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Der letzte Vorhang tat sich auf, und Georg trat mutig und festen Schrittes ein, und überschaute die Männer, die über sein Schicksal entscheiden sollten. Es waren wohlbekannte Gesichter, die ihn so fragend und durchdringend anschauten. Noch waren die düsteren Blicke und die feindliche Stirne des Truchseß von Waldburg seinem Gedächtnis nicht entfallen, und der spöttische, beinahe höhnische Ausdruck in den Mienen dieses Mannes weissagte ihm nichts Gutes. Sickingen, Alban von Closen, Hutten – sie alle saßen wie damals vor ihm, als er dem Bund auf ewig Lebewohl sagte, aber wie vieles hatte sich verändert. Und eine Träne füllte sein Auge, als es auf jene teure Gestalt, auf jene ehrwürdigen Züge fiel, die sich tief in sein dankbares Herz gegraben hatten. Es war nicht Hohn, nicht Schadenfreude, was man in Georg von Frondsbergs Mienen las, nein, er sah den Nahenden mit jenem Ausdruck von würdigem Ernst, von Wehmut an, womit ein edler Mann den tapferen, aber besiegten Feind begrüßt.

Als Georg diesen Männern gegenüberstand, hub der Truchseß von Waldburg an: »So hat doch endlich der Schwäbische Bund einmal die Ehre, den erlauchten Herzog von Württemberg vor sich zu sehen, freilich war die Einladung zu uns nicht allzu höflich, doch –«

»Ihr irrt Euch!« rief Georg von Sturmfeder, und schlug das Visier seines Helmes auf. Als sähen sie Minervas Schild und sein Medusenhaupt, so bebten die Bundesräte vor dem Anblick der schönen Züge des jungen Ritters. »Ha! Verräter! ehrlose Buben! ihr Hunde!« rief Truchseß den drei Knechten zu; »was bringt ihr uns diesen Laffen, dessen Anblick meine Galle aufregt, statt des Herzogs? Geschwind, wo ist er? sprecht!«

Die Knechte erbleichten. »Ist's nicht dieser?« fragten sie ängstlich. »Er hat doch den grünen Mantel an.«

Der Truchseß zitterte vor Wut und seine Augen sprühten Verderben; er wollte auf die Knechte hinstürzen, er sprach davon sie zu erwürgen, aber die Ritter hielten ihn zurück, und Hutten, zornbleich, aber gefaßter als jener, fragte: »Wo ist der Doktor Calmus, laßt ihn hereinkommen, er soll Rechenschaft ablegen, er hat den Zug übernommen.«

»Ach Herr«, sagte einer der Knechte, »der legt Euch keine Rechenschaft mehr ab; er liegt erschlagen auf der Brücke bei Köngen!«

»Erschlagen?« rief Sickingen, »und der Herzog ist entkommen? erzählte ihr Schurken.«

»Wir legten uns, wie uns der Doktor befahl, bei der Brücke in Hinterhalt. Es war beinahe noch dunkel, als wir den Hufschlag von vier Rossen hörten, die sich der Brücke näherten, zugleich vernahmen wir das Zeichen, das uns die Reiter über dem Fluß geben sollten, wenn die Herzoglichen aus dem Wald kämen. ›Jetzt ist's Zeit‹, sagte der Kahlmäuser. Wir standen schnell auf und besetzten den Ausgang der Brücke. Es waren, soviel wir im Halbdunkel unterscheiden konnten, vier Reiter und ein Bauersmann; die zwei hintersten wandten sich um und fochten mit unseren Reitern, die zwei vorderen und der Bauer machten sich an uns. Doch wir streckten ihnen die Lanzen entgegen, und der Doktor rief ihnen zu, sich zu ergeben. Da drangen sie wütend auf uns ein; der Doktor sagte uns, der im grünen Mantel sei der Rechte; und wir hätten ihn bald gehabt, aber der Bauer wenn es nicht der Teufel selbst war, schlug den Doktor und noch zwei von uns nieder. Jetzt stach ihm einer die Hellebarde in den Leib, daß er fiel und dann ging es auf die Reiter. Wir packten allesamt den im grünen Mantel, wie uns der Kahlmäuser geheißen, der andere aber stürzte sich mit seinem Roß über die Brücke hinab in den Neckar und schwamm davon. Wir aber ließen ihn ziehen, weil wir den Grünen hatten, und brachten diesen hieher.«

»Das war Ulerich und kein anderer«, rief Alban von Closen »ha! über die Brücke hinab in den Neckar! das tut ihm keiner nach.«

»Man muß ihm nachjagen«, fuhr der Truchseß auf; »die ganze Reiterei muß aufsitzen und hinab am Neckar streifen, ich selbst will hinaus –«

