argumentiert, dass die Beschäftigung mit Pornografie greifbare, aber sich gegenseitig aufhebende
stimulierende und hemmende Effekte hervorruft, und zwar dass sie durch ihre Darstellung zu sexuellen
Akten anregen, diese aber zugleich dadurch unnötig machen, dass sie eine >Stellvertretende Katharsis<
gewähren und Angst erzeugen.«
«Massenmedien beeinflussen das politische Denken und Handeln der Menschen«
Es gibt kaum eine Form der Beeinflussung, die so viel Hysterie und Zwietracht auslöst wie die
politische Propaganda. Die meisten Fachleute stimmen mit dem Glauben der Laien überein, dass
weltanschauliche Medieninhalte eine übermächtige Wirkung auf die Ideologie der Empfänger haben.
Schließlich halten totalitäre Staaten und Diktaturen ihre Untertanen mit propagandistischer Indoktrination
in Schach; demokratische Parteien versuchen verzweifelt, dem politischen Gegner mit ausgeklügelten
Manipulationstechniken kostbare Stimmen abzujagen, und alle politischen Lager wehren sich mit
Vehemenz dagegen, dass das Fernsehen der anderen Seite eine ungerechte Bevorzugung angedeihen lässt.
Doch in den wissenschaftlichen Befunden findet dieser Glaube keinen Widerhall.»In einer ganzen Reihe
von sorgfältig durchgeführten Laborstudien ergaben sich verblüffend wenig Anhaltspunkte dafür, dass
politische Wahlkampagnen die Entscheidung der Wähler für oder gegen die einzelnen Alternativen
beeinflussen können«, hebt eine Forschergruppe um den Politologie-Professor Richard R. Lau von der
Rutgers-Universität in einer aktuellen Expertise hervor.14»Die Hauptergebnisse sind folgende«,
rekapituliert der australische Kommunikationswissenschaftler David Sless den Forschungsstand:
«Medieninhalte rufen keine vorhersagbaren Änderungen der Einstellungen hervor.
Einstellungsänderungen führen nicht notwendig zu Verhaltensänderungen… Wir würden von politischen
Kampagnen abraten, die auf eine Änderung von Einstellungen zielen.«15
Auch William J. McGuire schließt sich diesem vernichtenden Urteil an:»Die Übereinstimmung unter
den Experten, dass politische Kampagnen in den Massenmedien weit reichende Wirkungen auf das
Wahlverhalten haben, wird durch die empirischen Daten, die, wenn überhaupt, geringfügige Effekte
demonstrieren, nicht gestützt. «Daran ändern auch die (gelegentlichen) Studien nichts, die einen positiven
Zusammenhang zwischen dem Werbebudget eines Politikers und seinem Rückhalt in der Bevölkerung
postulieren: Es kann sich genauso gut um eine Scheinkorrelation handeln, von der Art, dass man auf
sichere Gewinner größere Summen setzt.
Experimentelle Studien, in denen die Kontakte mit Politwerbung und die darauf folgende Wahlabsicht
erhoben wurden, untermauern diese Kritik: Die Wirkung der Beeinflussungsversuche war verschwindend
klein. Hinzu kommt die Gewohnheit des Massenpublikums, bei politischen Programminhalten — mangels
wirklichen Informations- oder Unterhaltungswertes — innerlich abzuschalten.»Es hat sich unterm Strich
nicht zeigen lassen, dass Politreklame einen greifbaren Effekt auf die Richtung des Wahlverhaltens hat.«
Die Situation in der ehemaligen DDR bot eine hervorragende Gelegenheit, den Einfluss der politischen
Berichterstattung auf das Bewusstsein der Menschen zu studieren. Die 85 Prozent der Ostdeutschen, die
damals problemlos die westdeutschen Radio- und Fernsehsender empfangen konnten, machten ausgiebig
von dieser Möglichkeit Gebrauch. Aber für eine Minderheit von 15 Prozent, die im Bereich zwischen
Dresden und der östlichen Grenze lebten, schlossen die geographischen Verhältnisse diesen» Luxus «aus.
