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Therapie von» psychosomatischen «Störungen nicht den geringsten Nutzen bringt. Dass manche

Therapieformen wie die jungsche Analyse oder die Bioenergetik bei Grawe so schlecht abschneiden, liegt

aber gar nicht daran, dass sie bei einer Prüfung durchgefallen wären: Die Außenseitertherapien sind

einfach nie oder nie hinreichend getestet worden.

Doch der amerikanische Psychologie-Professor Bruce E. Wampold von der University of Wisconsin in

Madison ist sich absolut sicher, dass die empirischen Daten gegenwärtig nicht den geringsten Anlass

geben, das für die Psychotherapie so peinliche Dodo-Verdikt umzustoßen.6 Diese Ansicht teilt auch sein

Kollege Professor Ted R. Asay von der Brigham-Young-Universität:»Fast alle Übersichten gelangen zu

dem Schluss, dass sich die verschiedenen Formen der Psychotherapie in ihrer Wirksamkeit nicht

unterscheiden.«24

Wampold hat die» Ausreißer«, also die Übersichten, die bestimmten Verfahren eine

überdurchschnittliche Wirksamkeit zubilligen, unter die Lupe genommen und ein verräterisches

Phänomen entdeckt: Sie stammen samt und sonders von Autoren, die Vertreter der vorgeblich

«überlegenen «Therapieform sind. Wenn man derart ideologisch» befangene «Darstellungen außer Acht

lässt, kommt man rasch wieder auf die Gleichheit der konkurrierenden Schulen zurück. Die Hoffnung auf

«differenzielle Wirksamkeit«, die Klaus Grawe in Deutschland mit seinem Wälzer geschürt hat, war

offensichtlich fehlgeleitet.

Zu diesem unliebsamen Schluss gelangt Wampold auch nach seiner eigenen Metaanalyse, dem

ausgeklügeltsten statistischen Therapievergleich, der je durchgeführt wurde. Frühere Metaanalysen waren

nämlich durch gewisse Schwächen angreifbar. Zum Beispiel hatten die Klienten ihren Heiler selbst

gewählt. Durch diese» Selbstselektion «entstand die Gefahr, dass die unterschiedlichen Verfahren

unterschiedliche Sorten Menschen (und Störungen) anzogen. Man kann Psychoanalyse nicht mit

Verhaltenstherapie vergleichen, wenn beide Therapien einen völlig unterschiedlichen Schlag Klienten

anziehen.

Um solche Mankos zu bereinigen, hat Wampold nur die in der Literatur auffindbaren

«randomisierten «Studien in die Analyse aufgenommen. Bei dieser Methode werden Klienten mit

identischem Krankheitsbild nach einem Zufallsverfahren unterschiedlichen Psychotherapien zugeteilt.

Das ist die einzige Methode, die dem modernen wissenschaftlichen Standard entspricht, den wir bei der

Medizin für selbstverständlich halten. 114 Publikationen wurden diesem Gütekriterium gerecht.

Das Ergebnis des bisher aufwendigsten» Warentestes «in der Psychotherapie war äußerst

aufschlussreich: Alle geprüften Heilverfahren brachten bei allen behandelten Seelenstörungen den

gleichen Nutzeffekt. Therapien, in denen Patienten Verhaltensweisen» verlernen«, kurierten Ängste,

Depressionen oder Nägelkauen mit der gleichen Schlagkraft wie jene, die» unbewusste Konflikte «oder

gedankliche (kognitive) Prozesse attackieren. Weitere Peinlichkeit: Die Dauer der jeweiligen Behandlung

hatte nicht den geringsten Einfluss auf die Heilung und das Krankheitsbild.»Die Ergebnisse entsprechen

vollkommen dem Dodo-Zitat«, folgert Wampold aus seinen Daten, die den höchsten und aktuellsten

Forschungsstand repräsentieren.

