oder produzierten sich» unsittlich«. Doch kamen spätere Analysen zu dem Schluss, dass für diese
Handlungsweisen gar kein spezifischer Bewusstseinszustand erforderlich ist. Alle Menschen sind zu
solchen Taten fähig, meint Wagstaff, wenn in der Situation bestimmte Bedingungen erfüllt sind: 1.) Sie
haben den Wunsch, dem Hypnotiseur oder dem Versuchsleiter einen Gefallen zu tun. 2.) Sie sind
überzeugt, dass die Handlungen in Wirklichkeit ungefährlich sind. 3.) Sie sind überzeugt, dass jemand
anders die Verantwortung für die Konsequenzen übernimmt.
Tatsächlich stellte sich bei den späteren Experimenten heraus, dass ganz normale Versuchspersonen
im glockenwachen Zustand die gleichen» ungeheuerlichen «Anweisungen eines Versuchsleiters im
weißen Kittel befolgen, denen sich andere Probanden in Trance und auf Geheiß eines Hypnotiseurs
unterwerfen: Sie nehmen die vermeintliche Giftschlange vom Boden auf, tauchen ihre Hand in ein Bad
aus» flüssigem Stickstoff «oder schleudern ihrem Gebieter die Säure entgegen. Andere zerreißen die
Bibel und die Nationalflagge oder beginnen munter mit Heroin zu dealen.»Alles, was Menschen unter
Hypnose tun, können sie auch im nichthypnotisierten Zustand tun, vorausgesetzt, sie sind dazu motiviert
und die Situation ist mit dieser Verhaltensweise vereinbar«, folgert der renommierte amerikanische
Hypnosespezialist T X. Barber.5 Es gibt keine Beweise, dass die Trance verschüttete körperliche Talente
freisetzen kann, pflichtet Wagstaff bei.»Wer in Trance eine Last von 200 kg auf seiner Brust erträgt,
kriegt dies auch im normalen Alltag hin.«
So unglaublich dies für Laien klingen mag: Es gibt gar keine Beweise dafür, dass der physiologische
Ausnahmezustand» hypnotische Trance «in dieser Form überhaupt existiert, betont Wagstaff.»De facto
konnten nie irgendwelche physiologischen Werte gemessen werden, durch die sich der hypnotische
Entrückungszustand vom geistigen Normalzustand unterscheiden würde. «Auch der amerikanische
Psychologe Martin T. Orne, der die Hypnose seit 25 Jahren studiert, teilt dieses Urteiclass="underline" »Die Hypnose
besitzt keine spezifische physiologische oder neurologische Basis und kann daher nicht vom Schlaf oder
vom Wachzustand unterschieden werden.«6 Die Hirnstromwellenmuster eines Hypnotisierten stimmen
zum Teil mit jenen im Wachzustand, zum Teil mit jenen im entspannten Zwischenstadium zwischen
Wachen und Dösen überein. Tatsache ist sogar, dass sehr viele Hypnotiseure erhebliche Schwierigkeiten
haben, ihre Medien vom Abdriften in den Schlummer abzuhalten.
Die Beweislast gegen den physiologischen Sonderstatus der Trance ist übrigens so erdrückend, dass
selbst die Anhänger der Hypnose diesen Begriff gar nicht mehr oder nur noch widerwillig benutzen.
Dennoch nehmen sie gerne in Kauf, dass der Glaube an die Existenz der Trance bei großen Teilen des
Publikums weiterhin fröhliche Urständ feiert. Wer trotzdem der Meinung ist, dass er den Realitätsgehalt
des Phänomens hieb- und stichfest dokumentieren kann, kann sich mit dem Nachweis eine goldene Nase
verdienen:»The Amazing Kreskin«, ein berühmter amerikanischer Bühnenhypnotiseur, hat 100.000
Dollar für denjenigen ausgesetzt, der ihn von der Realität des veränderten Bewusstseinszustandes
überzeugen kann.7 Zwei Überzeugungsversuche hat der Zweifler bereits vor Gericht abgeschmettert.
«Man kann Menschen unter Hypnose instruieren, Dinge gezielt zu vergessen«
Einer der eindrucksvollsten Hypnoseeffekte für Außenstehende ist die» posthypnotische Suggestion«.
