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Und als ich verwundert über den tiefen Frieden des Tales und jenes unbewachten Schlosses mich umsah, waren auch die Mauern meiner Burg verschwunden; doch hier wenigstens log mir der Traum nicht, denn ich sah ja gestern die Zinnen stürzen und den Wartturm sinken, von welchem sonst mein Panier in den Lüften wehte. Kein Stein von Württemberg war mehr zu sehen, aber ein Tempel stand dort mit Säulen und Kuppel, wie man sie in Rom und Griechenland findet. Ich dachte nach, wie dies alles auf einmal so habe kommen können, da gewahrte ich Männer in fremder Kleidung, die nicht weit von mir standen und auf das Land hinabschauten.

Der eine dieser Männer zog vor den übrigen meine Aufmerksamkeit auf sich; er hatte einen schönen Knaben an der Hand, dem er das Tal zu seinen Füßen, und die Berge umher, und den Fluß und die Städte und Dörfer in der Nähe und Ferne, zeigte. Ich betrachtete den Mann, er trug die Züge meines Bruders Georg[45], und es war mir als müsse er zum Stamm meiner Ahnen gehören und ein Württemberg sein; er stieg mit dem Knaben den Berg hinab ins Tal, und die andern Männer folgten ihm in ehrerbietiger Entfernung; den letzten hielt ich auf und fragte ihn: wer jener gewesen sei, der dem Knaben das Land gezeigt habe? ›Das war der König‹ , sagte er, und stieg den Berg hinab.«

Der Herzog schwieg und sah die Ritter forschend an, als wollte er ihre Meinung hören; sie schwiegen lange, endlich nahm der Ritter von Lichtenstein das Wort und sprach: »Ich bin fünfundsechzig Jahre alt, und habe vieles gesehen und gehört auf Erden, und manches, worüber der menschliche Geist erstaunte, und wo ein frommer Sinn den Finger der Gottheit sah. Glaubet mir, auch die Träume kommen von Gott, denn nichts geschieht auf Erden ohne Ursache. Es hat in alten Zeiten Seher und Propheten gegeben, warum sollte nicht auch in unseren Tagen der Herr seiner Heiligen einen herabsenden, daß er einem Unglücklichen im Traume die dunkeln Pforten der Zukunft öffnen, und ihn einen Blick in künftige, schönere Tage tun lasse? Drum seid getrosten Mutes, Herr! Eure Feste hat der Feind verbrannt, Ihr habt an einem Tage ein Herzogtum verloren, aber dennoch wird Euer Name nicht verlöschen, und Euer Gedächtnis wird nicht verloren sein in Württemberg.«

»Ein König –« sprach der Herzog sinnend, »ist es nicht vermessen, jetzt wo ich hinaus muß ins Elend, jetzt an einen König meines Stammes zu denken? Kann nicht auch die Hölle solche Träume vorspiegeln um uns nachher desto bitterer zu täuschen?«

»Was zweifelt Ihr an der Zukunft?« sagte Schweinsberg lächelnd. »Hätte einer Eurer ritterlichen Ahnen, die auf Württemberg hausten, hätte einer wissen können, daß seine Enkel Herzoge sein, daß das weite, schöne Land ihren Namen Württemberg tragen werde? Nehmet Euren Traum als den Wink des Schicksals hin, daß Euer Name in ferner, ferner Zeit auf diesem Lande bleiben, daß die spätern Fürsten Württembergs die Züge Eures Stammes tragen werden.«

»Wohlan, so will ich hoffen«, erwiderte Ulerich von Württemberg; »will hoffen, daß Uns das Land verbleibe, wie dunkel auch jetzt Unsere Lose seien. Mögen Unsere Enkel nie so harte Zeiten sehen wie Wir; möge man auch von ihnen sagen, sie sind – furchtlos!«

»Und treu!« sprach der Bauer mit Nachdruck, und stand auf. »Doch es ist Zeit, Herr Herzog, daß Ihr aufbrechet. Das Morgenrot ist nicht mehr fern, und über den Neckar wenigstens müssen wir kommen, solange es noch dunkel ist.«

Sie standen auf und waffneten sich; die Pferde wurden herbeigeführt, sie saßen auf, und der Pfeifer ging voran den Weg aus der Schlucht zu zeigen. Die Reise des Herzogs zum Land hinaus war mit großer Gefahr verbunden, denn der Bund suchte seiner mit aller Mühe habhaft zu werden. Um auf einen Weg zu gelangen, wo er sicher seinen Feinden entgehen könnte, war der Herzog genötigt, noch einmal über den Neckar zu gehen. Dieser Übergang war nicht ohne Gefahr; ein starker Gewitterregen hatte den Fluß angeschwellt, so daß es nicht möglich schien, ihn mit den Pferden zu durchschwimmen; die Brücken aber waren zum größten Teil von dem Bunde besetzt worden; doch auch hier wußte Hanns guten Rat, denn er hatte durch treue Leute ausgespäht, daß die Brücke von Köngen noch frei sei; man hatte sich wohl nicht die Mühe genommen, sie zu besetzen, weil sie Eßlingen und dem feindlichen Lager allzu nahe war, als daß man hätte glauben können, der Herzog werde dort vorüberkommen. Dieser Weg schien wegen seiner großen Gefahr, die meiste Sicherheit zu gewähren; ihn wählte Ulerich, und so zogen sie stille und vorsichtig dem Neckar zu.