Die meisten Experten sind sich einig, dass die Psychotherapie langfristig nur Bestand haben kann,

wenn sie ein breit gefächertes Arsenal von geprüften Methoden bereithält, die auf genau definierte

Symptome zugeschnitten sind. Das würde heißen, dass es bei jeder seelischen Störung» Indikationen«

und» Kontraindikationen «gibt. Nach den neuen Befunden ist es nun wieder sehr zweifelhaft, ob die

Zunft diesen Anspruch je erfüllen wird. Es ist nach Ansicht der Autoren auch sehr verdächtig, dass die

Stärke des Heileffektes in den meisten Studien, wenn überhaupt, nur geringfügig über dem Wert lag, der

in der Regel auch von Scheinmedikamenten (Placebos) erzielt wird. Vermutlich kommt es gar nicht

darauf an, welche Behandlung jemandem zuteil wird; wichtig ist nur, dass die Hoffnung auf Therapie als

solche in Erfüllung geht.

«Psychotherapie heilt nachhaltiger als eine Scheinbehandlung (Placebo) ohne wirksame

Komponente«

Es ist heute für jeden gebildeten Laien selbstverständlich, dass ein Medikament, ein Impfstoff oder

eine Operationsmethode nur dann eine Daseinsberechtigung besitzt, wenn die betreffende Behandlung die

Krankheit wirkungsvoller und nachhaltiger bekämpft als eine wirkstofflose Zuckerpille (Placebo).

Schließlich gibt es eine überwältigende Zahl von Versuchsergebnissen und Beobachtungen, die ganz klar

aufzeigen, dass Beschwerden und Symptome schon allein dadurch zurückgehen, dass der Patient an den

Erfolg einer eingeleiteten Therapie glaubt — selbst wenn diese keine nachweisbare Wirkkomponente

enthält. Die» Droge Arzt «gibt dem Kranken die Hoffnung, dass etwas gegen sein Leiden getan werden

kann.

Da bei allen Formen der Heilbehandlung Placebo-Effekte im Spiel sein können, erhalten neue

Medikamente schon seit vielen Jahren nur noch dann eine Zulassung, wenn sie in so genannten

«kontrollierten «Studien ihre Überlegenheit gegenüber einem Scheinmedikament bewiesen haben. Die

Ärzte geben einem zufällig ausgewählten (»randomisierten«) Teil der Probanden eine Tablette ohne

Wirkstoff, die aussieht wie die echte Arznei (das» Verum«). Vor der Therapie müssen die Behandelten ihr

Einverständnis geben, dass sie bereit sind, im Zweifelsfall eine» unechte «Medizin zu schlucken. Weder

sie noch die behandelten Ärzte haben eine Ahnung, wer das Verum und wer die Scheinmedizin erhält; die

Untersuchung ist also» doppelblind«. Ein neuer Arzneistoff muss in der Studie deutlich besser

abschneiden als die Placebo-Pillen, um als wirksam zu gelten und in die Apotheken zu gelangen. Erst die

Überlegenheit gegenüber der Zuckerpille liefert den wissenschaftlichen Beweis, dass die Heilwirkung auf

der Pharmakologie der Droge beruht, und nicht auf dem Prinzip Hoffnung.

«Wenn die Zulassungsbehörden die gleichen strikten Kriterien an die Wirksamkeit einer

Psychotherapie anlegen würden, müssten alle existierenden Verfahren vom Markt gezogen werden«,

charakterisiert der Psychologe Al Siebert die Situation in der Psychoszene. Psychotherapeuten haben es

jedoch bis heute aus völlig undurchsichtigen Gründen geschafft, sich um die Pflicht zur Erbringung eines

kontrollierten Wirksamkeitsnachweises zu drücken. Psychoanalytiker argumentieren hochtönend, dass

ihre Therapie nur deshalb heilt, weil sie das Unbewusste ans Licht des Bewusstseins holt.

Verhaltenstherapeuten haben nicht den geringsten Zweifel, dass es dem Patienten in der

Verhaltenstherapie besser geht, weil er dort die Konditionierungen seiner bisherigen Lerngeschichte

«verlernt«. Aber kein Therapeut muss diesen Anspruch im» Wettrennen «gegen ein Placebo untermauern.

Als der renommierte Dresdener Psychologie-Professor Jürgen Margraf vor ein paar Jahren in einer

groß angelegten Studie die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen gegen Ängste und

Panikattacken testen wollte, weigerten sich die beteiligten Therapeuten standhaft, eine Placebo-

Kontrollgruppe mit einzubeziehen.25 Es sei ethisch nicht vertretbar, schwer leidende Patienten mit einer