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den indischen Beschreibungen auf. Indische Beinah-Verstorbene kehren dafür häufig mit körperlichen

Stigmata aus der Schattenwelt zurück. Weder Melanesier noch Chinesen passieren im Scheintod einen

Tunnel.

Selbst innerhalb westlicher Kulturen wird das vermeintlich universelle Nahtod-Erlebnis durch

landesspezifische Charakteristika geprägt. Bei den kinobesessenen Amerikanern läuft zum Beispiel sehr

viel häufiger ein Lebensfilm ab als bei den Briten. Es ist auch kein Wunder, dass sich in den

Sterbensvisionen der vergleichsweise fundamentalistischen Amerikaner häufiger biblische Gestalten und

Motive manifestieren.

Sogar die Deutschen diesseits und jenseits der ehemaligen Zonengrenze hecken unterschiedliche

Visionen aus. Über 2.000 Bundesbürger und Schweizer hat ein Soziologenteam der Universität Konstanz

nach entsprechenden Erlebnissen befragt.3 Das Fazit der Studie: Weder gibt es eine kulturunabhängige

Standarderfahrung, noch verweisen die Erlebnisse auf ein Leben nach dem Tod. Der Zürcher Banker

stirbt anders als der Berliner Straßenkehrer, der Wessi dankt anders als der Ossi ab. Die Visionen beim

Aushauchen des Lebens sind Produkte des Bewusstseins, ein Rauschen der Nervenzellen, in Gang gesetzt

von einer komplizierten Chemie des Gehirns und im Wesentlichen geprägt von Kultur und eigener

Biografie, meint der Konstanzer Soziologe Hubert Knoblauch, einer der Initiatoren der Erhebung.

Die Reise zum Licht erweist sich als typische Erscheinung des (religiöseren) Westdeutschen, dessen

Erfahrungen überhaupt auffallend den amerikanischen Vorlagen gleichen. Während der Wessi viel eher

gen Himmel entschwebt, stirbt der Ostdeutsche in einem auffallend tristen Rahmen. Erst geht's durch den

Tunnel, dann macht er auch noch» schreckliche, respektive höllische Erfahrungen«: Von denen, die im

Osten Todesnähe erfuhren, erlebten 60 Prozent diese Tortur — eine Erfahrung, die sehr viel weniger

Westdeutsche teilen. Knoblauch vermutet, dass sich die positiven Bilder aus dem US-Standardmodell im

kulturellen Gedächtnis der Menschen der Ex-DDR noch kaum abgelagert haben. Oder, so fragt sich der

Forscher:»Förderte die autoritär strukturierte Gesellschaft in stärkerem Maße Strafphantasien?«

Auch ins Paradies gelangen die Bedauernswerten aus den neuen Bundesländern weit seltener. Wenn er

überhaupt etwas Schönes erlebt, greift der atheistisch erzogene Ostdeutsche lieber auf naturnahe

Metaphern zurück: Nicht im» Paradies «landet er, sondern auf einer» sehr schönen Blumenwiese«, in

einer» grünen Oase«, einer» Allee mit blühenden grünen Bäumen «oder an einer» kleinen Quelle, die

plätscherte«. Im Westen erkennt fast jeder Zweite einen Hinweis auf Gott, im Osten nur jeder Vierte.

Während sich der Ostdeutsche im ausgeprägt areligiösen, weltlichen Rahmen bewegt, erfährt der

Westdeutsche eine» jenseitige Welt«(63 Prozent) und spürt»übersinnliche Kräfte«(68 Prozent).

Auch die Tatsache, dass eher ins Jenseits aufbricht, wer schon von dieser Reisemöglichkeit gehört

hat, könnte ein Indiz für weltliche Inspiration sein. So hatten viele Ostdeutsche zu DDR-Zeiten ihre

Vision noch schlicht als Traum ausgelegt. Erst nach der Wende erfuhren sie im Fernsehen und aus

Illustrierten, was dem modernen Menschen auf dem Weg ins Jenseits so widerfährt. Glichen sich die

Sterbeprozesse der Menschen aller Kulturen im Kern, dürften geografische und individuelle

Besonderheiten keine große Rolle spielen. Sie tun es aber.