Als sie aus dem Wald ins Feld herauskamen, säumte schon das Morgenrot den Horizont. Sie ritten jetzt auf besserem Wege schärfer zu, und bald sahen sie den Neckar schimmern, und die hochgewölbte Brücke lag nicht ferne mehr von ihnen. In diesem Augenblick sah sich Georg um, und gewahrte eine bedeutende Anzahl Reiter, die von der Seite her, hinter ihnen, zogen; er machte seine Begleiter darauf aufmerksam; sie sahen sich besorgt um und musterten den Zug, der wohl fünfundzwanzig Pferde betragen mochte. Es schien bündische Reiterei zu sein, denn des Herzogs Völker waren gesprengt, und zogen nicht mehr in so geordneten Scharen wie diese.

Noch zogen jene ruhig ihren Weg, und schienen die kleine Gesellschaft nicht zu bemerken, aber dennoch schien es ratsam, die Brücke zu gewinnen, wo sich drei Wege schieden, ehe man von ihnen angerufen und befragt würde. Der Pfeifer lief voran so schnell er konnte, der Herzog und die Ritter folgten ihm in gestrecktem Trab, und je weiter sie sich von den Bündischen entfernten, desto leichter wurde ihnen ums Herz, denn alle bangten nicht für ihr eigenes Leben, wohl aber für die Freiheit Ulerichs.

Sie hatten die Brücke erreicht, sie zogen hinauf, aber in demselben Augenblick, wo sie oben auf der Mitte der hohen Wölbung angekommen waren, sprangen zwölf Männer mit Spießen, Schwertern und Büchsen bewaffnet, hinter der Brücke hervor und besetzten den Ausgang; der Herzog sah, daß er entdeckt war, und winkte seinen Begleitern rückwärts; Lichtenstein und Schweinsberg, die letzten, wandten ihre Rosse, aber schon war es zu spät, denn die bündischen Reiter, die ihnen im Rücken nachgezogen waren, hatten sich in Galopp gesetzt, und den Eingang der Brücke in diesem Augenblick erreicht und besetzt.

Noch war es zu dunkel, als daß man den Feind genau hätte unterscheiden können, doch nur zu bald zeigten sich seine feindlichen Absichten. »Ergebt Euch, Herzog von Württemberg«, rief eine Stimme, die den Rittern nicht unbekannt schien; »Ihr sehet, es ist kein Ausweg da zur Flucht!«

»Wer bist du, daß Württemberg sich dir ergeben soll?« antwortete Ulerich mit grimmigem Lachen, indem er sein Schwert zog; »du sitzt ja nicht einmal zu Roß; bist du ein Ritter?«

»Ich bin der Doktor Calmus«, entgegnete jener, »und bin bereit, die vielen Liebesdienste zu vergelten, die Ihr mir erwiesen habt. Ein Ritter bin ich, denn Ihr habt mich ja zum Ritter vom Esel gemacht; aber ich will Euch dafür zum Ritter ohne Roß machen. Abgestiegen, sag ich, im Namen des durchlauchtigsten Bundes.«

»Gib Raum, Hanns«, flüsterte der Herzog mit unterdrückter Stimme dem Spielmann zu, der mit gehobener Axt zwischen ihm und dem Doktor stand, »geh, tritt auf die Seite; ihr Freunde schließt euch an, wir wollen plötzlich auf sie einfallen, vielleicht gelingt es durchzubrechen!« Doch nur Georg vernahm diesen Befehl des Herzogs, denn die andern Ritter hielten wohl zehn Schritte hinter ihnen den Eingang besetzt, und waren schon mit den bündischen Reitern im Gefecht, die umsonst dieses ritterliche Paar zu durchbrechen, und zu dem Herzog durchzudringen versuchten. Georg schloß sich an Ulerich an, und wollte mit ihm auf den Doktor und die Knechte einsprengen, aber diesem war das Flüstern des Herzogs nicht entgangen. »Drauf ihr Männer, der im grünen Mantel ist's; lebendig oder tot!« rief er, drang mit seinen Knechten vor und griff zuerst an. Sein langer Arm führte einen fünf Ellen langen Spieß; er zückte ihn nach Ulerich, und es wäre vielleicht um ihn geschehen gewesen, da er ihn in der Dunkelheit nicht gleich bemerkte, doch Hanns kam ihm zuvor, und indem der berühmte Doktor Kahlmäuser nach der Brust seines Herrn stieß, war ihm die Axt des Pfeifers tief in die Stirne gedrungen; er fiel, so lang er war, mit Gebrüll auf die Knechte zurück. Sie stutzten, der Bauersmann schien ein schrecklicher Kämpfer, denn seine Axt schwirrte immer noch in den Lüften, er bewegte sie wie eine Feder hin und her; sie zogen sich sogar einige Schritte zurück. Diesen Augenblick benützte Georg, riß dem Herzog den grünen Mantel ab, hing ihn sich selbst um, und flüsterte ihm zu, sein Pferd zu spornen, und sich über die Brüstung der Brücke hinabzustürzen. Der Herzog warf einen Blick auf die hochgehenden Wellen des Neckars und hinauf zum Himmel; es schien keine andere Rettung möglich, und er wollte lieber auf Leben und Tod den Sprung wagen, als seinen Feinden in die Hände fallen; doch der Anblick, der sich ihm in diesem schrecklichen Moment darbot, zog ihn noch einmal zurück.

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45

Graf Georg von Württemberg und Mömpelgard, der Bruder Ulerichs, ist der Stammvater des jetzigen Regentenhauses von Württemberg. Sein Sohn war Friedrich, VI. reg. Herzog, der das Herzogtum erhielt, weil Ludwig, Christophs Sohn, ohne männliche Deszendenz starb.