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Fazit: Nach sechs Monaten hatte die psychische Verfassung der Versuchsteilnehmer sich nicht positiv

verändert. Nach einem Jahr war auch an der Zahl der Herzkomplikationen und Todesfälle keine

Verbesserung abzulesen.

«Tumore werden häufig durch eine spezielle Krebspersönlichkeit ausgelöst«

Es gibt wahrscheinlich wenige Phänomene, die den populären Appeal der Psychosomatik so

eindrucksvoll widerspiegeln wie der Glaube an den berühmt-berüchtigten» Krebscharakter«. Mit diesem

Begriff ist die Vorstellung verbunden, dass gewisse Persönlichkeitsmerkmale den Nährboden für die

Entwicklung einer Tumorerkrankung bilden. Die Krebspersönlichkeit ist in der Tat berüchtigt, weil sie

viele Eigenschaften besitzt, die in der Psychoszene verpönt sind: Die Betreffenden schlucken selbst bei

schlimmsten Belastungen alles herunter und geben sich unauffällig; sie schieben unangenehme Gefühle

wie Wut und Ärger unter den Teppich und opfern sich selbstlos für andere auf, statt mehr Leben für sich

selbst einzufordern. Allerdings sind die Beweise für diesen Zusammenhang in den letzten Jahren unter

heftigen Beschuss geraten, klärt eine Forschergruppe um Dr. Hermann Faller vom Institut für

Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg auf.5

So hat man diese einschlägigen Wesensmerkmale fast stets bei Patienten ausfindig gemacht, die ihre

(bösartige) Diagnose bereits kannten. Die vermeintliche Krebspersönlichkeit könnte also auch einfach

eine Reaktion auf das Wissen sein, dass man mit einer furchtbaren und letztlich oft tödlichen Geißel

geschlagen ist. Dafür spricht auch eine sehr sorgfältige neue Studie an Probanden, die wegen des

Verdachts auf Lungen- oder Brustkrebs untersucht werden sollten. Ergebnis: Nur die Patienten, die fest

überzeugt waren, einen Tumor zu haben, zeigten Züge der Krebspersönlichkeit — und zwar auch dann,

wenn der spätere Befund negativ ausfiel.

Die Patienten, die sich einen negativen Befund versprachen, waren charakterlich unauffällig, auch

wenn dann später wider Erwarten ein Tumor gefunden wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass die

vermeintliche Krebspersönlichkeit nur Ausdruck des inneren Kampfes mit der Diagnose» Krebs «ist,

folgern die Forscher. Es gab zwar auch einige prospektive Studien, deren Teilnehmer schon viele Jahre

vor dem Krankheitsausbruch Züge der Krebspersönlichkeit trugen, aber die Autoren sind in schlimmen

Verdacht geraten, ihre Daten manipuliert zu haben.

Besonders der Heidelberger Sozialwissenschaftler Ronald Grossarth-Maticek hat in diesem

Zusammenhang für einigen Wirbel gesorgt. Mit insgesamt drei Langzeitstudien, von denen die zwei in

Heidelberg durchgeführten angeblich über 20.000 Probanden umfassten, will der Forscher bewiesen

haben, dass Krebs — aber auch Herzinfarkt — fast ausschließlich durch unvorteilhafte Persönlichkeitszüge

verursacht wird. Die überwältigende Mehrheit der Probanden, die zu Beginn der Untersuchung die

entsprechenden Wesensmerkmale aufwiesen, war laut Grossart-Maticek am Ende des

Beobachtungszeitraumes an einer der beiden Krankheiten gestorben.

Zu allem Überfluss hat der arbeitsame Wissenschaftler eine eigene, der Verhaltenstherapie entlehnte

Behandlungstechnik kreiert und» in Handarbeit «einer fast unglaublich großen Zahl von gefährdeten

Individuen an gedeihen lassen. Der Knalleffekt: Die idiosynkratische Psychokur soll mehr Menschen vor

dem sicheren Krebstod bewahrt haben als die herkömmliche Therapie mit Chemotherapeutika.

