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Die Bündischen hatten ihnen manche Kugel nachgesandt, aber keine hatte Schaden getan, und im Angesicht beider Heere, durch den Fluß von ihnen getrennt, setzte die kühne Schar ihren Weg zum Herzog fort. Es war unweit seiner Stellung eine Furt, wo sie ohne Gefahr übersetzen konnten, und mit Jubel und Freudengeschrei wurden sie wieder von den Ihrigen empfangen.

Ein Teil des feindlichen Geschützes war zwar durch diesen ebenso schnellen als verwegenen Zug Georgs von Sturmfeder zum Schweigen gebracht worden, aber das Verhängnis Ulerichs von Württemberg wollte, daß ihn diese kühne Waffentat zu nichts mehr nützen sollte; die Kräfte seiner Völker waren durch die immer erneuerten Angriffe, des an Zahl weit überlegenen Feindes endlich völlig erschöpft worden; die Landsknechte hielten zwar mit ihrem gewöhnlichen kriegerischen Feuer aus, aber ihre Anführer hatten sich schon genötigt gesehen, sie in Kreise zu stellen, um den Andrang der feindlichen Kavallerie abzuwehren; dadurch war die Linie hin und wieder unterbrochen, und das Landvolk, das man durch eilige Bewaffnung nicht zu Kriegern hatte machen können, füllte nur schlecht diese Lücken aus. In diesem Augenblick wurde dem Herzog gemeldet, daß der Herzog von Bayern Stuttgart plötzlich überfallen und eingenommen habe, daß ein neues feindliches Heer in seinem Rücken am Fluß heraufziehe, und kaum noch eine Viertelstunde entfernt sei. Da merkte er, daß er an diesem Tage sein Reich zum zweitenmal verloren habe, daß ihm nichts mehr übrigbleibe, als Flucht oder Tod, um nicht in die Hände seiner Feinde zu fallen. Seine Begleiter rieten ihm, sich in sein Stammschloß Württemberg zu werfen, und sich dort zu halten, bis er Gelegenheit fände heimlich zu entrinnen; er schaute hinauf nach dieser Burg, die von dem Glanz des Tages bestrahlt, ernst auf jenes Tal herabblickte, wo der Enkel ihrer Erbauer den letzten verzweifelten Kampf um sein Herzogtum kämpfte. Aber er erbleichte und deutete sprachlos hinauf, denn auf den Türmen und Mauern dieser Burg erschienen rote, glänzende Fähnlein, die im Morgenwind spielten: die Ritter blickten schärfer hin, sie sahen wie die Fähnlein wuchsen und größer wurden, und ein schwärzlicher Rauch, der jetzt an vielen Stellen aufstieg, zeigte ihnen, daß es die Flamme sei, welche ihre glühende Paniere siegend auf den Zinnen aufgesteckt hatte. Württemberg brannte an allen Ecken, und sein unglücklicher Herr sah mit dem greulichen Lachen der Verzweiflung diesem Schauspiel zu. Jetzt bemerkten auch die Heere die brennende Burg. Die Bündischen begrüßten diese Flammen mit einem Freudengeschrei, den Württembergern entsank der Mut, es war ihnen, als sei dies ein Zeichen, daß das Glück ihres Herzogs ein Ende habe.

Schon tönten die Trommeln des im Rücken heranziehenden Heeres vernehmlicher, schon wich an vielen Orten das Landvolk, da sprach Ulerich: »Wer es noch redlich mit Uns meint, folge nach, Wir wollen Uns durchschlagen durch ihre Tausende oder zugrund gehen. Nimm mein Banner in die Hand, tapferer Sturmfeder, und reite mutig mit uns in den Feind!« Georg ergriff das Panier von Württemberg, der Herzog stellte sich neben ihn, die Ritter und die Bürger zu Pferd umgaben sie, und waren bereit, ihrem Herzog Bahn zu brechen. Der Herzog deutete auf eine Stelle, wo die Feinde dünner standen, dort müsse man durchkommen oder alles sei verloren. Noch fehlte es an einem Anführer, und Georg wollte sich an die Spitze stellen, da winkte ihm der Ritter von Lichtenstein seinen Platz an der Seite des Herzogs nicht zu verlassen, und stellte sich vor die Reiter; noch einmal wandte er die ehrwürdigen Züge dem Herzog und seinem Sohne zu, dann schloß er das Visier und rief: »Vorwärts, hie gut Württemberg alleweg!«

