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»Wohl; sie sind nur durch wenige Mannschaft bedeckt.«

»Frondsberg glaubt, weil wir nicht über ihn wegfliegen können, sei es unmöglich sein Geschütz zu nehmen. Aber dort am Wald biegt ein Weg links ein, und führt in ein Feld. Das Feld stößt an jenen Hügel. Kannst du mit deinen Reitern ungehindert bis in jenes Feld vordringen, so bist du beinahe schon im Rücken der Bündischen. Dort läßt du die Pferde verschnauben, legst dann an, und im Galopp den Hügel hinauf, die Geschütze müssen unser sein!«

Georg verbeugte sich zum Abschied, aber der Herzog bot ihm die Hand. »Lebe wohl, lieber Junge!« sagte er; »es ist hart von Uns einen jungen Ehemann auf so gefährliche Reise zu schicken, aber Wir wußten keinen Rascheren und Besseren als dich.«

Die Wangen des jungen Mannes glühten, als er diese Worte hörte, und seine Augen blinkten mutig. »Ich danke Euch, Herr, für diesen neuen Beweis Eurer Gnade«, rief er, »Ihr belohnt mich schöner, als wenn Ihr mir die schönste Burg geschenkt hättet. – Lebet wohl, Vater, und grüßt mein Weibchen.«

»So ist's nicht gemeint!« entgegnete lächelnd der alte Lichtenstein; »ich reite mit dir unter deiner Führung –«

»Nein, Ihr bleibet bei mir, alter Freund«, bat der Herzog, »soll mir denn der Kanzler hier im Felde raten? Da könnte ich so übel fahren wie mit seinen anderen Ratschlüssen. Bleibet mir zur Seite; machet den Abschied kurz, Alter! Euer Sohn muß weiter.«

Der Alte drückte Georgs Hand; lächelnd und mit freudigem Mute erwiderte dieser den Abschiedsgruß, schwenkte mit seinen Reitern ab, und »Ulerich für immer!« riefen die Stuttgarter Bürger zu Pferd, welche er in dieser entscheidenden Stunde gegen den Feind führte. Georg betrachtete, als er an dem Waldsaum hinritt, sinnend die Schlacht. Die Württemberger hatten eine gute Stellung, denn der Wald und der Neckar deckte sie, und ihre Flügel und das Zentrum waren stark genug, um auch einen mächtigen Stoß von Reiterei auszuhalten. Er konnte sich aber nicht verhehlen, daß wenn sie sich aus dieser Stellung herauslocken lassen, müssen sie alle diese Vorteile verlieren, weil sie dann entweder zwischen dem Wald und dem linken Flügel einen bedeutenden Zwischenraum lassen, oder um diesen auszufüllen, ihre Schlachtlinie so weit ausdehnen müßten, daß sie an innerer Stärke verlieren würden und leichter durchbrochen werden könnten. Ein großer Nachteil für die Württemberger war auch ihre geringe Anzahl, denn der Feind zählte zwei Dritteile mehr. Er konnte zwar in dem engen Tal seine Streitkräfte nicht entwickeln, und nur wenige Mannschaft auf einmal ins Treffen führen, doch war dies immer genug, um die Herzoglichen unausgesetzt zu beschäftigen, der Feind behielt dadurch immer frische Leute, und es war zu befürchten, daß die sechstausend Württemberger, wenn sie auch noch so tapfer standhalten sollten, endlich aus Ermattung werden unterliegen müssen.

Der Wald nahm jetzt Georg und seine Schar auf; sie rückten still und vorsichtig weiter, denn Georg wußte wohl, wie schwierig es für einen Reiterzug sei, im Wald von Fußvolk angegriffen zu werden. Doch ungefährdet kamen sie bis auf das Feld heraus, das ihnen der Herzog bezeichnet hatte. Rechts über dem Wald hin wütete die Schlacht. Das Geschrei der Angreifenden, das Schießen aus Donnerbüchsen und Feldstücken, das Wirbeln der Trommeln hallte schrecklich herüber.

Vor ihnen lag der Hügel, von dessen Gipfel eine gute Anzahl Kartaunen in die Reihen der Württemberger spielte; dieser Hügel erhob sich von der Seite des Wäldchens allmählich, und Georg bewunderte den schnellen Blick des Herzogs, der diese Seite sogleich erspäht hatte, denn von jeder andern Seite wäre, wenigstens für Reiter, der Angriff unmöglich gewesen. Das Geschütz wurde, soviel man von unten sehen konnte, nur durch eine schwache Mannschaft bedeckt, und als daher die Pferde ein wenig geruht hatten, ordnete Georg seine Schar, und brach im Galopp an der Spitze der Reiter vor. In einem Augenblick waren sie auf dem Gipfel des Hügels angekommen, und Georg rief den bündischen Soldaten zu, sich zu ergeben.