Eidgenossen flechten sogar einschlägige alpenländische Sehenswürdigkeiten in ihre Todesphantasien

ein. So etwa die Schweizer Bergsteiger, deren Nahtod-Erlebnisse der Geologe Albert Heim 1891 im

«Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs «veröffentlichte: Sie durchquerten weder eine mittelalterliche

Hölle noch einen Tunnel. Sie fielen in alpinem Ambiente» in einen herrlich blauen Himmel mit

rosenfarbenen Wölklein«. Der Hopi-Indianer durchquert auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe die

Prärie. Eine Inderin reitet auf einer Kuh in den Himmel, während ein New Yorker mit einem gelben Taxi

dorthin fährt.

«Nahtod-Erfahrungen kommen in Todesnähe ausgesprochen häufig vor«

Ein weiteres, häufig zitiertes Argument für den realen Charakter der Nahtod-Erfahrung ist ihre angeblich

große Häufigkeit. Wenn dem Menschen im Zwischenstadium zwischen Diesseits und Jenseits tatsächlich

transzendentale Sendboten begegnen, gibt es keinen Grund dafür, dass das Erlebnis nur einem engen

Kreis von» Erleuchteten «vorbehalten sein solclass="underline" Eine real existierende Sterbensvision müsste im Prinzip

einen demokratischen Charakter haben.

Bei einer Umfrage unter 1.500 Personen, die dem Sensenmann entronnen waren, stellte sich 1981 in

den USA in der Tat heraus, dass etwa ein Drittel davon die einschlägigen Visionen vorweisen konnte.

Nach den damaligen Schätzungen hätten möglicherweise bis zu 8 Millionen Amerikaner bereits» das

Licht «gesehen. Durch die modernen Errungenschaften der Apparatemedizin wurden in den vergangenen

Jahren immer mehr Patienten aus den Klauen des Todes zurückgeholt. Und weil das Thema Nahtod-

Erfahrung in den Massenmedien eine immer größere Resonanz erfuhr, müsste die Bereitschaft,

entsprechende Erlebnisse einzugestehen, gestiegen sein. Eine deutliche Zunahme der Schilderungen

wäre die Folge.

Doch die sagenhaften Begegnungen sind wahrscheinlich weitaus seltener, als die damaligen Zahlen

erwarten ließen. Bruce Greyson, Professor für Psychiatrie an der Universität Virginia, wollte

untersuchen, ob sich Herzpatienten mit Nahtod-Erlebnissen in Bezug auf Lebenszufriedenheit und

Heilungschancen von» normalen «Patienten unterscheiden.9 Aber zur Verblüffung des Forschers

berichteten nur elf von 500 Patienten mit Angina pectoris, Herzattacken oder gar Herzstillstand von einer

«Jenseits-Vision«. Das sind etwa 2 Prozent.

«Das liegt weit unter der Rate von 20 bis 40 Prozent, die noch vor 15 Jahren angenommen wurde«,

sagt der Professor, der sein Ergebnis bei der 3. Europäischen Konferenz der» Society for Scientific

Exploration«(SSE) in Freiburg vorgestellt hat. Die Kriterien für eine echte Nahtod-Erfahrung seien

damals nicht streng genug gewesen, und die Kandidaten seien wohl nicht zufällig ausgewählt worden.

Wahrscheinlich hatten die damaligen NDE-Experten bei ihren Studien gezielt Kandidaten bevorzugt,

denen das» gewisse Etwas «widerfahren war.

«Nahtod-Erfahrungen sind in der überwiegenden Zahl der Fälle positiv getönt«

Es ist ein fester Bestandteil der modernen Nahtod-Mythologie, dass der Weg aus dem irdischen

Jammertal mit euphorischen und seligen Gefühlen gepflastert ist.»Das Erlebnis beginnt mit einem

Gefühl wunderbaren Friedens und Wohlbehagens, das sich im Weiteren zu überwältigender Freude und

zu völligem Glück steigert«, beschreibt der amerikanische Psychologie-Professor Kennern Ring den

Kick.6 In dieser euphemistischen Vorstellungswelt ist einfach kein Platz für einen» Horrortrip«.

Doch nicht nur die Rückschau auf die Sterbensvisionen des Mittelalters beweist, dass der vermeintlich

sanfte und schonungsvolle Übergang durchaus von Heulen und Zähneklappern gezeichnet sein kann. Der