hervorgeht, betonen die beiden Wissenschaftler. Zudem ist der Grad der Beeinträchtigung meist so
niedrig, dass die» Desasterperspektive «völlig unangemessen erscheint.
Zu guter Letzt bleibt auch noch die erwähnte Möglichkeit, dass die beobachteten» Scheidungsfolgen«
in Wirklichkeit in Problemen wurzeln, die dem rechtlichen Schlussstrich lange vorausgehen. Diesen
Einwand hatten die beiden Seelenforscher in einer Langzeitstudie an 110»intakten «Familien mit kleinen
Kindern untersucht, welche 11 Jahre lang kontinuierlich befragt wurden. 33 der Ehepaare, deren Kinder
zum Schluss ein Alter von maximal 14 bis 15 Jahre hatten, waren am Ende der Untersuchung geschieden;
9 Ehen wurden durch andere Ereignisse aufgelöst.
Durch die besondere Anlage dieser Untersuchung war es nun möglich, die seelische Verfassung der
Scheidungskinder Jahre vor dem Eintritt des vermeintlichen» Desasters «zu eruieren. Bemerkenswertes
Ergebnis: Kinder (besonders Jungen), deren Eltern sich später scheiden ließen, wiesen schon bis zu 11
Jahre vor dem» Eklat «eine Reihe von Besonderheiten auf. Sie waren zum Beispiel etwas impulsiver und
aggressiver und wurden von anderen als emotional labiler, unruhiger und dickköpfiger beschrieben. Der
Zusammenhang zwischen elterlichem Streit und kindlichen Störungen war allerdings nur schwach
ausgeprägt.
Vor dem Hintergrund solcher Daten sei es sehr bedenklich, wenn Eltern aus falsch verstandener
Rücksicht eine Scheidung vermieden und stattdessen lieber unglücklich verheiratet blieben. Die
aufgeführten Tendenzen wurden in der Zwischenzeit auch durch die nachträgliche Auswertung von
Studien bestätigt, die zwar eine andere Zielsetzung gehabt hatten, aber auch hierzu kritische
Informationen enthielten. Die (milden) seelischen Auffälligkeiten der Scheidungskinder waren Ausdruck
eines Prozesses, der schon lange vor der Zäsur der Trennung eingesetzt hatte. Das heißt, dass sich
Scheidungskinder praktisch nicht von ihren Altersgenossen unterscheiden, die in einer mit ähnlichen
Krisen belasteten, aber rechtlich» intakten «Familie aufwachsen.
«Unkonventionelle Familienverhältnisse sind schlecht für die Entwicklung der Kinder«
Es gibt schon lange Diskussionen darüber, welche Form der Betreuung Kinder brauchen, um reife und
gesunde Erwachsene zu werden. Häufig wird noch die Ansicht vertreten, dass lediglich die klassische,
konventionelle und» intakte «Kernfamilie mit einem heterosexuellen Elternpaar die Gewähr für eine
optimale Entwicklung gibt. Doch die Forschungsarbeiten der letzten Jahre lassen überhaupt keinen
Zweifel mehr daran, dass die verschiedensten Arten von unkonventionellen beziehungsweise
«normabweichenden «Familienkonstellationen die gleichen Dienste leisten können: Den allein selig
machenden Weg in das Erwachsenendasein gibt es nicht.
Wissenschaftler in Kalifornien nehmen seit Mitte der siebziger Jahre Familien unter die Lupe, die eine
unübliche Form des Zusammenlebens eingegangen sind. Einige der Eltern sind unbeirrbare Hippies, die
sich zu Kommunen zusammengeschlossen haben, oder Alleinerziehende, andere führen» offene Ehen«
oder ähnliche Beziehungen. Die Experimente geben zu optimistischen Prognosen Anlass, betont Judith
Rich Harris:»Die Kinder sind genauso schlau, gesund und emotional angepasst wie ihre Altersgenossen,
die in traditionellen Verhältnissen leben.«
Jetzt haben die Forscher aber auch überraschende elterliche Qualitäten bei einer Gruppe der
Bevölkerung entdeckt, deren Triebschicksal nicht gerade auf Elternschaft programmiert ist.
