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dem Sinn, dass sich eine Frau stärker auf den Beruf, die andere stärker auf die Erziehung konzentrierte.

Aber trotzdem engagierte sich die jeweilige» Ernährerin «stärker für die Erziehung des Kindes, als dies

der normale Mann in einer normalen Kleinfamilie tut. Je mehr die Erzieherinnen sich die

Erziehungsaufgaben teilten, umso ausgeglichener war das Kind in seiner Persönlichkeit.

Die Daten untermauern hieb- und stichfest, dass Homosexuelle mindestens die gleichen

Qualifikationen als Eltern haben wie Heterosexuelle, betont Patterson. Es ist nach ihrer Ansicht extrem

unwahrscheinlich, dass neue Befunde ans Licht kommen, die einen anderen Schluss rechtfertigen

könnten.»Daher ist es auch empirisch nicht mehr zu begründen, dass Lesben oder Schwule weniger als

Adoptiv- und Pflegeeltern geeignet sind als Heterosexuelle.«

«Die Erziehung legt die Geschlechtsrollen der Kinder fest«

Zumindest in einem entscheidenden Punkt, so ein Einwand gegen das Scheitern der Erziehungsthese,

drücken Eltern ihren Kindern einen Stempel auf: Indem sie bei ihren Töchtern und Söhnen bestimmte

Verhaltensweisen fördern, leiten Eltern die Geschlechtsrollen ihrer Kinder in eine feste Bahn. Überall in

der Welt heben sich Männer und Frauen durch charakteristische Persönlichkeitszüge voneinander ab; in

den meisten Kulturen sogar sehr viel stärker als in den modernen Industrienationen, gibt Judith Rich

Harris zu bedenken. Die Herren der Schöpfung beschäftigen sich zum Beispiel mehr mit Werkzeugen und

Geräten und streben häufiger Positionen von Macht und Einfluss an. Evas Töchter wenden sich dagegen

auch beruflich lieber den Bedürfnissen anderer Menschen zu.

Nach einer naiven Theorie legen die Eltern diese Tendenzen durch ihre geschlechtstypische Erziehung

fest. Zu Beginn ihres Lebens haben Männlein und Weiblein noch die Veranlagung, beide

Geschlechtsidentitäten zu entwickeln. Dann geben Vater und Mutter die Richtung an. Sie statten kleine

Mädchen mit Puppen und femininen Spielsachen aus, während sie Jungs mit Autos und Werkzeugen auf

die maskuline Rolle trimmen. So schön diese Theorie auch klingen mag, meint Judith Rich Harris, sie

stimmt überhaupt nicht mit den empirischen Erkenntnissen überein.

Umfangreiche Verhaltensbeobachtungen belegen einwandfrei, dass Eltern in den modernen

Industrienationen Söhne und Töchter sehr ähnlich behandeln: Sie widmen ihnen genauso viel Zeit und

Aufmerksamkeit und ermutigen und disziplinieren sie auf die gleiche Weise. Nur bei der Vergabe von

Kleidung und Spielsachen taucht der ominöse Geschlechtsunterschied auf. Aber der könnte genauso gut

eine passive Reaktion auf die Eigenschaften der Kinder sein, argumentiert Harris:»Vielleicht geben sie

ihren Kindern nur, was diese haben wollen.«

Sigmund Freud setzte den Glauben in die Welt, dass Kinder ihre Geschlechtsrolle erwerben, indem sie

das Verhalten des gleichgeschlechtlichen Elternteils imitieren: Söhne orientieren sich am Vater, Töchter

ahmen das Vorbild der Mutter nach. Dieser Glaube ist heute widerlegt. Jungen, die in einer vaterlosen

Umgebung aufwachsen, eignen sich dennoch einen maskulinen Habitus an. Mädchen, die exklusiv von

(mutmaßlich» unweiblichen«) Lesben erzogen werden, lassen keinen Mangel an weiblichen Zügen

erkennen.