Von der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit wurden die Thesen des Heidelberger Wunderheilers

überwiegend mit ungläubigem Staunen aufgenommen. Diese Situation änderte sich jedoch, als Grossart-

Maticek den legendären Londoner Seelenforscher Hans-Jürgen Eysenck, eine der Galionsfiguren des

Faches Psychologie, auf seine Seite bringen konnte, rekapitulierte der Psychologie-Professor Manfred

Amelang von der Universität Heidelberg in Trier.6 Wenn man die beiden Forscher beim Wort nimmt, trägt

der» Krebscharakter «das 121 fache Risiko, an einem Karzinom zu erkranken, während die entsprechende

seelische Anlage das Infarktrisiko um den Faktor 27 erhöht. Das sind enorme Dimensionen, die weit über

den herkömmlichen Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck liegen, und die eigentlich

revolutionäre Konsequenzen haben müssten.

Viele Kritiker monieren jedoch, dass die beiden Psychosomatiker ihre Ergebnisse fast ausschließlich

in kleinen, oft von Eysenck kontrollierten und keiner unabhängigen Qualitätskontrolle unterworfenen

Publikationen veröffentlicht haben. Außerdem sind die Kriterien für die Zuordnung zu dem einen oder

anderen Typ extrem schwammig und wurden zudem im Verlauf der letzten Jahre mehrfach ohne

Begründung modifiziert. Diese Veränderungen wecken den schlimmen Verdacht, dass der

Persönlichkeitstyp entgegen allen Regeln der Wissenschaft im Nachhinein zugeordnet wurde — als die

Todesursache bereits bekannt war.

Diese Gefahr wiegt laut Amelang umso schwerer, als die gesamten Daten in der ersten Zeit

ausschließlich von Grossarth-Maticek und seinen Mitarbeitern gesammelt wurden, ohne die Möglichkeit

einer externen Überprüfung. 1982 hinterließ der Forscher dann erstmals die Ausgangsdaten einer seiner

Studien bei zwei Universitäten. Peinliches Ergebnis: Als ein unabhängiger Wissenschaftler deren

Vorhersagewert testen wollte, hatte sich der Zusammenhang mit der Krebswahrscheinlichkeit auf einmal

vollständig in Luft aufgelöst. Die Zuordnung von den Fragebögen zu den Probanden sei durch ein

Missgeschick durcheinander gebracht worden, zog Grossart-Maticek sich aus der Schlinge.

Um die Diskussion auf ein höheres Niveau zu heben, hat Amelang mit Unterstützung der Deutschen

Forschungsgemeinschaft eine Replikation der umstrittenen Untersuchungen in Angriff genommen, deren

Ergebnisse mit größter Spannung erwartet werden. Bislang hat Amelang bereits die Messinstrumente von

Grossart-Maticek einer eingehenden statistischen Würdigung unterzogen. Es stellte sich heraus, dass die

verwendeten Skalen unmöglich die Fähigkeit besitzen können, unterschiedliche Krankheiten

vorherzusagen. Die größte Überraschung kam aber erst, als der Forscher die Tests bei einer Gruppe von

Patienten anwendete, die bereits eines der beiden Krankheitsbilder entwickelt hatten. Ausgerechnet die

Tumorkranken waren nach den Resultaten für einen Infarkt prädisponiert, während die Herzpatienten die

«unpassende «psychosomatische Veranlagung für eine Krebserkrankung zeigten.

«Magengeschwüre werden durch psychosomatische Faktoren verursacht«

Magenentzündung (Gastritis) und Magengeschwüre waren viele Jahrzehnte lang eine unangefochtene

Domäne der Psychosomatik, weil die Organmediziner keinen richtigen Dreh zum kranken Magen fanden.

Magengeschwüre, so die klassische Theorie, werden durch den unbewussten und verdrängten Wunsch

nach Liebe, Pflege, Abhängigsein und Genährtwerden ausgelöst. In einer populäreren und eingängigeren

Variante sollen dagegen» heruntergeschluckte Sorgen «verantwortlich sein. Manchmal werden

Magengeschwüre schließlich auch schlicht und einfach als» Stresskrankheit «gehandelt. Die