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»Um Gottes willen«, fiel Kraft ein, »sprecht nicht so laut, er könnte es hören; überhaupt müßt Ihr Euch sehr zusammennehmen, wenn Ihr ferner im Heere unter ihm dienen wollt!«

»Ich will den Herrn Truchseß von meinem verhaßten Anblick bald befreien; so Gott will, habe ich die Sonne zum letztenmal in Ulm untergehen sehen!«

»So wäre es wahr«, fragte Herr von Kraft mit Staunen, »was man noch dazusetzte und was ich nicht glauben konnte: Georg von Sturmfeder will wegen dieser Kleinigkeit unsere gute Sache verlassen?«

»Verletzung der Ehre ist nirgends eine Kleinigkeit«, antwortete Georg ernst, »am wenigsten bei einem Stand wie der unserige; was aber Eure gute Sache betrifft, so habe ich nachgerade eingesehen, daß ich weder für eine gute Sache noch für eine gute Meinung, sondern für ein paar große Herren und für ein paar Mauern voll Spießbürger mich schlagen sollte.«

Der unangenehme Eindruck, den besonders die letzten Worte auf den Ratsschreiber machten, entging ihm nicht, er fuhr daher, indem er seine Hand ergriff und drückte, ruhiger fort: »Nehmt mir meine scharfen Worte nicht übel, mein freundlicher Wirt, weiß Gott, ich habe Euch nicht damit beleidigen wollen; aber aus Eurem eigenen Munde habe ich die Gesinnungen und Zwecke der verschiedenen Parteien in diesem Heere erfahren, schreibt es Euch selbst zu, wenn ich meinen eigenen Weg einschlage, da Ihr mir die Binde von den Augen genommen habt.«

»Ihr habt so unrecht gerade nicht, guter Junker; es wird bunt hergehen, wenn die Herren erst das schöne Land da drüben unter sich teilen. Aber da habe ich gedacht, es gehe ja in einem hin, Ihr könntet Euch auch Euer Scherflein dabei verdienen. Man sagt, Ihr dürft es mir aber nicht übelnehmen, Euer Haus sei etwas herabgekommen, da meinte ich –«

»Nichts davon«, fiel Georg rasch ein, gerührt von der Gutmütigkeit seines Gastfreundes, »das Haus meiner Väter zerfällt, unsere Tore hängen auf gebrochenen Angeln, auf der Zugbrücke wächst Moos, und auf dem hohen Wartturm hausen Eulen. In fünfzig Jahren steht vielleicht noch ein Turm oder ein Mäuerchen, und erinnert den Wanderer, daß hier einst ein ritterliches Geschlecht hauste. Aber, wenn auch die morschen Mauern über mir zusammenstürzen, und den letzten meines Stammes unter ihren Trümmern begraben, niemand soll von mir sagen: ich habe für ungerechtes Gut das Schwert meines Vaters gezogen.«

»Jeder nach seiner Weise«, antwortete Dieterich, »es klingt dies alles recht schön, aber ich für meinen Teil würde mir schon etwas gefallen lassen, um mein Haus anständig und wohnlich wieder herzustellen. – Möget Ihr übrigens Euren Entschluß ändern oder nicht, auf jeden Fall hoffe ich, werdet Ihr es Euch noch einige Tage bei mir gefallen lassen.«

»Ich erkenne Eure Güte«, antwortete Georg, »aber Ihr seht, daß ich unter den gegenwärtigen Umständen nichts mehr in dieser Stadt zu tun habe. Ich gedenke mit Anbruch des Morgens zu reiten.«

»Nun, und kann man Euch Grüße mitgeben?« sagte der Ratsschreiber mit überaus schlauem Lächeln; »Ihr reitet doch den nächsten Weg nach Lichtenstein?«

Der junge Mann errötete bis in die Stirne hinauf. Es war zwischen ihm und seinem Gastfreund seit Mariens Abreise noch nie über diesen Gegenstand zu Sprache gekommen, um so mehr überraschte ihn jetzt die schlaue Frage seines Gastfreundes. »Ich sehe«, sagte er, »daß Ihr mich noch immer falsch verstehet. Ihr glaubet, ich habe dem Bunde nur deswegen den Rücken zugewandt, um mich an die Feinde anzuschließen? Wie möget Ihr nur so schlimm von mir denken!«

»Ach, geht mir doch!« entgegnete der kluge Ratsschreiber; »niemand anders als mein reizendes Bäschen hat Euch von uns abwendig gemacht. Ihr hättet wohl zu allem, was der Bund getan, ein Auge zugedrückt, wenn der alte Lichtenstein auch mitgemacht hätte; nun er auf der anderen Seite steht, glaubt Ihr auch schnell umsatteln zu müssen!«

Georg mochte sich verteidigen wie er wollte, der Ratsschreiber war zu fest von seiner eigenen Klugheit überzeugt, als daß er sich diese Meinung hätte ausreden lassen. Er fand diesen Schritt auch ganz natürlich, und sah nichts Böses oder Unehrliches darin. Mit einem herzlichen Gruß an die Base in Lichtenstein verließ er das Zimmer seines Gastes. Doch auf der Schwelle wandte er sich noch einmal um. »Fast hätte ich das Wichtigste vergessen«, sagte er, »ich begegnete Georg von Frondsberg auf der Straße; er läßt Euch bitten heute abend noch zu ihm in sein Haus zu kommen.«