Homosexuelle Männer und Frauen, so die Psychologin Charlotte Patterson von der Universität von
Charlottesville, geben vorbildliche Väter und Mütter ab.21 Das Besondere an ihrer Untersuchung ist, dass
sie erstmals auch Kinder umfasst, die nie in ihrem Leben auch nur von einem» normalen «Elternteil
umsorgt wurden.
Bei den (amerikanischen) Familiengerichten stoßen die meisten Homosexuellen aber mit ihrem
Wunsch nach einem Adoptivkind auf Ablehnung. In den Entscheiden heißt es häufig, dass die Kinder
sexuell» umgepolt «oder in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt werden könnten. Da
gemeinsames Sorgerecht in Deutschland nur Ehegatten zugesprochen wird, besteht hier für homosexuelle
Paare höchstens die Möglichkeit, dass ein allein stehender Partner einen Antrag stellt. Der wird aber fast
immer abgewiesen, da Jugendämter in diesen Fällen Gefahren für das Kindeswohl wittern.
Seit etwa einem Jahrzehnt existieren in den USA empirische Studien, in denen die elterlichen
Qualitäten von Homosexuellen begutachtet wurden. Die meisten der rund ein Dutzend Untersuchungen
enthalten Informationen über Lesben, denen nach der Scheidung von ihrem Ehemann das Sorgerecht für
ihre Kinder übertragen wurde. Die drei Studien, die homosexuelle Väter und ihre Kinder zum Thema
haben, kommen aber zu denselben Schlüssen.
Kinder homosexueller Eltern nannten die gleichen Lieblingsspielzeuge wie ihre Altersgenossen. Sie
fuhren auch auf die gleichen Lieblingsprogramme und auf die gleichen Lieblingshelden im Fernsehen ab.
Die Psychotests bescheinigten ihnen, dass sie nicht mehr Wesenszüge des anderen Geschlechtes
aufwiesen als andere Kinder auch. Es gab nicht den geringsten Hinweis auf eine Häufung
gleichgeschlechtlicher Neigungen. Nicht einer von 18 Teenagern mit einem homosexuellen Elternteil
bezeichnete sich bei einer aktuellen Untersuchung als lesbisch oder schwul; dagegen outete sich einer der
18 Jugendlichen mit einem» normalen «Erziehungshintergrund als schwul. Die Persönlichkeitsmerkmale
und sozialen Beziehungen der Kinder wiesen keine Auffälligkeiten auf. Sie hatten gleich gute Kontakte
zu ihren Altersgenossen und mussten keineswegs öfter Hänseleien und Spott erdulden.
Die neusten und wichtigsten Daten hat Patterson jedoch in den beiden letzten Jahren in ihrer Studie an
37 lesbischen Müttern aus San Francisco gewonnen, die zum größten Teil durch künstliche Befruchtung,
in wenigen Fällen aber auch durch eine legale Adoption zu einem Kind gekommen waren. Die
Ergebnisse sind umso bedeutsamer, als diese vier bis neun Jahre alten Einzelkinder in keiner Phase ihrer
Entwicklung durch ein heterosexuelles Elternteil beeinflusst wurden.
Auch unter diesen unverfälschten Bedingungen verlief die Entwicklung der sexuellen Identität
vollkommen unauffällig. Bei den Kindern waren weder merkliche Persönlichkeitsstörungen noch
Verhaltensprobleme zu verzeichnen. Bei einem Test, der Auskunft gibt über das pädagogische Geschick
in kniffligen Situationen, schnitten die Lesben sogar besser ab als Hetero-Mütter. Der Verdacht, dass bei
Kindern lesbischer Mütter der Kontakt zu den Großeltern abreißt, weil diese die Lebensführung der
Mutter missbilligen könnten, bestätigt sich nicht. Oma und Opa sahen ihre Enkel gleich häufig wie
andere Großeltern.
Lesbische Mütter, die mit einer festen Partnerin zusammenlebten, verhielten sich in einem bestimmten
Punkt vorbildlich: Die» ehelichen «Aufgaben wurden bei ihnen besonders fair und gleichberechtigt
aufgeteilt. Beide Parteien kochten, wuschen und putzten gleichermaßen, und über alle wichtigen
familiären Entscheidungen wurde demokratisch abgestimmt. Es gab zwar auch eine Rollenverteilung, in