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In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Bd. 44 (1996), S. 104–116.

6 Amelang, Manfred (mit C. Schmidt-Rathjens): Psychometrische Gütekriterien und Persönlichkeits-Korrelate der Krankheitsprädiktoren von

Grossarth-Maticek und Eysenck. In: Diagnostica, Bd. 39 (1993), S. 281–298.

7 Hodel, L. /Grob, P. J.: Psyche und Immunität. In: Schweizerische Medizinische Wochenschrift, Bd. 123 (1993), S. 2323–2341.

8 Apanius, Victor: Stress and immune defense. In: Advances in the study of behavior, Vol. 27 (1998).

9 «Stress kann auch in Hochform bringen«. In: Stern, 19/98.

10 Becker, Jilclass="underline" Hormonal influences on extrapyramidal sensorimotor function and hippo-campal plasticity.

In: Jill Becker et al. (Hg.): Behavioral endocrinology. MIT Press, Cambridge, 1992.

11 Zimmer, Dieter E.: Tiefenschwindel. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1990.

12 Dalbert, Claudia: Verdientes Unglück? In: Psychologie heute, Mai 1998.

13 Lumley, Mark A. et al.: How are alexythymia and physical illness linked? In: Journal of psychosomatic research. Vol. 41 (1996), S. 505–518.

14 Zorn, Fritz: Mars. Fischer Verlag, Frankfurt 1994.

Seelengedrängel

«Manche Menschen werden von multiplen Persönlichkeiten übermannt«

Wir alle werden manchmal dermaßen von widersprüchlichen Leidenschaften und Impulsen

heimgesucht, dass wir den Eindruck bekommen, eine» gespaltene Persönlichkeit «zu besitzen.

Doch nach Meinung einiger selbst ernannter Experten ist eine sehr viel schwerwiegendere und

behandlungsbedürftige Variante von» Persönlichkeitsspaltung «auf dem Vormarsch, die als

«Multiple Persönlichkeitsstörung«(MPS) bezeichnet wird. In diesen armen Menschen sollen bis

zu 100 und mehr Persönlichkeiten mit völlig unabhängigen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen

nebeneinander herumspuken, von denen jede einzelne von einem Augenblick zum anderen die

Kontrolle über den» Wirtskörper«übernehmen kann.

Groteske Erscheinungen wollen die von der Existenz des Seelenleidens überzeugten

Psychospezialisten beobachtet haben, sobald eine der Alternativ-Persönlichkeiten (»Alter«) das

Kommando über einen MPS-Patienten an sich reißt: Plötzlich ist ein zuvor normalsichtiger Patient

stark kurzsichtig, Allergien verschwinden binnen Sekunden, der einschlägige Dialekt macht einem

völlig fremden und unbekannten Duktus Platz. Während des dramatischen Persönlichkeitswechsels

«switching«) sollen auch im Hirnstromwellenbild (EEG) und in den Darstellungen anderer

bildgebender Verfahren frappierende und aufschlussreiche Veränderungen zu sehen sein.

Nach kritischer Sichtung der Daten kommt jedoch mittlerweile ein ganzes Heer von

nüchternen Fachwissenschaftlern zu dem Schluss, dass dieses Seelenspektakel an den Haaren

herbeigezogen ist.»Es gibt überhaupt keine multiplen Persönlichkeiten«, dementiert der

amerikanische Psychologe und Wissenschaftspublizist Robert A. Baker den verbreiteten Glauben.

«Jeder einzelne Fall, der sorgfältig unter die Lupe genommen wurde, hat sich als eine künstlich

durch den Therapeuten hervorgerufene (>iatrogene<) Vorspiegelung entpuppt.«

Auch der für seine Einfühlsamkeit gegenüber» Verrückten«— Patienten mit der Diagnose

Schizophrenie — berühmte Psychiatrie-Professor Klaus Dörner aus Gütersloh stimmt dem völlig zu.2 Viele

Laien werfen die multiple Persönlichkeit und die durchaus reale und tragische Geisteskrankheit

