daraufhin setzte Spanos seinen Probanden den Floh ins Ohr, dass wirklich tief Hypnotisierte am Anfang
einen kurzen Blick auf die 8 erhaschen können, bevor sie sich endgültig in Nichts auflöst. Ergebnis:
Plötzlich machten alle Versuchspersonen geltend, dass sie eine kleine Momentaufnahme der 8
mitbekommen hätten.
«Man hat den starken Eindruck, dass die Versuchspersonen einfach logen, als sie anfänglich auf der
Unsichtbarkeit der Zahl 8 bestanden«, folgert Graham Wagstaff aus diesem Befund. Dieser Verdacht wird
auch durch ein anderes Versuchsergebnis von Spanos gestützt. In dem betreffenden Experiment wurde
den Probanden aufgetragen, dass ihr Gehör nun durch Taubheit gänzlich abgeschaltet sei. Auf die Frage
«Können Sie mich hören?«gaben viele der Betreffenden die verräterische Antwort:»Nein, das kann ich
nicht.«
Mit einer weiteren Studie hat Spanos schließlich den Glauben ins Wanken gebracht, dass
Hypnotisierte einen Verlust ihrer Willenskraft erleiden. Den Versuchspersonen wurde zunächst suggeriert,
dass sie einen Arm wegen einer Lähmung nicht mehr bewegen könnten. Dann erhielten sie die Weisung,
mit dem gelähmten Arm dennoch eine Bewegung auszuführen. Einem Teil der Probanden hatte man
zuvor weisgemacht, die» unmögliche «Bewegung sei Zeichen einer besonders tiefen Entrückung; den
anderen wurde eingeredet, dass gerade die Unfähigkeit zur Bewegung ein Merkmal tiefer Trance
darstelle. Die Hypnotisierten verhielten sich als» brave Versuchspersonen «genau im Sinne der
Vorinformation: Im Glauben, dies verrate tiefe Entrückung, kamen sie dem Befehl zur Bewegung nach.
Im andern Falle hielten sie an ihrer» Lähmung «fest.
«Mit Hilfe der Hypnose kann man versteckte und vergessene Erinnerungen wachrufen«
Es ist eine Szene, die vielen Zuschauern aus Kriminalfilmen und Psychothrillern geläufig ist: Ein
wichtiger Zeuge, der wichtige Aspekte eines Mordes oder eines anderen schlimmen Verbrechens
vergessen hat, kramt unter Hypnose die entscheidenden Einzelheiten aus seinem Gedächtnis hervor.
Hinter diesem Klischee steckt der Mythos, dass alles, was der Mensch erlebt, von einer
Archivierungsstelle in seinem Kopf gehortet wird, und dass die Hypnose einen direkten Zugang zu der
unverwischten Gedächtnisspur erlaubt. Doch in den empirischen Forschungsarbeiten findet dieser
Glauben keinen Halt, heben die beiden Psychologie-Professoren Crombag und Merckelbach hervor:
«Kontrollierte Laborstudien haben konsequent darin versagt, den Beweis zu erbringen, dass es irgendeine
hypnotische Gedächtnisverbesserung gibt. «Obwohl selbst Sigmund Freud sehr rasch von der Hypnose
als Mittel zur Aufdeckung des Verdrängten Abstand nahm, stimmen heute viele Laien und Experten
überein, dass man Erinnerungen mit Hypnose» auffrischen «und Menschen in frühere Episoden ihres
Lebens (oder früherer Leben) zurückführen kann. Dieser Mythos wird sehr gut durch den James-Dean-
Film» Rebel without a cause «dokumentiert, in dem ein Hypnotiseur einen Psychopathen in sein erstes
Lebensjahr zurückführt. In der Entrückung wird dann alles klar: Er erinnert sich, wie er als Kleinkind die
«Urszene«(den Geschlechtsakt der Eltern) gesehen hat. Dieses Trauma hat die Weichen für sein späteres
Leben gestellt.
