unmöglich, mit solchen Initiativen die Akzeptanz der betreffenden Projekte zu erhöhen. Sie erreichen
zwar bei einigen Adressaten das gewünschte Ziel, bei vielen andern jedoch das genaue Gegenteil.
Im Verlauf der Kampagne beginnen sich nämlich die Meinungen zu polarisieren: Man ist jetzt plötzlich
entweder dafür oder dagegen, aber nicht mehr länger gleichgültig. Das mussten auch die Betreiber
erfahren, die in Taiwan Propaganda für ein geplantes Kernkraftwerk veranstalteten: Wer bis dahin noch
gleichgültig war, lehnte das Projekt nun eher ab, als dass er ihm zustimmte.
Die» armen, wehrlosen Kinder«, heißt es manchmal, seien die eigentlichen Empfänger der
Werbewirkung. Rein theoretisch könne man Kindern, auf Grund ihrer größeren Naivität, tatsächlich eher
ein X für ein U vormachen, pflichtet McGuire bei. Untersuchungen zur Suggestibilität hätten nun aber
den Beweis erbracht,»dass Kinder durch ihre geringere Aufmerksamkeit für die und das geringere
Verständnis der Werbebotschaft gegen die Beeinflussung geschützt sind«. In diesem Zusammenhang
taucht auch immer wieder die Vermutung auf, dass eine — wenn auch kleine — Untergruppe des
Publikums, wegen ihrer ausgeprägten Überredbarkeit (Suggestibilität) das leichte Opfer beeinflussender
Botschaften sei. Dem widerspricht McGuire — der anerkannte» Guru «der Suggestions-Forschung –
heftig. Es herrscht mittlerweile weitgehende Einigkeit darüber, dass es eine gesonderte, dauerhafte
Charaktereigenschaft» Suggestibilität «in dieser Form nicht gibt.
Als» Deus ex Machina «zaubern manche Werbegläubige gelegentlich den unheimlichen Effekt der
«subliminalen «Werbung aus dem Hut. In einer britischen Zeitung erschien ein Bericht über Kinogänger,
die mit extrem kurzen, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegenden Werbeimpulsen berieselt worden
waren. Danach soll der Umsatz des derart» eingeblitzten «Produktes enorm gestiegen sein. Diese Story
war jedoch völlig frei erfunden, ebenso wie einige spätere Versionen, moniert Mayer. Viele sorgfältige
Experimente im Labor erlauben heute den Schluss, dass es unmöglich ist, Verhalten mit subliminalen
Informationen zu beeinflussen.
Werbeunternehmen, die naturgemäß bei ihren Kunden Eindruck schinden wollen, benutzen
schönfärberische Methoden, um sich mit dem» Erfolg «ihrer Kampagnen zu schmücken. Das fängt damit
an, dass fast niemals die einzig richtige Messlatte, nämlich die Beeinflussung des Käuferverhaltens, als
Erfolgskriterium angelegt wird, schildert der Mannheimer Psychologe Mayer. Stattdessen begnügt man
sich stets mit» Werbewirkungen«, die dem Kaufakt vorgelagert sein sollen, zum Beispiel mit der
Feststellung, ob eine Kampagne Aufmerksamkeit erregt, ob sie ein positives Image erzeugt und ob die
umworbene Marke im Gedächtnis haften bleibt. 71 Prozent aller amerikanischen Firmen, die den
höchsten Werbeetat haben, ziehen als Erfolgsmaß lediglich die Erinnerung des Rezipienten an das
umworbene Produkt heran.
Dahinter steckt der naive und lediglich durch Plausibilität gestützte Glaube, dass diese Faktoren einen
Vorhersagewert für das Kaufverhalten besitzen. Dabei zeigen die wenigen empirischen Befunde, dass
weder Emotionen, noch die Erinnerung und noch nicht einmal die verbal geäußerte Kaufabsicht eine
nennenswerte Beziehung zum Kaufakt haben.»Man gewinnt geradezu den Eindruck, als ob die mit einem
Offenbarungseid vergleichbare Frage nach der Verhaltensrelevanz der potenziellen Prädikatoren
absichtlich vermieden würde, um sich vor unangenehmen Erfahrungen und Konsequenzen zu schützen.«
Das sei umso schlimmer, als die Messung der obskuren» Scheinwirkungen «meist mehr Kosten
verschlinge als die Kampagne selbst.