Schizophrenie durcheinander, obwohl Schizophrene gar keine abgespaltenen Seelenanteile aufweisen. Bei

ihrem Leiden stehen vielmehr geistige Zerfahrenheit und Wahngedanken im Vordergrund.»Da wächst,

blüht und gedeiht etwas in der Therapeutenszene«, spottet Dörner über den Mythos MPS, den er für eine

Pseudodiagnose hält.»Die Multiple Persönlichkeitsstörung gibt es überhaupt nicht.«

«Die Existenz der multiplen Persönlichkeit wird durch historische Fallbeispiele dokumentiert«

Dass die Vorstellung einer gespaltenen Persönlichkeit einen verführerischen Reiz besitzt, stellte der

in Edinburgh geborene Schriftsteller Robert Louis Stevenson 1886 mit dem durchschlagenden Erfolg

seines Schauerromans» Dr. Jekyll und Mr Hyde «unter Beweis. Der Weltbestseller beschreibt die dunkle

Seite des sympathischen und respektablen Dr. Jekyll, der sich unter dem Einfluss einer Droge anfallsartig

in den widerlichen Meuchelmörder Mr Hyde verwandelt. Just in Edinburgh traten aber auch Anfang des

neunzehnten Jahrhunderts eine ganze Reihe von Patienten in Erscheinung, die von sich behaupteten, von

einem doppelten Bewusstsein befallen zu sein. In ihren Berichten war stets von einem

«Somnambulismus «die Rede: Sie waren plötzlich in einen schlafähnlichen Zustand geraten, in dem eine

andere Person die Oberhand gewann. Schlagzeilen machte der Fall eines einfachen Mädchens, das in

diesen» weggetretenen «Phasen unerwartet zu herausragenden intellektuellen Leistungen fähig war.

Doch diese insularen Ausbrüche blieben Episoden. Der Paukenschlag, welcher der Diagnose MPS

augenblicklich zum weltweiten Durchbruch verhalf, trug sich erst 1973 mit dem sensationellen Fall

«Sybil «in den Vereinigten Staaten zu. Während ihrer elf Jahre dauernden Behandlung stellte sich

angeblich heraus, dass diese Patientin, auf die sich die Verfechter der MPS noch heute berufen, aus nicht

weniger als 16 Persönlichkeiten bestand. Der Bericht über die Therapie, welche dauerhaft die

ursprüngliche» Schallmauer «von nur zwei Egos durchbrach, fand nicht nur den Weg zum großen Lese-

und Kinopublikum. Er löste auch einen wahren Dammbruch von öffentlichen Reaktionen und

Trittbretteffekten aus. Überall erschienen Magazinartikel und populäre Bücher zu der bizarren Störung;

sie wurde zu einem Lieblingsphänomen der zahlreichen Talkshows, und überall boten» MPS-

Therapeuten «und spezialisierte Kliniken ihre Dienste an.

Mit einem Male meldeten sich im ganzen Land Menschen, die das Leiden der Sybil am eigenen

Leibe verspürten. In der klinischen Literatur wurden bis Mitte der neunziger Jahre etwa 300 Beispiele

von MPS beschrieben. Aber lediglich acht Fälle ereigneten sich in der Vor-Sybil-Ära. Bis 1981 war die

Zahl schon auf rund 100 hochgeschnellt.1 In den letzten 25 Jahren, klagen die Fachleute, sei die wahre

Zahl der Betroffenen jedoch schon auf 20.000 gestiegen.

Doch mit dem Vorbild der Sybil sind die Trittbrettfahrer offenbar auf eine Mogelpackung

hereingefallen: Die 16 Persönlichkeitsabspaltungen in dem Paradefall waren nur die Erfindung einer

Therapeutin und einer Autorin.»Ihr Ruhm in der Psychologiegeschichte «beschränke sich in Wahrheit

darauf, die» zentrale Figur im größten Psycho-Skandal des Jahrhunderts «gewesen zu sein, konstatiert der

New Yorker Psychologe Robert Rieber.3 Der» Fall Sybil«, so Rieber 1998 auf der Jahrestagung des