Dieser Reiterzug war wohl zweihundert Pferde stark, und bewegte sich in Form einer Keile im Trab vorwärts. Der Kanzler Ambrosius Volland sah sie mit leichtem Herzen abziehen, denn der Herzog schien ihn ganz vergessen zu haben, und er hielt jetzt mit sich Rat, wie er ohne Gefahr von seinem hochbeinigen Tier herabkommen sollte. Doch der edle Renner des Herzogs hatte mit klugen Augen den Reitern nachgeschaut; solange sie sich im Trab fortbewegten, stand er stille und regungslos, jetzt aber ertönten die Trompeten zum Angriff, man sah das Panier von Württemberg hoch in den Lüften wehen, und die tapfere Reiterschar im Galopp, auf den Feind ansprengen. Auf diesen Moment schien der Renner gewartet zu haben; mit der Schnelligkeit eines Vogels strich er jetzt über die Ebene hin, den Reitern nach; dem Kanzler vergingen die Sinne, er hielt sich krampfhaft am Sattelknopf, er wollte schreien, aber die Blitzesschnelle, womit sein Roß die Luft teilte, unterdrückte seine Stimme; in einem Augenblick hatte er den Zug eingeholt, so schnell sie ihre Rosse auslaufen ließen, er überholte sie, und so hatte es der Kanzler in kurzer Zeit bis zum Anführer der Reiter gebracht. Der Feind stutzte über die sonderbare Gestalt, die mehr einem geharnischten Affen als einem Krieger glich, noch ehe sie sich recht besinnen konnten, war der fürchterliche Mann mitten in ihren Reihen, die Württemberger brachen, trotz des entscheidenden Augenblickes, in ein lustiges Gelächter aus, und auch dieses mochte beitragen, die tapfern Truppen von Ulm, Gmünd, Aalen, Nürnberg und noch zehn andern Reichsstädten, welche dieser unerwartete Angriff traf, zu verwirren; sie zerstiebten vor der ungeheuren Wucht der zweihundert Pferde, und die ganze Schar war im Rücken des Feindes. Sie setzte eilig ihren Marsch fort, und ehe noch die bündische Reiterei zum Nachsetzen herbeigerufen werden konnte, hatte der Herzog mit wenigen Begleitern sich zur Seite geschlagen; er gewann einen großen Vorsprung, denn die Reiterei des Bundes erreichte die berittene Schar der Bürger erst vor den Toren von Stuttgart, und es fand sich unter ihnen weder der Herzog, noch einer seiner wichtigeren Anhänger, außer dem Kanzler Ambrosius Volland, den man halbtot vom Pferde hob. Die bündischen Kriegsleute behandelten ihn, nachdem man ihm die gewölbte Rüstung vom Leib geschält hatte, sehr übel, denn nur seiner fürchterlichen, alle Begriffe übersteigenden Tapferkeit, schrieben sie es zu, daß ihnen der Herzog und mit ihm eine Belohnung von tausend Goldgulden entgangen war. So geschah es, daß dieser tapfere Kanzler, nicht wie sein Herzog in der Schlacht, sondern nach der Schlacht geschlagen wurde.

X

Wohl wieget eines viele Taten auf –

Sie achten drauf –

Das ist um deines Vaterlandes Not

Der Heldentod.

Sieh hin, die Feinde fliehen, blick hinan,

Der Himmel glänzt, dahin ist unsre Bahn.

L. Uhland

Die Nacht, welche diesem entscheidenden Tag folgte, brachten Herzog Ulerich und seine Begleiter in einer engen Waldschlucht zu, die durch Felsen und Gesträuche einen sicheren Versteck gewährte, und noch heute bei dem Landvolk die »Ulerichshöhle« genannt wird. Es war der Pfeifer von Hardt, der ihnen auf ihrer Flucht als ein Retter in der Not erschienen war, und sie in diese Bucht führte, die nur den Bauern und Hirten der Gegend bekannt war. Der Herzog hatte beschlossen, hier zu rasten, um dann, sobald der Tag graute, seine Flucht nach der Schweiz fortzusetzen. Wohl wäre ihm hiezu die Nacht günstiger gewesen, denn die Bundestruppen hatten schon das Land besetzt, und es war wenig Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er sie täuschen und ungehindert entkommen werde; aber die Pferde waren von dem heißen Schlachttag ermüdet, und es war unmöglich, den Herzog und seine notwendige Begleitung von neuem beritten zu machen, ohne die Nachforschung des Feindes nach diesem Schlupfwinkel zu leiten.

Die Männer hatten sich um ein spärliches Feuer gelagert. Der Herzog war längst dem Schlummer in die Arme gesunken, und vergaß vielleicht in seinen Träumen, daß er ein Herzogtum verloren habe; auch der alte Herr von Lichtenstein schlief, und Marx Stumpf von Schweinsberg hatte seine mächtigen Arme auf die Kniee gestützt, sein Gesicht in die Hände verborgen, und man war ungewiß, ob er schlafe oder in Kummer versunken, über das Schicksal des Herzogs nachdachte, das sich mit einem Schlag so furchtbar gewendet hatte. Georg von Sturmfeder besiegte die Macht des Schlummers, der sich immer wieder über ihn lagern wollte; er war der jüngste unter allen, und hatte freiwillig in dieser Nacht die Wache übernommen. Neben ihm saß Hanns, der Pfeifer von Hardt; er sah unverwandt ins Feuer, und seine Gedanken schienen sich in einem Liedchen zu sammeln, dessen melancholische Weisen er mit leiser unterdrückter Stimme vor sich hin sang. Wenn das Feuer heller aufflackerte, schaute er mit einem trüben Blick nach dem Herzog, und wenn er sah, daß jener noch immer schlafe, versank er wieder in den flüsternden, traurigen Gesang.