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sich dagegen frank und frei zu ihren dunklen Seiten, zum Beispiel ihrer labilen, wechselhaften

Charakterstruktur. Hochgradig Selbstbewusste redeten zudem die Fehler, die ihnen im Leben unterlaufen

waren, mit allerlei Rechtfertigungen schön. Rechtfertigungen sind Erklärungen, die betonen, dass ein

Verhalten in der betreffenden Situation durchaus angemessen war.»Wer die Ursachen für seine Missgriffe

immer auf äußere Faktoren schiebt, verbaut sich selbst die Gelegenheit, aus seinen Fehlern zu lernen«,

folgert Mark R. Leary aus solchen Daten. Selbstunsichere machten dagegen kein Hehl daraus, dass ihr

Verhalten unentschuldbar gewesen war.

Die Selbstbewussten rückten bei ihrer Selbstdarstellung besonders ihre besonderen Fähigkeiten und

Begabungen ins Rampenlicht. Es war, als ob ihr ganzes Sinnen und Trachten darauf abzielte, bewundert

zu werden, schließt die Psychologin Schütz. Um sich selbst noch weiter zu erhöhen, scheuen die

Betreffenden nicht einmal davor zurück, andere herunterzumachen. Dies hat auch der Psychologe Roy E.

Baumeister bei der Analyse von Interaktionen zwischen Probanden mit unterschiedlichen Graden an

Selbstwertgefühl festgestellt. Am oberen Ende der Selbstwertskala kamen ziemlich unangenehme

Umgangsformen ans Tageslicht.»Diese Personen neigten sehr viel stärker dazu, den anderen ins Wort zu

fallen. Sie schossen während der Unterhaltung viel häufiger mit ärgerlichen und feindseligen

Bemerkungen quer. Sie sprachen viel eher über Leute als mit Leuten. Alles in allem raubten sie den

übrigen Beteiligten den letzten Nerv.«

Kein Wunder, dass den Betreffenden bei einer psychodiagnostischen Begutachtung ein

überdurchschnittliches Maß an zwischenmenschlichen Anpassungsproblemen zugeschrieben wurde.»Ein

hohes Selbstwertgefühl zu haben läuft offenbar darauf hinaus, zu glauben, dass man besser ist als

andere«, zieht Baumeister Bilanz. Bei den Selbstunsicheren war nichts von dieser herablassenden

Strategie zu merken, resümiert Dr. Schütz: Wahrscheinlich hielt sie die Angst vor der Missbilligung der

anderen zurück.

«Ein positives Selbstwertgefühl begünstigt das Lernen und den Schulerfolg«

Es ist viel leichter, sich den Lernstoff in der Schule anzueignen, wenn man gute Gefühle für sich

selber hat. Mit diesem modernen Credo stimmt vermutlich die Mehrheit aller» aufgeschlossenen «Lehrer

und Erzieher überein. Die Amerikaner haben sogar seit den siebziger Jahren aus dieser Botschaft ein

nationales Programm gemacht: Statt Leistungsdruck, Wettbewerb, Schulnoten und Basiswissen stellten

die Curricula zunehmend Hippiewerte wie» Selbstakzeptanz«,»Selbstwertgefühl «und

«Empfindsamkeit «in den Mittelpunkt. Mit dem Ergebnis, dass die Nachfahren der Cowboys und Indianer

im internationalen Vergleich und besonders in den» harten«, naturwissenschaftlichen Fächern immer

schlechter wurden. Doch ihr Selbstwertgefühl stieg währenddessen zu ungeahnten Höhen auf.

Anfang der neunziger Jahre kam ein Schulvergleich zwischen den USA, Japan und China zu dem

peinlichen Schluss, dass der amerikanische Nachwuchs mit Abstand die schlechtesten Leistungen in

Mathematik vorzuweisen hatte. Gleichzeitig jedoch schätzen die amerikanischen Schüler ihre eigenen

Rechenfähigkeiten als»überdurchschnittlich «ein, geht der Psychologie-Professor Robyn M. Dawes mit

seinem Bildungssystem ins Gericht. Die Schüler in Asien veranschlagten dagegen ihr mathematisches