Georg hatte sich zwar selbst vorgestellt, daß ihn Frondsberg nicht ohne Abschied werde ziehen lassen, und doch war ihm bange vor dem Anblick dieses Mannes, der es so gut mit ihm gemeint, und dessen freundliche Plane er so schnell durchkreuzt hatte. Er schnallte unter den Gedanken an diesen schweren Gang sein Schwert um, und wollte eben seinen Mantel zurecht richten, als ein sonderbares Geräusch von der Treppe her seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Schwere Tritte vieler Menschen näherten sich seiner Türe, er glaubte Schwerter und Hellebarden auf dem Estrich seines Vorsaales klirren zu hören, er machte schnell einige Schritte gegen die Türe, um sich von dem Grund seiner Vermutung zu überzeugen.

Aber noch ehe er die Türe erreicht hatte, ging diese auf, das matte Licht einiger Kerzen ließ ihn mehrere bewaffnete Kriegsknechte sehen, die seine Türe umstellt hatten. Jener alte Kriegsmann, der ihn heute vor dem Kriegsrat empfangen hatte, trat aus ihrer Mitte hervor:

»Georg von Sturmfeder!« sprach er zu dem Jüngling, der mit Staunen zurücktrat, »ich nehme Euch auf Befehl eines Hohen Bundesrates gefangen.«

»Mich? gefangen?« rief Georg mit Schrecken. »Warum? wessen beschuldigt man mich denn?«

»Das ist nicht meine Sache«, antwortete der Alte mürrisch, »doch wird man Euch vermutlich nicht lange in Ungewißheit lassen. Jetzt aber seid so gut und reicht mir Euer Schwert und folget mir auf das Rathaus.«

»Wie? Euch soll ich mein Schwert geben?« entgegnete der junge Mann mit dem Zorn beleidigten Stolzes, »wer seid Ihr, daß Ihr mir meine Waffen abfordern könnet? da muß der Rat ganz andere Leute schicken als Euch, so viel verstehe ich auch von Eurem Handwerk!«

»Um Gottes willen, gebt doch nach«, rief der Ratsschreiber, der sich bleich und verstört an seine Seite gedrängt hatte, »gebt nach; Widerstand kann Euch wenig nützen; Ihr habt es mit dem Truchseß zu tun«, flüsterte er heimlicher; »das ist ein böser Feind, bringt ihn nicht noch ärger gegen Euch auf.«

Der alte Kriegsmann unterbrach die Einflüsterungen des Ratsschreibers: »Es ist wahrscheinlich das erstemal, Junker«, sagte er, »daß Ihr in Haft genommen werdet, deswegen verzeihe ich Euch gern die unziemlichen Worte gegen einen Mann, der oft in einem Zelt mit Eurem Vater schlief. Euer Schwert möget Ihr auch immerhin behalten; ich kenne diesen Griff und diese Scheide, und habe den Stahl, den sie verschließt, manchen rühmlichen Kampf ausfechten sehen. Es ist löblich, daß Ihr viel darauf haltet, und es nicht in jede Hand kommen lassen möget. Aber aufs Rathaus müßt Ihr mit, denn es wäre töricht, wenn Ihr der Gewalt Trotz bieten wolltet.«

Der Jüngling, dem alles wie ein Traum erschien, ergab sich schweigend in sein Schicksal, er trug dem Ratsschreiber heimlich auf, zu Frondsberg zu gehen und diesen von seiner Gefangenschaft zu unterrichten. Er wickelte sich tiefer in seinen Mantel, um auf der Straße bei diesem unangenehmen Gang nicht erkannt zu werden, und folgte dem ergrauten Führer und seinen Lanzknechten.

XI

Die Eisentür geht auf, des Kerkers schwarze Wand

Erhellt ein blasser Schein, er höret jemand gehen

Und stemmt sich auf, und sieht –

Wieland

Die Truppe, den Gefangenen in der Mitte, bewegte sich schweigend dem Rathaus zu. Nur eine einzige Fackel leuchtete ihnen voran, und Georg dankte dem Himmel, daß sie nur sparsame Helle verbreitete; denn er glaubte, alle Menschen, die ihn begegneten, müßten es ihm ansehen, daß er ins Gefängnis geführt werde. Nächst diesem beschäftigte ihn unterwegs vorzüglich ein Gedanke: es war das erste Mal in seinem Leben, daß er in ein Gefängnis geführt wurde, er dachte daher nicht ohne Grauen an einen feuchten, unreinlichen Kerker; das Burgverlies in seinem alten Schlosse, das er als Knabe einmal besucht hatte, kam ihm immer vor das Auge; er war einigemal im Begriff, seinen Führer darüber zu befragen, doch drängte der Gedanke, man möchte es für kindische Furcht ansehen, seine Frage immer wieder zurück.