Heute findet die Überzeugung immer mehr Anhänger, dass die Anlage für die psychologische

Geschlechtsidentität in unseren Genen schlummert und durch Hormone aus dem Dornröschenschlaf

geweckt wird. In einer abgeschiedenen Region der Dominikanischen Republik gibt es laut Harris eine

Mutation, die dazu führt, dass genetisch männliche Kinder bei der Geburt wie Mädchen aussehen. In der

Pubertät schütten die Drüsen dann das männliche Geschlechtshormon Testosteron aus. Die weiblichen

Körpermerkmale bilden sich zurück und werden von maskulinen Zügen abgelöst, die Eltern und Kindern

die Augen über die wahre Geschlechtszugehörigkeit öffnen.

Wissenschaftler haben das Schicksal von 18 dieser Jungen verfolgt, die irrtümlich als Mädchen

erzogen worden waren. Bis auf einen schüttelten alle den weiblichen Namen und die weibliche Identität

ab und wurden Männer, als der Körper plötzlich die Wahrheit über den biologischen Sexus enthüllte. Die

Betreffenden heirateten Frauen, ergriffen männliche Berufe und gewöhnten sich ein rundum maskulines

Verhalten an.

Tatsächlich grenzen sich Jungen und Mädchen schon in frühem Alter freiwillig voneinander ab und

legen großen Wert auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In ihren jeweiligen Gruppen

verinnerlichen Jungen wie Mädchen dann, wie sich eine richtige Frau oder ein ganzer Kerl zu benehmen

hat. Forscher können dokumentieren, wie schon zwölfjährige Mädchen sich dem Klischee typisch

weiblichen Verhaltens anpassen, mehr kichern, tuscheln und sich beim Sport ungeschickter anstellen,

sobald Jungen den Schauplatz betreten. Und nicht selten schockieren Kinder ihre emanzipierten Eltern

mit Feststellungen wie:»Männer kochen nicht!«Ähnliche Verhaltensweisen zeigen Kinder in den

verschiedensten Kulturen — die Yanomami-Indianer im brasilianischen Regenwald ebenso wie

afroamerikanische Kids im Großstadt-Ghetto.

Alle Versuche, Jungen und Mädchen durch Erziehung geschlechtlich» umzupolen «oder in eine

Unisex-Identität zu pressen, sind durch die biologischen Tatsachen zum Scheitern verdammt. Das

mussten auch die Mitglieder der Protestbewegung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre

erfahren, welche die vermeintlich» patriarchalischen «Geschlechtsunterschiede bei ihren Kindern

einebnen wollten, rekapituliert der Psychologe Jens Asendorpf.22 Zur Frustration der Eltern und

Kinderladenerzieher prallten die Nivellierungsversuche wirkungslos an den Kindern ab.»Jungen, die zum

spielerischen Kochen angehalten wurden, benutzten Kochlöffel als Revolver, und Mädchen wiegten

träumerisch Rennwagen in ihren Armen, als seien es rosaweiche Babys.«

«Einzelkinder und Erstgeborene entwickeln besondere Persönlichkeitsmerkmale«

Eine der beliebtesten Thesen in der populären Psychologie und in der Ratgeberliteratur besagt, dass

Einzelkinder beziehungsweise Erstgeborene als Folge ihrer spezifischen Position in der Familie

ungewöhnliche Charaktermerkmale herausbilden. Einzelkinder entwickeln sich demnach anders, weil sie

einer Sonderbehandlung unterzogen werden: Die Beziehung zu ihren Eltern ist, wegen ihrer Exklusivität,

durch eine besonders enge Bindung gekennzeichnet. Andererseits entgeht den Solo-Sprösslingen die

soziale Stimulation, die durch die Anwesenheit von Geschwistern vermittelt wird.

In früheren Zeiten, als die meisten Familien zwei oder mehr Kinder hatten, galt die Einzelkindsituation

als Hinweis, dass etwas nicht in Ordnung war, schildert die Psychologin Judith Rich Harris.

«Einzelkinder harten einen schlechten Ruf. «Heute, wo rund 50 Prozent aller Söhne und Töchter in den

Industrieländern als Einzelkinder aufwachsen, löst sich das schlechte Image in Wohlgefallen auf. Die

psychologischen Studien der letzten 15 Jahre lieferten denn auch kerne Beweise dafür, dass sich

Einzelkinder systematisch und in einer bestimmten Richtung von ihren Altersgenossen unterscheiden