«Gewaltdarstellungen in den Medien stacheln gewalttätiges Verhalten an«
Im gleichen Atemzug, in dem sie selbst die Gräuel und Unglücke dieser Welt publikumswirksam
vermarkten, prangern die Medien mehr oder weniger regelmäßig die angeblich brutalisierende Wirkung
gewalttätiger Fernsehprogramme an. Zu den liebevoll ausgemalten Schreckgespenstern gehören wild
gewordene Teenager, die sich a la» Clockwork Orange «an ihren Mitmenschen vergreifen, weil ihnen ein
Actionfilm von RTL auf der Seele liegt. In den USA machte vor einer Weile ein Junge Schlagzeilen, der
seine Eltern tötete, indem er ihnen heimlich zermahlenes Glas unter das Essen mischte. Die gleiche
Vorgehensweise hatte er am Abend zuvor im Fernsehen gesehen. Doch wie ein Überblick über die
empirische Medienwirkungsforschung zeigt, lassen sich solche Anschuldigungen überhaupt nicht mit den
erhobenen Befunden vereinbaren.
Tatsächlich gibt es wenig Zweifel, dass die Gewalt den Menschen täglich in vielen Formen aus der
Bildröhre entgegenspringt. 439-mal, so zählte das Programmblatt» Hörzu«, wurden Kinder 1998 in TV-
Spielfilmen geprügelt, vergewaltigt, ermordet.9 Im deutschen Fernsehen herrscht kein Mangel an Opfern.
25.000 Morde sind es im Jahr, 25 Stunden Mordszenen werden pro Woche gezeigt. Allein in dem
Spielfilm» Die Hard 2«beißen 264 Menschen bei einem gewaltsamen Ende ins Gras.
Auch wenn die aktuelle Debatte um Gewaltdarstellungen im Fernsehen den Eindruck erweckt, dass
uns ein Problem von nie da gewesener Brisanz unter den Nägeln brennt, wurden die gleichen Vorwürfe
schon in längst vergangenen Epochen vorgebracht. Der antike Denker Platon argumentierte in der
«Politea «für eine Zensur der Märchen und Sagen, weil er fürchtete, dass die Jugend sich deren
«schädliche Wertvorstellungen «zum Vorbild nehme. Zu Beginn unseres Jahrhunderts saßen das Kino und
das Radio, später dann Fernsehen und Video und schließlich das Internet als Anstifter zum Bösen auf der
Anklagebank.
Der unausgesprochene Grundgedanke aller Klagen über die TV-Gewalt ist der, dass ein bestimmtes
Verhalten nur deshalb nachgeahmt wird, weil es gezeigt wurde. Diese Idee, die auf den ersten Blick
offenbar ungeheure Plausibilität besitzt, spricht Menschen die Geistlosigkeit von Automaten zu. Und da
der Königsweg zur wissenschaftlichen Erkenntnis das Experiment ist, führen die Verfechter der
Nachahmungstheorie alle in erster Linie eine Serie von Experimenten zum» Modelllernen «ins Feld, die
der Stanford-Psychologe Albert Bandura in den sechziger Jahren initiierte. Mehrere Kindergruppen
wurden Zeuge, wie jeweils ein Erwachsener mit der Hand, mit einem kleinen Holzhammer, mit einem
Baseballschläger oder mit anderen Instrumenten die immer wieder aufstehende Bobo-Puppe traktierte.
Ein Teil der Wüteriche wurde für die Aggression gelobt, der andere Teil mit einem Klaps bestraft. Dann
erhielten die Kinder, von denen einige durch die Wegnahme eines Geschenkes frustriert worden waren,
selbst Gelegenheit, der Bobo-Puppe eine Lektion zu erteilen.
Von den Ergebnissen ist in den populären Darstellungen fast nur der Ausschnitt überliefert, der den
Glaubenssätzen der Nachahmungstheorie entspricht: Frustrierte Kinder ahmten prompt das Verhalten des
Vorbildes nach und kühlten ihr Mütchen an der Bobo-Puppe, besonders wenn das Vorbild für sein
aggressives Verhalten zuvor belobigt worden war. Doch einige der wichtigsten Resultate bleiben
unerwähnt, geben die beiden kalifornischen Psychologie-Professoren Robert M. Kaplan und Robert