Diese Form der Beeinflussung besteht darin, dass der Hypnotiseur dem Medium aufträgt:»Wenn Sie
gleich aufwachen, haben Sie alles vergessen, was sich in der Trance ereignet hat. «Die Person erhält zum
Beispiel den Auftrag, immer etwas Bestimmtes zu tun (zum Beispiel sich an die Nase zu fassen), wenn
sie ein bestimmtes Signal (zum Beispiel das Wort» Psychologie«) vernimmt. Doch es ist mittlerweile
nachgewiesen, dass die Betreffenden, die dem Befehl folgen, nur eine Schau für das eingeweihte
Publikum abziehen.
Das beste Belastungsmaterial gegen die posthypnotische Suggestion lieferte der Psychologe Nicholas
Spanos, als er Versuchspersonen unter Hypnose befahl, stets zu husten, wenn das Wort» Psychologie«
geäußert wurde. Während der Vorstellung vor dem geneigten Publikum führten die Probanden auch
bereitwillig die leicht beschämende Anweisung aus. Doch nach der Prozedur begegneten sie auf dem
Unigelände einem ihnen unbekannten Komplizen Spanos, der sich scheinheilig nach dem Institut für
«Psychologie «erkundete. Keiner der zuvor Hypnotisierten hustete bei dieser Gelegenheit, die ja keinen
Anlass für eine» Show «enthielt. Doch alle husteten, wenn die Frage von einer Person gestellt wurde, die
bei der vorherigen Sitzung anwesend gewesen war. Und auch ein paar Tage später, in einer weiteren
Sitzung vor eingeweihtem Publikum, brachten alle Betroffenen wieder den erwünschten Reflex hervor.
Wenn Personen wirklich in der Lage wären, Dinge zu vergessen, die sich während der Hypnose
ereignet haben, müssten sie auch unter Druck unfähig sein, die kritischen Erinnerungen hervorzukramen,
meint Spanos. Nicht wenige Medien lassen sich die» blockierten «Gedächtnisinhalte schon durch
einfaches Befragen aus der Nase ziehen, geben die beiden Psychologen Crombag und Merckelbach zu
bedenken. Es hat sich aber mehrfach gezeigt, dass sogar mehr als die Hälfte der Probanden» auspacken«
und die» verbotenen «Informationen (zum Beispiel bestimmte Schlüsselwörter) erinnern, wenn man
ankündigt, sie würden an einen Lügendetektor angeschlossen. Noch größerer Druck und Appelle an
Ehrlichkeit bringen am Ende die Mehrheit der» Simulanten «zum Umfallen. Nur ganz wenige bestanden
auch unter starkem Druck darauf, dass sie sich nicht mehr an die betreffenden Wörter erinnern können,
berichten die beiden Holländer.»Das waren die Versuchspersonen, die wahrend der Hypnose fast
eingeschlafen waren und deshalb die Wörter gar nicht erst gelernt hatten.«
In einem besonders ausgeklügelten Experiment führte Spanos die Probanden mit der Behauptung irre,
abstrakte Begriffe würden im Gehirn rechts, konkrete links abgespeichert, während die anderen das
Gegenteil annahmen. Nach dem Lernen wurde den Probanden ein Gedächtnisverlust für die Wortliste
suggeriert, der — erwartungsgemäß — eintrat. Vor dem Widerruf der Amnesie trat der Hypnotiseur jedoch
erfolgreich mit dem linken und rechten» Spion «jedes Teilnehmers in Kontakt, und tatsächlich gelang es
ihm so, dem Rechtsteil alle angeblich rechtshemisphärischen Wörter, dem Gegenpart alle angeblich links-
hemisphärischen Wörter zu entlocken.
Eine verwandte Suggestion besteht darin, den Hypnotisierten einzuflößen, dass sie bestimmte Dinge
nicht mehr sehen oder hören können. Viele Medien legen dann eine überzeugende Aufführung eines
Blinden oder Tauben hin. Doch auch in diesem Fall steckt allein der Wunsch, dem Hypnotiseur eine gute
Show zu bieten, hinter dem Rollenspiel. Den Nachweis erbrachte Spanos, als er seinen hypnotisierten
Versuchspersonen den Auftrag gab, die ihnen dargebotene Zahl 8 nicht mehr sehen zu können.
Tatsächlich legten die Versuchspersonen prompt die gewünschte Zahlenblindheit an den Tag. Doch