versicherte
erhielten ab Oktober 1993 für drei Jahre kostenlos eine Zusatzversicherung für Komplementärmedizin.
Diese Experimentalgruppe wurde mit einer Kontrollgruppe ohne Zusatzversicherung bezüglich Kosten
und Gesundheitszustand verglichen.
Fazit: Zum einen konsumierte die Experimentgruppe deutlich häufiger alternativmedizinische
Leistungen als die Kontrollgruppe. Was nicht weiter erstaunt, schließlich offerierte ihnen die Kasse ja
unentgeltliche Leistungen. Wirklich peinlich war ein anderes Ergebnis: Die Experimentgruppe
beanspruchte nicht etwa weniger, sondern mehr schulmedizinische Leistungen. Gerade mal knapp ein (!)
Prozent der Versicherten ließ sich ausschließlich mit alternativen Methoden behandeln. Dies hatte
Auswirkungen auf die Gesamtkosten. So zeigt die Studie, dass Personen, denen alternative Heilverfahren
von der Krankenkasse erstattet wurden — unabhängig von Alter, Geschlecht, Sprachregion und früherem
Gesundheitszustand —, höhere Kosten aufwiesen als Versicherte, die nur schulmedizinische Leistungen
beanspruchten. Die zusätzlichen Kosten wurden auf jährlich 170 Millionen Franken geschätzt. Die
Untersucher kommen zum folgerichtigen Schluss,»dass komplementärmedizinische Leistungen
zusätzlich und nicht als Alternative zur Schulmedizin in Anspruch genommen werden.«
Bringt die Bereitstellung alternativer Heilmethoden den Nutznießern wenigstens einen verbesserten
Gesundheitszustand? Auch hier kommt die Studie zu einem vernichtenden Urteiclass="underline" »Ein Einfluss der
Inanspruchnahme komplementärmedizinischer Leistungen auf das gesundheitliche Befinden kann nicht
nachgewiesen werden.«
«Psychotherapie ruft keine unerwünschten Nebenwirkungen hervor«
Die Möglichkeit, dass Psychotherapien Nebenwirkungen und Schädigungen hervorrufen könnten,
wird in den meisten Veröffentlichungen mit höflicher Nichtbeachtung übergangen. Untersuchungen zur
Qualitätskontrolle der Psychotherapie fragen meistens erst gar nicht nach Nebenwirkungen, weil sie
vermutlich unterstellen, dass die Seelenklempnerei selbst im ungünstigsten Fall überhaupt keinen Effekt
erzielt. Klienten, die sich einer Psychotherapie unterzogen haben, behalten zudem die negativen
Erfahrungen lieber für sich.
Das kann damit zusammenhängen, dass ihnen häufig der Eindruck vermittelt wird, sie hätten sich
etwaige Misserfolge selber zuzuschreiben. Auch die beiden Berliner Psychotherapie-Forscher Dr.
Eckhard Giese und Prof. Dieter Kleiber, die sich in Anzeigen nach Erfahrungen ehemaliger Klienten
erkundigt haben,»kitzelten «erst durch gezieltes Nachfragen den Verdruss aus ihren Informanten heraus.37
«Schnell zeigte sich, dass sich therapeutische Misserfolge und negative Erfahrungen, die bis hin zur
materiellen Ausbeutung durch Therapeuten gingen, nicht auf einzelne Therapierichtungen beschränken
lassen. «Nicht nur die» Exoten «auf dem Psychomarkt bergen offenbar das Risiko eines Fiaskos in sich;
selbst so» seriöse «Schulen wie die Gesprächspsychotherapie, die Psychoanalyse, die Gestalttherapie, die
Verhaltenstherapie und die Humanistischen Psychotherapien, die ein Verhältnis von Person zu Person statt
einer Beziehung von einer Autorität zu einem Kranken anstreben, erlauben sich mitunter» Murks«, der
nach theoretischer Aufarbeitung und einem wirkungsvollen Konsumentenschutz schreit.
Es lässt sich auf Basis der Berliner Studie nicht genau beziffern, wie hoch der Anteil der gescheiterten
Psychotherapien ist. Wenn in der Medikamentenforschung ein Präparat in 80 Prozent der Fälle gut
anschlägt, jedoch bei 3 Prozent gravierende Nebenwirkungen zeitigt, wird ihm die Marktzulassung
versagt. Unter den Seelenhelfern aber hat man sich bisher noch kaum Gedanken darüber gemacht, welche
«Schadensquote «man für gerade noch vertretbar hält, bemängeln die beiden Forscher. Man darf davon
ausgehen, dass rund 14.000 Diplompsychologen beraterisch oder therapeutisch tätig sind, von denen jeder
etwa 40 Klienten pro Jahr betreut. Bei einer vorsichtig auf 5 Prozent geschätzten Verschlechterungsrate
muss also mit 28.000»Verschlimmbesserungen «pro Jahr gerechnet werden. In Wirklichkeit wird die
Zahl der» negativen Therapieeffekte «jedoch auf 10 Prozent geschätzt.
Es gibt einige typische Formen von Nebenwirkungen, die in der Literatur beschrieben werden:
Auftreten einer existenziellen Krise, Überforderungsgefühle, Verschlechterung der Symptomatik,
Trennung vom Partner mit folgender Einsamkeit. Doch manchmal geht es auch richtig gefährlich zu.38 So
starb vor einer Weile ein 31-jähriger Schweizer bei einer Urschrei-Therapie — er war über längere Zeit mit
dem Gesicht nach unten gegen eine Matratze gedrückt worden. In Berlin erstickte ein Patient, nachdem er
in einen Teppich eingerollt worden war — zur Herstellung eines» primären «Gefühls intrauterinären
Eingeengtseins.
Durch die Nebenwirkungen einer Psychotherapie können aber auch andere Menschen außer den
Patienten selbst zu Schaden kommen, und dies noch nach langer Zeit. Das beweist eine eindrucksvolle
Langzeitstudie aus den USA, deren Ergebnisse Tana Dineen referiert. 650 Jugendliche aus zerrütteten
Verhältnissen wurden dabei nach einem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Eine der beiden
Gruppen erhielt eine psychotherapeutische Behandlung, die sie quasi dagegen» impfen «sollte, auf die
schiefe Bahn zu geraten. Nach sage und schreibe 30 Jahren wurde Bilanz gezogen. Quintessenz: Die
Psychoimpfung war völlig unwirksam geblieben. Therapierte Problemjugendliche hatten zwar nicht
mehr, aber dafür erheblich schwerere Verbrechen begangen als die unbehandelten. Und darunter mussten
andere Menschen leiden. Auch was Alkoholismus, Geisteskrankheiten, Berufsbiographie und Stress
anging, war das Befinden der Therapierten schlechter als das der unbehandelten Altersgenossen. Der
Autor der Studie macht sich selbstkritisch Gedanken, wie dieser Bumerang-Effekt wohl zustande
gekommen sein mag. Vielleicht züchtete die Therapie bei den Jugendlichen eine seelische Abhängigkeit,
die es ihnen schwerer machte, die Widernisse des Lebens zu bestehen. Vielleicht hatte die Therapie bei
ihnen aber auch unrealistische Erwartungen an das Leben ausgelöst, die am Ende nur noch durch
Verbrechen zu erfüllen waren. Schließlich hatte die Behandlung möglicherweise das Bewusstsein
verankert, nicht für das eigene Verhalten verantwortlich zu sein.
In einer anderen von Dineen referierten Untersuchung wurden Trunksüchtige, die sich einer Missetat