Weil der westliche Rundfunk dort nur sehr schlecht oder überhaupt nicht zu empfangen war, wurde die
dicht besiedelte Region entlang der Oder spöttisch das» Tal der Ahnungslosen «genannt.
Wenn das Fernsehen wirklich die Vorstellungen der Zuschauer steuern könnte, hätten die
«Ahnungslosen «andere Werte und Weltanschauungen haben müssen. Dieser Möglichkeit ist Professor
Hans-Jörg Stiehler vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig
nachgegangen, der als Erster repräsentative Umfragen aus der alten DDR neu analysierte, die eine
Unterscheidung zwischen Empfängern und Nichtempfängern erlaubten.16 Fazit: Die allgemeinen
Werthaltungen und die ideologischen Überzeugungen blieben von der Zugänglichkeit der westlichen
Funkwellen gänzlich unberührt. Die» Ahnungslosen «vertraten die gleichen politischen Werte und
Einstellungen wie die Menschen im übrigen Teil der DDR.
Zumindest politische Schmutzkampagnen, so glauben viele, verrichten erfolgreich ihren Dienst. Eine
Schmutzkampagne, dezent» negative politische Werbung «genannt, ist eine Form der politischen
Kommunikation, die auf die Diffamierung und Verhöhnung des Widersachers zielt, ohne eine eigene
positive Botschaft zu transportieren.»Die übliche Haltung zu Schmutzkampagnen ist, dass keiner sie
gerne hat, aber dass sie funktionieren«, fasst das Team um Lau das verbreitete Credo zusammen. Aber sie
funktionieren nicht, wie die Forschergruppe bei einer statistischen Gesamtschau über die 52 vorfindbaren
empirischen Untersuchungen zum Thema ermittelte.»Wir konnten keine Hinweise finden, dass negative
politische Werbung zum Vorteil der Sponsoren oder zum Nachteil der angegriffenen Personen wirkt… Es
gibt keinen zwingenden Grund für die Annahme, dass Schmutzkampagnen wirken. «Die Wissenschaftler
entdeckten nicht einmal Anzeichen dafür, dass negative politische Werbung das Publikum abstößt und so
zu einer indirekten Wirkung, nämlich einer Entfremdung von den politischen Institutionen, führt.
«Massenmedien entscheiden, welche Themen in der Öffentlichkeit diskutiert werden«
Viele Wissenschaftler haben sich unter dem Eindruck der empirischen Daten von der lieb gewordenen
Vorstellung verabschiedet, dass Massenmedien Menschen» herumkriegen «und ihr Denken und Handeln
beeinflussen können. Und dennoch haben sie sich die Vorstellung von den gewaltigen Medienwirkungen
nicht ganz aus dem Kopf geschlagen: Die wahre Macht der Massenmedien, so die neue Argumentation,
besteht nicht in der Verhaltensbeeinflussung, sondern in der so genannten» Thematisierungsfunktion«
«agenda setting function«): Als Torhüter des Informationsflusses entscheiden Presse und Fernsehen
selbstherrlich darüber, welche Themen und Ideen in der Gesellschaft auf der Tagesordnung stehen und
welche unter den Tisch der öffentlichen Meinung fallen.
Umweltprobleme werden zum Beispiel erst in dem Augenblick» real«, in dem Menschen sie zur
Kenntnis nehmen und als bedeutsam einschätzen. Es ist daher ein nahe liegender Glaube, dass die
Berichterstattung über Umweltprobleme beim Publikum mit der Zeit anschlägt und eine Art»ökologische
Bewusstseinserweiterung «erzeugt, schildert Gerhard de Haan, Professor für allgemeine
Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin.8
Ein Blick auf die empirischen Daten führt jedoch rasch zu einem ernüchternden Ergebnis. So ist allein
zwischen 1970 und 1984 die Zahl der TV-Sendungen zu Umweltthemen von 16 auf 117 jährlich
gestiegen. Nach der Agenda-Setting-Theorie müsste sich dieser Trend bei den intensiven Nutzern des