Wissenschaftlich gesehen stecken hinter der Theorie der» Gedächtnisverbesserung «zwei
verschiedene Fragen:»Kann man das Gehirn unter Hypnose in die Kindheit zurückführen?«, und:»Kann
man unter Hypnose blockierte Gedächtnisinhalte befreien?«Die erste Streitfrage wurde von seriösen
Wissenschaftlern bereits in den fünfziger Jahren erledigt. Damals versetzte man Versuchspersonen in ihre
ersten Lebensjahre zurück und schaute nach, ob ihre Gehirnaktivität und ihr psychologisches Testprofil
dem von kleinen Kindern entsprachen. Nach über 80 experimentellen Studien fällt die Antwort definitiv
negativ aus, halten Crombag und Merckelbach fest:»Wenn Versuchspersonen unter Hypnose zu ihren
Kinderjahren zurückgeführt werden, fühlen sie sich zwar als Kind, aber neurologisch und psychologisch
bleiben sie erwachsen. Ihre Gehirnaktivität ändert sich nicht, sie zeigen nicht die Reflexe, die für
Kleinkinder typisch sind, aber geistig gesehen bemühen sie sich in vielerlei Hinsicht, einem Kleinkind zu
ähneln, wenn diese Bemühungen auch jämmerlich fehlschlagen. «Die Rückkehr in die ersten Lebensjahre
ist nur eine (oft dilettantische) Bühnenshow.
Auch die zweite Idee, nämlich dass man unter Hypnose vollkommen vergessene und verdrängte
Erinnerungen wachrufen könne, hat bei ihrer Prüfung wiederholt Schiffbruch erlitten. Man ließ
Probanden unter Hypnose an ihre Schulzeit denken. Sie sollten auch die Namen der Kinder, die im
Klassenzimmer neben ihnen gesessen hatten, auflisten.»Als diese aber anhand der Schularchive
überprüft wurden, stellte sich heraus, dass fast nichts übereinstimmte«, ziehen die holländischen
Seelenforscher Bilanz. Ein anderer Forscher brachte Versuchspersonen unter Hypnose in ihr drittes
Lebensjahr zurück. Sie sollten über ein Schmusetier berichten, das sie in einer bestimmten Situation in
die Hand genommen hatten. Der» Erinnerung «wurden dann die Aussagen der Mutter gegenübergestellt.
Nur in einem Viertel der Fälle stimmte das unter Hypnose genannte Schmusetier mit dem Schmusetier
überein, das sie als Kind wirklich bevorzugt hatten.
In einer dritten Studie schauten sich die Probanden ein Video mit einem gestellten Diebstahl an. Eine
Woche später mussten sie einer polizeilichen Gegenüberstellung beiwohnen, bei der sechs Menschen in
einer Reihe standen, von denen einer der Langfinger war. Die eine Gruppe der Versuchspersonen wurde
in Hypnose versetzt, die andere nicht. Von den hypnotisierten Versuchspersonen identifizierten 14 Prozent
die richtige Person, aber von den nichthypnotisierten 43 Prozent. Es gibt keinen Grund, anzunehmen,
dass Hypnose einen privilegierten Zugang zu verwischten und entfallenen Erinnerungen weist, meinen
die beiden Holländer.»Das Gegenteil ist eher der Falclass="underline" Unter Hypnose wird das Gedächtnis anfälliger für
Täuschungen.«
Diesem Urteil schließen sich auch Eberhard Höfer und Günter Köhnken vom Institut für Psychologie
der Universität Kiel an.8 Hypnotisierte lassen sich danach sehr viel leichter durch unwichtige
Nebenaspekte und vage Andeutungen in die Irre führen.»Unter diesen Umständen können sich
fehlerhafte Erinnerungen so sehr festsetzen, dass die Probanden selbst im Wachzustand an ihre Gültigkeit
glauben, sogar dann, wenn sie durch den Versuchsleiter über diesen Irrtum aufgeklärt werden. «Aus
diesen Befunden hat der Gesetzgeber längst Konsequenzen gezogen: In Deutschland wird Hypnose im
Paragraphen 136 a der Strafprozessordnung explizit zu den» verbotenen Vernehmungsmitteln «gerechnet.
Die wissenschaftliche Psychologie hat sich ohnehin längst von dem Aberglauben gelöst, dass unser
Gedächtnis wie ein technischer Informationsspeicher funktioniert, der eine detailgetreue» Wiedergabe«
des aufgezeichneten Erinnerungsfilmes erlaubt. Das Gedächtnis» hortet «Erinnerungen nicht wie
verstaubte Ausstellungsstücke, sondern montiert die Vergangenheit bei Bedarf im Sinne eines
Indizienbeweises. Es ist kein Videorecorder, sondern eher ein Theater, das mit seinem Ensemble