»O Herr«, entgegnete einer der Knechte. »Da kommt Ihr zu spät; es ist drei Stunden jetzt, daß wir von der Brücke abzogen, der hat einen guten Vorsprung, und kennt das Land wohl besser als alle Reiter!«

»Kerl! willst du mich noch höhnen? ihr habt ihn entkommen lassen, an euch halte ich mich, man rufe die Wache; ich laß euch aufhängen.«

»Mäßigt Euch«, sagte Frondsberg, »die armen Bursche trifft der Fehler nicht; sie hätten sich gerne das Gold verdient, das auf den Herzog gesetzt war. Der Doktor hat gefehlt und Ihr hört, daß er es mit dem Leben zahlte.«

»Also Ihr habt heute den Herzog vorgestellt?« wandte sich Waldburg zu Georg, der stille dieser Szene zugesehen hatte; »müßt Ihr mir überall in den Weg laufen, mit Eurem Milchgesicht? Überall hat Euch der Teufel, wo man Euch nicht braucht. Es ist nicht das erste Mal, daß Ihr meine Pläne durchkreuzet –«

»Wenn Ihr es gewesen seid, Herr Truchseß«, antwortete Georg, »der bei Neuffen den Herzog meuchlings überfallen lassen wollte, so bin ich Euch leider in den Weg gekommen, denn Eure Knechte haben mich niedergeworfen.«

Die Ritter erstaunten über diese Rede, und sahen den Truchseß fragend an. Er errötete, man wußte nicht aus Zorn oder Beschämung, und entgegnete: »Was schwatzt Ihr da von Neuffen; ich weiß von nichts; doch wenn man Euch dort niedergeworfen hat, so wünsche ich, Ihr wäret nimmer aufgestanden, um mir heute vor Augen zu kommen. Doch es ist auch so gut, Ihr habt Euch als einen erbitterten Feind des Bundes bewiesen, habt heimlich und offen für den geächteten Herzog gehandelt, teilet also seine Schuld gegen den Bund und das ganze Reich, seid überdies heute mit den Waffen in der Hand gefangen worden – Euch trifft die Strafe des Hochverrats an dem allerdurchlauchtigsten Bund des Schwaben- und Frankenlandes.«

»Dies dünkt mir eine lächerliche Beschuldigung«, erwiderte Georg mit mutigem Ton; »Ihr wisset wohl, wann und wo ich mich von dem Bunde losgesagt habe; Ihr habt mich auf vierzehn Tage Urfehde schwören lassen; so wahr Gott über mir ist, ich habe sie gehalten. Was ich nachher getan, davon habt Ihr nicht Rechenschafe zu fordern, weil ich Euch nicht mehr verpflichtet war, und was meine Gefangennehmung mit den Waffen in der Hand betrifft, so frage ich euch, edle Herren, welcher Ritter wird, wenn er von sechs oder acht angegriffen wird, sich nicht seines Lebens wehren? Ich verlange von euch ritterliche Haft, und erbiete mich Urfehde zu schwören auf sechs Wochen; mehr könnet ihr nicht von mir verlangen.«

»Wollt Ihr uns Gesetze vorschreiben? Ihr habt gut gelernt bei dem übermütigen Herzog; ich höre ihn aus Euch sprechen; doch keinen Schritt sollt Ihr zu Eurer Sippschaft tun, bis Ihr gesteht, wo der alte Fuchs, Euer Schwiegervater, sich aufhält, und welchen Weg der Herzog genommen hat.«

»Der Ritter von Lichtenstein wurde von Euren Reitern gefangengenommen, welchen Weg der Herzog nahm, weiß ich nicht, und kann es mit meinem Wort bekräftigen.«

»Ritterliche Haft?« rief der Truchseß bitter lachend. »Da irrt Ihr Euch gewaltig; zeiget vorher, wo Ihr die goldenen Sporen verdient habt! Nein, solches Gelichter wird bei uns ins tiefste Verlies geworfen, und mit Euch will ich den Anfang machen.«

»Ich denke dies ist unnötig«, fiel ihm Frondsberg ins Wort; »ich weiß, daß Georg von Sturmfeder zum Ritter geschlagen wurde; überdies hat er einem bündischen Edlen das Leben gerettet, Ihr werdet Euch wohl an die Aussage des Dieterich von Kraft erinnern. Auf Verwenden dieses Ritters wurde er von einem schmählichen Tod befreit, und sogar in Freiheit gesetzt. Er kann dieselbe Behandlung von uns verlangen.«

»Ich weiß, daß Ihr ihm immer das Wort geredet; daß er Euer Schoßkind war, aber diesmal hilft es ihm nicht, er muß nach Eßlingen in den Turm, und jetzt den Augenblick –«

»Ich leiste Bürgschaft für ihn«, rief Frondsberg, »und habe hier so gut mitzusprechen wie Ihr. Wir wollen abstimmen über den Gefangenen, man führe ihn einstweilen in mein Zelt.«