Können zu niedrig ein.»Es ist beängstigend«, sorgt sich Roy E. Baumeister,»daran zu denken, was

passieren wird, wenn die jetzige Generation von Schülern erwachsen wird und immer noch glaubt,

schlauer zu sein als der Rest der Welt, obwohl sie in Wahrheit dümmer ist. Amerika wird ein Land

eingebildeter Dummköpfe sein.«

Weniger als 25 Prozent der amerikanischen Oberschüler vertraten auf Nachfrage die Überzeugung,

dass» harte Arbeit «eine wichtige Voraussetzung für den schulischen Erfolg darstellt. Von ihren

Altersgenossen in Japan und China gingen dagegen über 60 Prozent mit dieser Auffassung konform. Auch

die amerikanischen Mathematiklehrer warten bei der Frage nach den wichtigsten Qualitäten ihres Berufes

mit einer sonderbaren Werteskala auf.»Sensibilität «und» Enthusiasmus «standen auf den ersten Plätzen,

während» Klarheit «nur eine abgeschlagene Position erreichte. Ihre japanischen und chinesischen

Kollegen stellten dagegen die» Klarheit «mit Abstand auf den ersten Rang.

Ende der achtziger Jahre hat eine Kommission der kalifornischen Landesregierung die Bedeutung des

Selbstwertgefühls für den Schulerfolg auf die Probe gestellt. Die Landesväter wollten sich eigentlich nur

von einem Zirkel von Spitzenwissenschaftlern bestätigen lassen, dass der Königsweg des positiven

Selbstbildes automatisch zu positiven Leistungen führt. Um diese längst beschlossene» Erkenntnis«

abzusegnen, sollten die Koryphäen viele Hunderte von Einzelstudien sichten und der Kommission ein

erschöpfendes Plädoyer vorlegen. Doch zum Verdruss der Politik ging der Schuss nach hinten los,

rekapituliert Robyn M. Dawes: Da die Gelehrten sich stur an die Qualitätskriterien der Wissenschaft

hielten, bekamen ihre Auftraggeber am Ende ein unbequemes Fazit aufgetischt: Zwischen dem

Selbstwertgefühl und dem schulischen Leistungsstand fehlt jeder erwähnenswerte statistische

Zusammenhang. Der Versuch, den Lernerfolg durch die Verbesserung des Selbstbildes zu steigern, ist

daher unweigerlich zum Scheitern verdammt.

Auch der Psychologie-Professor Albert Bandura von der Stanford-Universität, Experte für

Leistungsmotivation und einer der berühmtesten Seelenforscher der Welt, schließt sich in einem neuen

Buch dieser skeptischen Haltung an:7»Das Selbstwertgefühl wirkt sich weder auf die persönlichen Ziele

noch auf die erreichten Leistungen aus. «Eltern haben nach Lage der Dinge durchaus eine Chance, den

schulischen Erfolg ihrer Kinder zu puschen. Aber ihre Einflussmöglichkeit besteht ganz bestimmt nicht

darin, das Selbstwertgefühl der Sprösslinge aufzubauen. Die einzige Strategie, die eine Erfolgsaussicht

besitzt, besteht vielmehr darin, mit Engagement, Disziplin und Überzeugungskraft beim Nachwuchs eine

positive Einstellung zu Lernen, Leistung und Schule zu vermitteln.

«Durch ein niedriges Selbstwertgefühl werden soziale Missstände verhärtet«

Wenn man auf die heilbringende Wirkung eines» gesunden «Selbstwertgefühls vertraut, macht man

nicht an den Grenzen des Individuums Halt. Zu verführerisch ist die Schlussfolgerung, dass ein Mangel

an dem» gewissen Etwas «die Basis für alle erdenklichen sozialen Probleme und gesellschaftlichen

Missstände bildet: Menschen aus zerrütteten Verhältnissen oder sozial benachteiligten Schichten können

ihre Lage nicht ändern, weil das niedrige Selbstwertgefühl sie in unsichtbaren Fesseln hält. Für allein

erziehende Mütter, die von Sozialhilfe leben, ist allein durch den Knick im Selbstbild der Weg in eine

selbst bestimmte Zukunft verbaut. Ohne eine radikale Korrektur am Selbstwert kommen Randgruppen,

Trinker, Drogenabhängige, Delinquenten und andere Problemfälle niemals auf einen grünen Zweig.

«Keiner ist für sein eigenes Leben oder das eines anderen verantwortlich, jeder braucht eine Therapie«,