Sie zauderten, und die Fleischer, Sattler und Waffenschmiede von Stuttgart ersparten ihnen die Mühe, denn mit gewaltigen Streichen hieben sie Helme und Köpfe durch, daß von der Bedeckung bald wenige mehr übrig waren. Georg warf einen frohlockenden Blick auf die Ebene hinab seinem Herzog zu, er hörte das Freudengeschrei der Württemberger aus vielen tausend Kehlen aufsteigen, er sah wie sie frischer vordrangen, denn ihre Hauptfeinde, die Feldstücke auf dem Hügel waren jetzt zum Schweigen gebracht.

Aber in diesem Augenblick der Siegesfreude gewahrte er auch, daß jetzt der zweite und schwerere Teil seiner schnellen Operation der Rückzug gekommen sei; denn auch die Bündischen hatten bemerkt, wie ihr Geschütz plötzlich verstummt sei, und ihre Obersten hatten alsobald eine Reiterschar gegen den Hügel aufbrechen lassen. Es war keine Zeit mehr, die schweren, erbeuteten Feldstücke hinwegzuführen; darum befahl Georg mit Erde und Steinen ihre Mündungen zu verstopfen, und sie auf diese Weise unbrauchbar zu machen. Dann warf er einen Blick auf den Rückweg; zwischen ihm und den Seinigen lag der Wald auf der einen, das feindliche Heer auf der andern Seite. Wurde er nur von Reiterei angegriffen, so war der Rückweg durch den Wald möglich, weil dann der Feind dieselben Schwierigkeiten zu überwinden hatte, wie er. Aber seinem scharfen Auge entging nicht, daß ein großer Haufe bündischen Fußvolkes in den Wald ziehe, um ihm den Rückzug abzuschneiden, und so sah er sich von dem Walde ausgeschlossen. Das große Heer des Bundes zu durchbrechen, sich mit hundertundsechzig Pferden durch zwanzigtausend durchzuschlagen, wäre Tollkühnheit gewesen. Es blieb nur ein Weg, und auch auf diesem war der Tod gewisser als die Rettung. Zur Linken des feindlichen Heeres floß der Neckar. Am anderen Ufer war kein Mann von bündischer Seite; konnte er dieses Ufer gewinnen, so war es möglich sich zum Herzog zu schlagen. Schon waren die Reiter des Bundes wohl fünfhundert stark am Fuß des Hügels angelangt, er glaubte an ihrer Spitze den Truchseß von Waldburg zu erblicken, jedem andern, selbst dem Tod wollte er sich lieber ergeben als diesem.

Drum winkte er den tapfern Württembergern nach der steilern Seite des Hügels hin, die zum Neckar führte. Sie stutzten; es war zu erwarten, daß unter zehn immer acht stürzen würden, so jähe war diese Seite, und unten stand zwischen dem Hügel und dem Fluß ein Haufen Fußvolk, das sie zu erwarten schien. Aber ihr junger, ritterlicher Führer schlug das Visier auf, und zeigte ihnen sein schönes Antlitz, aus welchem der Mut der Begeisterung sie anwehte; sie hatten ihn ja noch vor wenigen Wochen eine holde Jungfrau zur Kirche führen sehen, durften sie an Weib und Kinder denken, da er diese Gedanken weit hinter sich geworfen hatte?

»Drauf, wir wollen sie schlachten«, riefen die Fleischer, »drauf, wir wollen sie hämmern«, riefen die Schmiede, »immer drauf, wir wollen sie lederweich klopfen«, riefen ihnen die Sattler nach, »drauf, mit Gott, Ulerich für immer!« rief der hochherzige Jüngling, drückte seinem Roß die Sporen ein, und flog ihnen voran den steilen Hügel hinab. Die feindlichen Reiter trauten ihren Augen nicht, als sie den Hügel heraufkamen, die verwegene Schar gefangenzunehmen, und sie schon unten, mitten unter dem Fußvolk erblickten. Wohl hatte mancher den kühnen Ritt mit dem Leben bezahlt, mancher war mit dem Roß gestürzt und in Feindeshand gefallen, aber die meisten sah man unten tapfer auf das Fußvolk einhauen, und der Helmbusch ihres Anführers wehte hoch und mitten im Gedräng. Jetzt waren die Reihen des Fußvolkes gebrochen, jetzt drängten sich die Reiter nach dem Neckar – jetzt – setzte ihr Führer an, und war der erste im Fluß. Sein Pferd war stark, und doch vermochte es nicht mit der Last seines gewappneten Reiters gegen die Gewalt des vom Regen angeschwellten Stromes anzukämpfen, es sank, und Georg von Sturmfeder rief den Männern zu, nicht auf ihn zu achten, sondern sich zum Herzog zu schlagen und ihm seinen letzten Gruß zu bringen. Aber in demselben Augenblick hatten zwei Waffenschmiede sich von ihren Rossen in den Fluß geworfen; der eine faßte den jungen Ritter am Arm, der andere ergriff die Zügel seines Pferdes, und so brachten sie ihn glücklich ans Land heraus.